Sicherheitsexperten haben die libanesische Regierung nach Reuters-Informationen im Juli vor den verheerenden Folgen einer Explosion im Hafen von Beirut gewarnt. Dabei wurden explizit die 2750 Tonnen Ammoniumnitrat erwähnt, die vergangene Woche wohl zu der gewaltigen Explosion führten, die große Teile der Stadt zerstört hat. Die Chemikalien hatten der Regierung zufolge sechs Jahre lang ungesichert im Hafen gelagert.
Die Warnung der Sicherheitsexperten sei an den Ministerpräsidenten Hassan Diab und den Präsidenten Michel Aoun gegangen, sagten mit entsprechenden Berichten vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Im jüngsten Bericht der Generaldirektion für Staatssicherheit gebe es einen Hinweis auf einen Brief an die beiden Politiker, der am 20. Juli verschickt worden sei. Der Inhalt des Briefs geht aus dem Bericht, den Reuters einsehen konnte, nicht hervor.
Ein mit den Vorgängen Vertrauter sagte aber, das Schreiben habe die Ergebnisse einer Untersuchung zum Inhalt gehabt. Darin sei der Schluss gezogen worden, dass die Chemikalien umgehend abgesichert werden müssten. "Es gab die Gefahr, dass das Material, sofern es gestohlen worden wäre, für Terroranschläge genutzt werden könnte", so die Person, die an der Formulierung des Briefs beteiligt war und nicht namentlich genannt werden will.
Die Büros des Ministerpräsidenten und des Präsidenten ließen Anfragen zu dem Brief unbeantwortet. Auch die Staatsanwaltschaft wollte sich nicht äußern.
Nach tagelangen Protesten hatte die Regierung am Montag ihren Rücktritt angekündigt, bleibt aber übergangsweise im Amt. Viele Libanesen machen die Regierung für die verheerende Explosion am vergangenen Dienstag verantwortlich. Diab führte sie hingegen auf "chronische Korruption" im Libanon zurück. Die Detonation soll durch große Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat ausgelöst worden sein, die dort über Jahre ohne Sicherheitsvorkehrungen lagerten. Die Ermittlungen laufen noch.
Wegen vieler unterschiedlicher Interessen haben Regierungsbildungen im Libanon in der Vergangenheit häufiger lange gedauert. Die Macht in dem kleinen Land am Mittelmeer ist nach einem Proporzsystem unter den Konfessionen aufgeteilt. Der Premier muss immer ein Sunnit sein, der Staatschef ein Christ und der Parlamentspräsident ein Schiit. Der Ministerpräsident hatte am Wochenende zunächst angekündigt, dem Kabinett an diesem Montag eine vorgezogene Neuwahl vorzuschlagen. Damit wollte er die Lage beruhigen. Die nächste Abstimmung über das Parlament steht im Libanon eigentlich 2022 an.
(lin/rtr/dpa)