Der Hafen von Beirut nach der Explosion. Bild: dpa / Marwan Naamani
International
11.08.2020, 09:0211.08.2020, 09:24
Sicherheitsexperten haben die
libanesische Regierung nach Reuters-Informationen im Juli vor
den verheerenden Folgen einer Explosion im Hafen von Beirut
gewarnt. Dabei wurden explizit die 2750 Tonnen Ammoniumnitrat
erwähnt, die vergangene Woche wohl zu der gewaltigen Explosion
führten, die große Teile der Stadt zerstört hat. Die Chemikalien
hatten der Regierung zufolge sechs Jahre lang ungesichert im
Hafen gelagert.
Die Warnung der Sicherheitsexperten sei an den
Ministerpräsidenten Hassan Diab und den Präsidenten Michel Aoun
gegangen, sagten mit entsprechenden Berichten vertraute Personen
der Nachrichtenagentur Reuters. Im jüngsten Bericht der
Generaldirektion für Staatssicherheit gebe es einen Hinweis auf
einen Brief an die beiden Politiker, der am 20. Juli verschickt
worden sei. Der Inhalt des Briefs geht aus dem Bericht, den
Reuters einsehen konnte, nicht hervor.
Ein mit den Vorgängen Vertrauter sagte aber, das Schreiben
habe die Ergebnisse einer Untersuchung zum Inhalt gehabt. Darin
sei der Schluss gezogen worden, dass die Chemikalien umgehend
abgesichert werden müssten. "Es gab die Gefahr, dass das
Material, sofern es gestohlen worden wäre, für Terroranschläge
genutzt werden könnte", so die Person, die an der Formulierung
des Briefs beteiligt war und nicht namentlich genannt werden
will.
"Ich habe sie gewarnt, dass dies Beirut zerstören kann, wenn es explodiert."
Die Büros des Ministerpräsidenten und des Präsidenten ließen
Anfragen zu dem Brief unbeantwortet. Auch die Staatsanwaltschaft
wollte sich nicht äußern.
Nach tagelangen Protesten hatte die Regierung am Montag
ihren Rücktritt angekündigt, bleibt aber übergangsweise im
Amt. Viele Libanesen machen die Regierung für die verheerende Explosion am vergangenen Dienstag verantwortlich. Diab führte sie hingegen auf "chronische Korruption" im Libanon zurück. Die Detonation soll durch große Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat ausgelöst worden sein, die dort über Jahre ohne Sicherheitsvorkehrungen lagerten. Die Ermittlungen laufen noch.
Wegen vieler unterschiedlicher Interessen haben Regierungsbildungen im Libanon in der Vergangenheit häufiger lange gedauert. Die Macht in dem kleinen Land am Mittelmeer ist nach einem Proporzsystem unter den Konfessionen aufgeteilt. Der Premier muss immer ein Sunnit sein, der Staatschef ein Christ und der Parlamentspräsident ein Schiit. Der Ministerpräsident hatte am Wochenende zunächst angekündigt, dem Kabinett an diesem Montag eine vorgezogene Neuwahl vorzuschlagen. Damit wollte er die Lage beruhigen. Die nächste Abstimmung über das Parlament steht im Libanon eigentlich 2022 an.
(lin/rtr/dpa)
Aktuell eskaliert die Lage in Nahost weiter. Israel hat die militärische Offensive gegen die libanesische Hisbollah-Miliz und die Hamas ausgeweitet. Israel marschiert in den Südlibanon ein.