International
Facebook erklärt in einer überraschenden Kehrtwende,
dass von dem Datenskandal um Cambridge Analytica möglicherweise
überhaupt keine Nutzer in Europa betroffen gewesen seien.
- Nach Angaben des Cambridge-Professors Aleksandr Kogan, der die Informationen an die Datenanalyse-Firma weitergab, sei es bei dem Deal nur um Mitglieder aus den USA gegangen.
- "Wir haben keine Beweise dafür gesehen, dass Kogan mit ihnen Daten über europäische Nutzer geteilt hat", erklärte Facebook nun in nachgereichten Antworten auf liegengebliebene Fragen aus der Anhörung von Firmenchef Mark Zuckerberg im Europaparlament am Dienstag.
Zuckerberg hatte diese
Entwicklung mit keinem Wort erwähnt.
Wie geht es nun weiter?
Klarheit solle eine Überprüfung der Computer-Systeme von Cambridge Analytica bringen, hieß es weiter. Zuvor hatte das Online-Netzwerk noch selbst geschätzt, dass bis zu 310 000 Mitglieder in Deutschland und mehrere Millionen in Europa insgesamt betroffen sein könnten. Diese Berechnung basierte auf der Zahl der Nutzer, deren Informationen bei Kogan über eine Umfrage-App gelandet waren.
Einer direkten Antwort auf die Frage, ob europäische Nutzer für den
Datenabfluss an Cambridge Analytica finanziell entschädigt werden
könnten, wich Facebook unterdessen aus und verwies darauf, dass
definitiv keine Bankdaten betroffen gewesen seien.
Facebook reagiert auf Kritik
Facebook veröffentlichte die Antworten auf insgesamt 18 konkrete
Fragen rasch nach der scharfen Kritik an der Anhörung. In den
schriftlichen Antworten lehnte es Facebook unter anderem ab, zu
versprechen, keine Daten mit der Chat-App WhatsApp auszutauschen.
Auch hieß es, man könne nicht versprechen, gefälschte Profile
komplett aus dem Netzwerk verschwinden zu lassen, auch wenn Facebook
jeden Tag Millionen davon blockiere.
Bei vielen Antworten verwies Facebook auf bereits bekannte
Stellungnahmen. Zur Erfassung von Daten von Nicht-Mitgliedern hieß es
etwa, einige Informationen für die Sicherheit würden benötigt. "Wenn
zum Beispiel ein Browser in den vergangenen fünf Minuten hunderte
Websites besucht hat, könnte das ein Hinweis darauf sein, dass das
Gerät ein Bot ist."
Facebook erstelle aus Daten von Nicht-Mitgliedern
keine Profile und sie könnten erfragen, welche Informationen über sie
das Online-Netzwerk habe. Zugleich hieß es, Nicht-Mitglieder könnten
per Werbung dazu ermutigt werden, sich bei Facebook anzumelden. Um
das Sammeln einiger Daten von Internet-Nutzern, die keine
Facebook-Mitglieder sind, gab es immer wieder Streit mit europäischen
Datenschützern.
Facebook über den Datenabgleich mit WhatsApp
Zum Datenabgleich mit WhatsApp bekräftigte Facebook, dass derzeit keine Profil-Informationen europäischer WhatsApp-Nutzer für die Personalisierung der Werbung bei Facebook verwendet würden. Aber wie bereits mehrfach angekündigt, tausche man einige Informationen wie Telefonnummern aus, um zum Beispiel Absender von Spam oder anderer unerwünschter Inhalte zu blockieren. Bei Freigabe der WhatsApp-Übernahme 2014 hatte Facebook ursprünglich noch erklärt, ein Datenabgleich zwischen dem Online-Netzwerk und WhatsApp sei nicht möglich. Deshalb belegte die EU-Kommission das Online-Netzwerk mit einer Strafe von 110 Millionen Euro, nachdem 2016 doch ein Abgleich von Telefonnummern angekündigt wurde.
Vor allem der Ablauf der Anhörung im Europaparlament war scharf
kritisiert worden. Zunächst stellten die Fraktionsspitzen bei einem
live im Internet übertragenen Treffen im kleinen Kreis rund 45
Minuten zum Teil sehr konkrete Frage. Danach nahm sich Zuckerberg
rund 20 Minuten Zeit, sie alle gesammelt zu beantworten. Er
beschränkte sich dabei weitgehend auf allgemeine Einlassungen zu den
angerissenen Themenkomplexen, statt einzelne Fragen direkt zu
beantworten.
Guy Verhofstadt, der Fraktionsvorsitzende der Allianz der Liberalen
und Demokraten für Europa, kritisierte auch die nachgereichten
Antworten als «unzureichend». Außerdem seien weiterhin nicht alle
offenen Fragen beantwortet worden.
(pb/dpa)
Boris Pistorius (SPD) ist seit Januar 2023 Bundesverteidigungsminister unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er gilt als einer der beliebtesten Politiker Deutschlands.