Eine neue Ära: Nach den Trump-Jahren wollen sich die G7-Staaten geeint zeigen.Bild: dpa
International
Viel Harmonie, kaum Streit: Die G7 der westlichen Wirtschaftsmächte präsentiert sich bei ihrem Gipfel in Cornwall wie neugeboren, nachdem sie in der Ära Trump kurz vor der Spaltung stand. Was die konkreten Gipfelbeschlüsse wert sind, wird sich aber erst noch zeigen.
Die G7-Staaten bekennen sich gemeinsam zu
ehrgeizigen Klimazielen und streben einen härteren Kurs gegenüber
China an. In der Abschlusserklärung ihres Gipfels im südenglischen
Cornwall wollen sich die führenden westlichen Industrienationen nach
einem Entwurf ungewöhnlich deutlich gegen unfaire Handelspraktiken,
Menschenrechtsverstöße und das harte Vorgehen der chinesischen
Führung in Hongkong wenden. Beim Klimaschutz wollen sie sich nach
Angaben der britischen Gastgeber erstmals geschlossen hinter das Ziel
der Klimaneutralität ab 2050 stellen.
Unterstützung ärmerer Länder unzureichend
Das Versprechen, ärmere Länder mit Milliarden Impfdosen im Kampf
gegen die Corona-Pandemie zu unterstützen, sorgt unterdessen weiter
für Kritik und Verwirrung. Merkel bekräftigte, dass es um 2,3
Milliarden Dosen bis Ende nächsten Jahres gehe. Den deutschen Beitrag
bezifferte sie auf 350 Millionen Dosen, die sich aus bestehenden
Finanzzusagen und einer bereits angekündigten Impfstoff-Spende
zusammensetzen. Neue Zusagen machte Merkel nicht.
Entwicklungsorganisationen kritisierten das Impfversprechen der G7
als unzureichend. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt den Bedarf
in ärmeren Ländern auf elf Milliarden Dosen.
Zu den G7-Staaten gehören neben Großbritannien und den USA auch
Deutschland, Frankreich, Italien, Japan und Kanada. Für die
Staatengruppe markiert der Gipfel in Cornwall einen Neustart nach der
Ära von US-Präsident Donald Trump, in der dessen Abschottungspolitik
die Gruppe an den Rand der Spaltung brachte. Nun wollen die USA und
die anderen großen westlichen Demokratien wieder an einem Strang
ziehen. US-Präsident Biden will die Staatengruppe vor allem durch
eine harte Abgrenzung zu autoritären Staaten wie Russland und China
zusammenschweißen.
Merkel will einen Konfrontationskurs dagegen vermeiden. Im Entwurf
für die Abschlusserklärung wird dieser Haltung entsprochen, indem
auch gemeinsame Interessen an einer Kooperation mit China bei
globalen Herausforderungen wie dem Klimaschutz und dem Erhalt der
Biodiversität hervorgehoben wird. Es ist allerdings das erste Mal,
dass die Kritik an China in einem Abschlusskommuniqué der G7 so
deutlich formuliert wird.
G7-Staaten wollen mit China geeint in den Dialog treten
So wollen sich die G7-Staaten im Umgang mit der zweitgrößten
Volkswirtschaft "über ein kollektives Vorgehen absprechen, um
marktwidrige Politik und Praktiken anzufechten, die den fairen und
transparenten Ablauf der Weltwirtschaft untergraben", heißt es in dem
Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Über die
China-Passage gibt es nach dpa-Informationen bereits eine
abschließende Einigung. Die gesamte Erklärung soll am Nachmittag
verabschiedet werden.
Auch wollen die G7-Staaten "unsere gemeinsamen Werte fördern". Dazu
gehöre, dass China aufgefordert werde, Menschenrechte und
fundamentale Freiheiten zu achten, "besonders hinsichtlich Xinjiang
und jenen Rechten, Freiheiten und dem hohen Maß an Autonomie, das für
Hongkong in der gemeinsamen Erklärung zwischen China und
Großbritannien und dem Grundgesetz festgeschrieben ist".
Damit bezieht sich die G7 auf die Vereinbarungen für die Rückgabe der
ehemaligen britischen Kronkolonie 1997 an China, die der heutigen
chinesischen Sonderverwaltungsregion eigentlich Autonomie und
Freiheiten nach dem Motto "ein Land, zwei Systeme" garantieren. Nach
anhaltenden Demonstrationen für mehr Demokratie in Hongkong hat
Peking vor einem Jahr aber die Zügel enger gezogen und geht heute mit
einem neuen Sicherheitsgesetz scharf gegen Oppositionskräfte vor.
Der Hinweis auf Xinjiang in dem G7-Papier bezieht sich auf den
Vorwurf der Verfolgung der Minderheiten in der Nordwestregion,
insbesondere der Uiguren. Menschenrechtsgruppen schätzen, dass
Hunderttausende Uiguren, Kasachen, Hui oder Mitglieder anderer
Minoritäten in Umerziehungslager gesteckt worden sind. China weist
die Vorwürfe zurück und spricht von Fortbildungszentren.
Bekenntnis zu Klimazielen des Pariser Abkommens
Mit ihren Beratungen zum Klimaschutz bereiteten sich die Staats- und
Regierungschefs auf die UN-Klimakonferenz im schottischen Glasgow im
November vor. Sie stellten neue Anstrengungen in Aussicht, konnten
sich aber nicht auf ein spezifisches Datum zum Ausstieg aus der Kohle
einigen, wie Kanzlerin Merkel sagte. Das habe nicht an Deutschland
gelegen, "andere haben da noch die Pläne nicht so weit verifiziert".
Die Beschlüsse nannte sie trotzdem ein "starkes Bekenntnis".
Die G7-Staaten bekräftigten die Ziele im Pariser Klimaschutzabkommen,
den Ausstoß von Kohlendioxid bis 2030 um etwa die Hälfte gegenüber
2010 zu verringern. Alle G7-Staaten bekannten sich auch erstmals
dazu, die Klimaneutralität bis spätestens 2050 zu erreichen. Das
bedeutet, dass kein Kohlendioxid ausgestoßen wird oder CO2-Emissionen
vollständig kompensiert werden.
Neue direkte Subventionen für fossile Energie sollen zudem auslaufen
- damit wiederholten sie früher gemachte Zusagen. Hier sollen aber
begrenzte Ausnahmen erlaubt werden. Auch Investitionen in
Kohlekraftwerke sollen enden. Die G7-Staaten bekräftigten ferner ihre
alte Zusage, für arme Ländern 100 Milliarden US-Dollar jährlich zu
mobilisieren. Damit sollen ärmere Staaten ihren Klimaschutz ausbauen
und sich widerstandsfähiger gegen Auswirkungen wie Wetterextreme
machen. Die Klimahilfen erreichen laut Oxfam bisher nur 39 Milliarden
US-Dollar.
Das Pariser Klimaabkommen will die Erderwärmung auf 1.5 Grad
begrenzen. Doch schon jetzt hat sich die Erde um rund 1.2 Grad im
Vergleich zur vorindustriellen Zeit erhitzt. Die fatalen Folgen: Je
nach Region gibt es mehr Hitzewellen und Dürren sowie starken Regen,
Stürme, Unwetter und Überschwemmungen.
(vdv/dpa)
Rolf Mützenich ist der Fraktionschef der SPD. In zahlreichen Debatten spricht er für seine Partei im Bundestag. Mützenich ist bekannt für seine Friedenspolitik, gleichzeitig half er aber auch bei der Durchsetzung des Sondervermögens für die Bundeswehr.