"Schuldig!", schreit irgendwer. Im nächsten Moment bricht vor dem Gerichtsgebäude in Minneapolis ein Sturm der Begeisterung los. Hunderte skandieren immer wieder den Namen des Afroamerikaners George Floyd. "Wer hat gewonnen? Wir haben gewonnen!", rufen sie. Die Demonstranten feiern am Dienstag das Urteil gegen den weißen Ex-Polizisten Derek Chauvin, der wegen der Tötung Floyds in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen wurde.
Floyds Ex-Partnerin Courtney Ross bahnt sich ihren Weg durch die Menge, zieht sich die Maske mit dem Konterfei des Getöteten vom Gesicht und greift ein Mikrofon: "Sein Geist ist hier mit Euch allen. Seine großen Arme umgreifen Euch alle und geben euch eine große, große, große Umarmung", sagt sie sichtlich bewegt. Ein Zuhörer ruft dazwischen: "Wir erleben Geschichte!" Die Anspannung vor dem massiv gesicherten Gerichtsgebäude weicht der Erleichterung. Der Geruch von Grillfleisch wabert über den Platz, Musik schallt aus Lautsprechern, eine triumphale Stimmung breitet sich aus, die Freude ist greifbar.
"Wahre Gerechtigkeit erfordert, dass wir die Tatsache einsehen, dass schwarze Amerikaner anders behandelt werden, jeden Tag", erklärte der frühere US-Präsident Barack Obama nach der Urteilsverkündung. "Wir müssen anerkennen, dass Millionen unserer Freunde, Familienangehörigen und Mitbürger in Angst leben, dass ihre nächste Begegnung mit der Polizei ihre letzte sein könnte." Die USA bräuchten ein tiefgreifendes Umdenken und Reformen, um die Ungleichbehandlung durch Polizei und Justiz zu verringern, mahnte Obama.
"Es ist eine Tatsache, dass wir noch Arbeit vor uns haben. Wir müssen immer noch das System reformieren", sagte die schwarze Vizepräsidentin Kamala Harris nach der Urteilsverkündung im Weißen Haus. Präsident Joe Biden betonte, Rassismus sei auch weiter "ein Schandfleck auf der Seele unserer Nation". Floyd hinterlasse ein Vermächtnis des Friedens, der Gerechtigkeit und des friedlichen Protests, sagte Biden.
Man dürfe nach dem Schuldspruch nicht wegschauen und denken, "unsere Arbeit ist getan", betonte Biden. Der Präsident erinnerte an Floyds letzte Worte "I can't breathe" ("ich kann nicht atmen") und sagte: "Wir können diese Worte nicht mit ihm sterben lassen." Der Demokrat forderte den Kongress zur Verabschiedung eines nach George Floyd benannten Gesetzes für Polizeireformen auf, das allerdings an den Republikanern im Senat scheitern könnte. Biden hat den Kampf gegen den Rassismus zu einem seiner zentralen Anliegen erklärt.
Auch aus der Sportwelt gibt es Zuspruch zum Urteil: Basketball-Superstar LeBron James und zahlreiche weitere Topsportler und Mannschaften mit Bezug zu den USA haben auf den Schuldspruch reagiert. "ACCOUNTABILITY", twitterte der NBA-Profi der Los Angeles Lakers nach der Urteilsverkündung am Montag in Großbuchstaben. Das heißt auf Deutsch so viel wie Rechenschaft oder Verantwortlichkeit. NFL-Quarterback Russell Wilson von den Seattle Seahawks schrieb: "Liebe gewinnt."
Die japanische Weltklassetennisspielerin Naomi Osaka, die sich in den vergangenen Monaten immer wieder für die "Black lives Matter"-Bewegung eingesetzt hatte, schrieb: "Ich wollte einen Tweet zur Feier des Tages schreiben, aber dann wurde ich von der Traurigkeit getroffen, weil wir etwas feiern, dass so klar ist wie der Tag. Der Fakt, dass wir unseren Atem anhalten vor dem Ergebnis, sagt viel aus, wie viel Ungerechtigkeiten schon vorgekommen sind."
Auch viele Mannschaften wie die Los Angeles Lakers, die Minnesota Timberwolves, die New England Patriots oder die New Orleans Saints und Profi-Ligen wie etwa die NBA und die MLS reagierten auf das Urteil. Man sei erfreut, dass der Gerechtigkeit offenbar Genüge getan worden sei, hieß es in der gemeinsamen Mitteilung von NBA-Boss Adam Silver und der Chefin der Spielergewerkschaft NBPA, Michele Roberts. Es gebe aber auch noch viel Arbeit zu tun.
Die amerikanische Sängerin Mariah Carey hat schnell auf den Schuldspruch für den weißen Ex-Polizisten Derek Chauvin im Prozess um die Tötung des Afroamerikaners George Floyd reagiert: "Halleluja!", schrieb die Sängerin am Dienstag auf Twitter. "Ein Anfang...ein kleines Körnchen Hoffnung für unsere Zukunft." Kurz zuvor hatten die Geschworenen in Minneapolis im US-Staat Minnesota Chauvin in allen Anklagepunkten für schuldig befunden.
Dutzende Promis aus der Film- und Musikszene meldeten sich in ihren sozialen Medien zu Wort. Schauspielerin Elizabeth Banks dankte den Juroren. "Schuldig! Wie es sein sollte!", schrieb Oscar-Preisträgerin Viola Davis auf Twitter. "Nun...Ruhe in Frieden George Floyd." Schauspieler Jamie Foxx sprach von einem "bittersüßen Moment", denn Floyd komme dadurch nicht zurück. Dies sei ein kleiner Schritt, um den Afroamerikaner "und Tausende, wie dich, deren Leben sinnlos genommen wurde" zu ehren, schrieb Foxx auf Instagram.
Die Arbeit sei damit lange noch nicht getan, erklärte Sänger Justin Timberlake auf Twitter. Viele Familien würden noch auf Gerechtigkeit warten, schrieb er zu dem Hashtag #PoliceReformNOW für eine sofortige Reform in den Reihen der Polizei. "Viele Kämpfe liegen noch vor uns", mahnte auch Schauspielerin Kerry Washington.
Star-Moderatorin Oprah Winfrey schrieb auf Twitter zu einem Foto von Floyd, sie sei "erleichtert – und emotional auf eine Weise, wie ich es nicht erwartet habe". Sie habe bei jedem Urteilsspruch Freudentränen vergossen. "Ruhe in Gerechtigkeit George Floyd", schrieb Sängerin Katy Perry auf Twitter und versah ihre Botschaft mit einem roten Herz-Emoji.
(lfr/mit Material von dpa)