Neuseeland macht vor, wie es geht. Das Land hat nach Regierungsangaben einen entscheidenden Schritt im Kampf gegen das Coronavirus gemacht. Am Montag meldeten die Behörden nur einen neuen Infektionsfall.
Insgesamt hat Neuseeland laut Zahlen der Johns-Hopkins-Universität 19 Todesfälle und 1472 Coronavirus-Fälle. Von diesen haben sich 1214 bereits wieder erholt, sagte das Gesundheitsministerium am Dienstag.
Es gebe keine weitverbreitete, unerkannte Übertragung des Virus mehr, sagte Premierministerin Jacinda Ardern. "Das gibt uns die Zuversicht, dass wir unser Ziel der Eliminierung erreicht haben, was nie Null bedeutet hat. Aber es bedeutet, dass wir wissen, woher unsere Fälle kommen."
Was es jedoch nicht bedeutet: Dass jetzt alles wieder so ist wie vor dem Ausbruch der Pandemie. Nach knapp fünf Wochen mit Einschränkungen auf der höchsten Stufe vier wurden diese wieder auf Stufe drei herabgesetzt. Das bedeutet, dass einige Geschäfte, Restaurants mit Essen zum Mitnehmen und Schulen wieder öffnen dürfen. Nicht viel anders als in Deutschland.
Was lässt sich aus dem Beispiel Neuseeland lernen? Was hat zu der verschwindend geringen Neuansteckungsrate geführt? Und wie machen die neuseeländischen Behörden jetzt weiter? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen haben wir für euch zusammengestellt.
Zuallererst: Zeit. Neuseeland hatte seinen ersten bestätigten Coronavirus-Fall erst am 28. Februar. Das ist über einen Monat später als Deutschland, wo Ende Januar der erste positive Test in München erfolgte. Man konnte also das Ausbruchsgeschehen in anderen Ländern beobachten und daraus schließen, welche Maßnahmen sich als erfolgreich erweisen und welche nicht.
Dazu kommt, dass es sich um einen relativ abgelegenen Inselstaat handelt. Der wird zudem nur von relativ wenigen Flügen durchquert. Zusätzlich wird er zentral regiert, es gibt keine Bundesländer wie in Deutschland, die jeweils ihre eigenen Regeln umsetzen können.
Es gibt nicht einen, sondern drei Schlüssel zum Erfolg Neuseelands:
Verglichen mit vielen anderen Ländern reagierte Neuseeland schnell und ziemlich hart. Ardern kündigte am 14. März an, dass alle Einreisenden sich zwei Wochen lang selbst isolieren müssten. Diese Maßnahme gehörte zu diesem Zeitpunkt zu den strengsten Einreisebeschränkungen weltweit. Das Land hatte da erst sechs Fälle. Am 19. März wurde Ausländern die Einreise in das Land komplett verboten. Zu dem Zeitpunkt waren es 28 bestätigte Fälle.
Am 21. März, als der Lockdown in Kraft trat, gab es 102 bestätigte Fälle und keinen einzigen Todesfall. Die fünf Millionen Bürger des Landes dürfen seitdem ihre Häuser nur für dringende Besorgungen verlassen. Sport ist nur in der unmittelbaren Nachbarschaft erlaubt. Ausflüge an den Strand oder Besuche sind untersagt.
Und selbst als die Fälle Mitte April bereits rückläufig waren, gab es keine Lockerungen. Im Gegenteil: Ardern entschied sich dafür, die Corona-Maßnahmen in ihrer schärfsten Form (Stufe vier) nochmal um fünf weitere Tage bis zum vergangenen Montag zu verlängern. Ganz im Gegensatz zu Deutschland, wo schon nach ersten kleinen Erfolgen lauthals nach weitreichenden Lockerungen gerufen wurde, wartete man in Neuseeland damit, bis es belastbare Ergebnisse gab. Und auch jetzt sind die Maßnahmen immer noch strenger als in Deutschland.
Bis heute hat Neuseeland 126.066 Tests durchgeführt. Gerechnet auf die Bevölkerungszahl von etwa fünf Millionen Einwohnern bedeutet das eine ähnliche Rate wie in Deutschland, wo bei 80 Millionen Einwohnern mindestens zwei Millionen Tests durchgeführt worden sein sollen (jeweils etwa 0,025).
Es kommt jedoch nicht nur auf die reine Anzahl an Tests an. Mike Ryan, Exekutivdirektor der WHO-Programme für gesundheitliche Notfälle, sagte kürzlich, dass es ein guter Maßstab sei, wenn mindestens zehn negative Fälle auf jeden positiven Fall kämen. Das heißt, wenn ein Staat Tests durchführt und dabei positive Fälle etwa neun Prozent ausmachen, ist es wahrscheinlich, dass er gut testet. Diese sogenannte Testpositivitätsrate liegt in Neuseeland bei etwa einem Prozent. Das lässt darauf schließen, dass es keine hohe Dunkelziffer an unentdeckten Corona-Fällen gibt. Neuseeland testet also nicht nur viel, sondern auch gut.
In Deutschland liegt die Testpositivitätsrate übrigens bei 8,3 Prozent. Auch nicht schlecht, aber eben lange nicht so gut wie in Neuseeland.
Besonnen, bestimmt, bescheiden: So sehen seine Fans in Neuseeland Dr. Ashley Bloomfield, der als Generaldirektor des Gesundheitswesens für die Strategie des Landes im Kampf gegen das Coronavirus zuständig ist. Mit seiner coolen Art, die neuesten Entwicklungen auf der täglichen Pressekonferenz zu präsentieren, ist der 54-Jährige in der Corona-Krise zu einem Liebling der sozialen Netzwerke in dem Pazifikstaat geworden.
Als er kürzlich auf einer der Pressekonferenzen auf seine Popularität angesprochen wurde, gab sich Bloomfield gewohnt zurückhaltend. Gute Führung sei eine Einladung zum kollektiven Handeln, sagte er. Premierministerin Ardern vertraut ihm in der Krise fast blind. Immer wieder tritt sie bei regelmäßigen Pressekonferenzen mit ihm an ihrer Seite auf, wobei Ardern häufig Fragen der Medien an ihn weitergibt.
Professor Michael Baker von der Abteilung für öffentliche Gesundheit der Universität Otago analysierte bereits Anfang April, dass der Erfolg Neuseelands in einer Kombination von guter Führung und guter Wissenschaft begründet sei. "In Neuseeland ist es eine wunderbare Verbindung zwischen guter Wissenschaft und brillanter Führung gewesen. Beides zusammen ist meiner Meinung nach wirklich sehr wirksam", sagte er.
Immerhin: In Deutschland sind wir mit Angela Merkel und Christian Drosten in dieser Hinsicht zum Glück auch nicht ganz schlecht aufgestellt.
Vor allem eins: Auch Erfolge im Kampf gegen Covid-19 dürfen keine übereilte Rückkehr zu einem normalen Leben bedeuten. Trotz der beachtlichen Leistung Neuseelands gilt nach wie vor ein weitreichender Lockdown. Die Leute sollen sich weiterhin hauptsächlich zu Hause aufhalten und ihre Kontakte auf im eigenen Haushalt lebende Personen beschränken. Der Tag, zur Normalität zurückzukehren, sei noch nicht da, erklärte Ardern am Montag, "aber er wird kommen."
(om/mit Material von dpa)