Estland hat eine neue Regierung - und erstmals steht eine Frau an der Spitze. Ministerpräsidentin Kaja Kallas und ihr Kabinett leisteten am Dienstag im Parlament in Tallinn den Amtseid, nachdem sie zuvor von Staatspräsidentin Kersti Kaljulaid ernannt worden waren. Die Juristin und Tochter des früheren EU-Kommissars Siim Kallas ist damit die erste Ministerpräsidentin in der Geschichte Estlands. Die 43 Jahre alte bisherige Oppositionsführerin folgt auf den vor knapp zwei Wochen zurückgetretenen Jüri Ratas.
Kallas sagte, die neue Regierung des baltischen EU- und Nato-Landes werde eine Regierung des Wachstums sein. Mit der Corona-Pandemie müsse eine große Krise angegangen werden. Diese Krise könne aber als Dünger für die Zukunft eingesetzt werden, betonte die Chefin der wirtschaftsliberalen Reformpartei und frühere Europa-Abgeordnete.
Kallas wird ein Bündnis mit Ratas' linksgerichteter Zentrumspartei anführen. Die beiden Parteien sind die beiden führenden politischen Kräfte Estlands seit der wiedererlangten Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991. Sie halten 59 der 101 Sitze im Parlament und wollen weiter fest auf EU- und Nato-Kurs bleiben.
Staatschefin Kaljulaid würdigte die zügigen Koalitionsgespräche. "Es gibt eine Möglichkeit, Schlechtes in Gutes zu verwandeln. Es ist eine wichtige Gelegenheit", sagte sie bei der Ernennung der Regierung zu Sonnenaufgang vor dem Präsidentenpalast.
Neben Kallas sitzen sechs Frauen und acht Männer am Kabinettstisch. Neue Außenministerin wird Eva-Maria Liimets, während Kalle Laanet das Verteidigungsressort übernimmt. Neue Finanzministerin des Euro-Landes mit 1.3 Millionen Einwohnern ist Keit Pentus-Rosimannus. Für eine Schrecksekunde sorgte der Außenhandels- und IT-Minister Andres Sutt, der während der Ernennungszeremonie einen Schwächeanfall erlitt.
Ratas war nach Korruptionsvorwürfen gegen seine Partei zurückgetreten - und hatte damit auch das Aus der bisherigen Regierung besiegelt. Bei den Ermittlungen gegen die Zentrumspartei geht es um einen umstrittenen staatlichen Hilfskredit an ein Immobilienprojekt.
(pas/dpa)