Auch die früher von der Bundeswehr überwachte Provinzhaupstdt Jundus ist in die Hände der Taliban gefallen.Bild: dpa / Maurizio Gambarini
International
In Afghanistan erobern die Taliban die mittlerweile sechste Stadt binnen vier Tagen. Die Zahl der vom Konflikt betroffenen Zivilisten steigt täglich. Das Bundesverteidigungsministerium weist Überlegungen zu einem neuen Bundeswehreinsatz in dem Land zurück.
09.08.2021, 16:4809.08.2021, 17:12
Ungeachtet des alarmierenden Vormarsches der
militant-islamistischen Taliban in Afghanistan hat das
Bundesverteidigungsministerium Überlegungen zu einem neuen
Bundeswehreinsatz in dem Krisenland zurückgewiesen. Es sei "nicht
erkennbar", dass es dafür eine politische Mehrheit in Deutschland
gebe, sagte Ministeriumssprecher Arne Collatz am Montag in Berlin.
Mit Aibak in der Provinz Samangan im Norden Afghanistans fiel die
mittlerweile sechste Provinzhauptstadt an die Islamisten.
Collatz sagte weiter, wegen der fehlenden politischen Mehrheit in
Deutschland gehe er nicht davon aus, "dass wir einen Monat nach dem
Abzug der deutschen Kräfte darüber nachdenken sollten, wieder in
einen Kampfeinsatz dort hineinzugehen."
Röttgen appelliert an internationale Gemeinsachft, die Taliban zu stoppen
Nach der Eroberung der afghanischen Stadt Kundus durch Taliban am
Sonntag hatte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im
Bundestag, Norbert Röttgen, am Wochenende einen neuen
Bundeswehreinsatz ins Spiel gebracht. In einem Interview der
"Frankfurter Allgemeinen Zeitung" appellierte der CDU-Politiker an
die internationale Gemeinschaft, den Vormarsch der Taliban zu
stoppen. Dies könne auch eine Beteiligung der Bundeswehr bedeuten.
"Wenn es also militärische Fähigkeiten der Europäer, auch der
Deutschen, gibt, die jetzt benötigt würden, dann sollten wir sie zur
Verfügung stellen", sagte Röttgen.
Die Bundeswehr hatte Ende Juni nach fast 20 Jahren die letzten
Soldaten aus Afghanistan abgezogen. Die US-Streitkräfte sollen bis
Ende August das Land verlassen. Die Bundeswehr war lange Zeit in
Kundus stationiert und hatte dort in Gefechten mit den Taliban und
bei Anschlägen zahlreiche Soldaten verloren.
Taliban erobern in vier Tagen sechs Provinzhauptstädte zurück
Die Taliban setzen ihre Militäroffensive in dem Land fort. Am Montag
eroberten sie die Provinzhauptstadt Aibak in der Provinz Samangan im
Norden des Landes, wie Provinzräte und Parlamentarier bestätigten.
Der Provinzrätin Machboba Rahmat zufolge hätten die Sicherheitskräfte
die Stadt mit ihren geschätzt 120.000 Einwohnern einfach verlassen.
Davor hätten sie das Verteidigungsministerium um Luftangriffe
gebeten, aber dieses habe nicht auf sie gehört. "Sie dachten, wenn
die Regierung ihnen keine Aufmerksamkeit schenkt, werden sie ihr
Leben nicht für die Regierung riskieren", so Rahmat. Die
Sicherheitskräfte seien auf eine Anhöhe am Rande der Stadt geflohen.
Damit haben die Islamisten binnen vier Tagen sechs
Provinzhauptstädte, der Großteil davon im Norden des Landes,
eingenommen. In Kundus haben die Islamisten am Montag einem
Provinzrat zufolge weitere Regierungseinrichtungen wie das Büro des
Generalstaatsanwaltes oder das Menschenrechtsbüro besetzt. Zivilisten
seien im Zuge der Gefechte getötet und verwundet worden, allerdings
gebe es noch keine genauen Zahlen.
Der Gouverneur von Kundus, Polizei- und Geheimdienstchef seien in der
Basis des 217. Armeekorps. Kämpfe würden am Stadtrand in dem Gebiet
rund um den Flughafen und das Korps andauern. Von dort hätten
Dutzende Familien, die zuvor aus ihren Bezirken vor Gefechten
geflohen und in einer Schule untergebracht waren, erneut flüchten
müssen. Insgesamt hätten 5000 Autos die Stadt in Richtung Kabul
verlassen.
Das Militär evakuierte Provinzräten zufolge in der Nacht zu Montag
Sicherheitskräfte und Regierungsvertreter, die sich nach dem Fall von
Sar-i Pul in eine Militärbasis am Rande der Stadt zurückgezogen
hatten und die von den Islamisten mit Mörsergranaten beschossen
worden waren. Danach hätte die Luftwaffe die Basis bombardiert.
Auch UN-Nothilfenkoordinator ruft zum Schutz der Bevölkerung auf
Aus der gefallenen Stadt Talokan geflohene Sicherheitskräfte haben
sich lokalen Behördenvertretern zufolge mittlerweile in den Bezirk
Warsadsch durchgeschlagen, der an die Provinz Pandschir grenzt, die
noch unter vollständiger Kontrolle der Regierung steht. Die Taliban
griffen Provinzräten zufolge erneut auch Teile der Stadt Pul-e Chumri
in der Provinz Baghlan an, seien aber von den Sicherheitskräften
zurückgeschlagen worden.
Angesichts steigender Opferzahlen in Afghanistan hat
UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths zum Schutz der
Zivilbevölkerung aufgerufen. Allein im Juli seien mehr als tausend
Menschen durch Angriffe in den Konfliktprovinzen Helmand, Kandahar
und Herat getötet oder verletzt worden, berichtete er am Montag. Das
UN-Kinderhilfswerk Unicef zeigte sich am Montag schockiert angesichts
täglich steigender Gräueltaten in dem Konflikt. Binnen 72 Stunden
seien in drei Provinzen des Landes 27 Kinder getötet und 136
verwundet worden.
Auch die Zahl der Binnenflüchtlinge steigt seit Anfang Mai massiv.
Bis Ende Juli verließen annähernd eine Viertelmillion Menschen in dem
Land ihre Dörfer und Städte. Laut Daten der UN-Agentur zur
Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) sind es mehr als 244 000
Menschen vor Gefechten geflohen - mehr als vier Mal so viel wie im
gleichen Zeitraum des Vorjahrs.
(vdv/dpa)
Kari Lake ist eine aufstrebende US-Politikerin der Republikanischen Partei. Sie ist eine loyale Anhängerin von Donald Trump und würde laut eigener Aussage selbst zur Waffe greifen, um ihn zu schützen.