Aus der "politischen Revolution" wird vorerst nichts. Im Präsidentschaftsrennen der US-Demokraten hat der linksgerichtete Senator Bernie Sanders das Handtuch geworfen. Der von seinen oft jungen Anhängern als Linken-Ikone verehrte 78-Jährige zieht damit nach wochenlangem Zögern die Konsequenzen aus einer Reihe von Vorwahlschlappen. Der selbsternannte "demokratische Sozialist" beendet inmitten der Coronavirus-Pandemie den Wahlkampf – und macht den Weg frei für eine Präsidentschaftskandidatur des früheren Vizepräsidenten Joe Biden.
Sanders hat es nie geschafft – und eigentlich auch nie versucht – die Demokratische Partei hinter sich zu bringen. Vielmehr nannte er das "demokratische Establishment" stets in einem Atemzug mit dem republikanischen Establishment und den Wirtschaftseliten als Gegner. Seine Anhänger konnte "Bernie" mit diesem Image des furchtlosen Einzelkämpfers mobilisieren; ausbauen konnte er seine Wählerbasis aber kaum.
Der knorrige und als kompromisslos kritisierte Senator für den Bundesstaat Vermont blieb bei den Demokraten stets ein halber Außenseiter – zumal er kein Parteimitglied ist, sondern ein Unabhängiger.
Dabei ist unbestritten, dass Sanders eine zentrale Figur im Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit in den USA ist. Seit Jahrzehnten wirbt er für einen stärkeren Sozialstaat, eine fairere Einkommensverteilung, strengere Regeln für die Wall Street.
Schonungslos legte er die Schwächen des teuren US-Gesundheitssystems offen, das dutzende Millionen Menschen ausschließt – und das jetzt mit dazu beiträgt, dass das Coronavirus die USA so hart trifft. Doch sein Vorschlag einer gesetzlichen Krankenkasse für alle, wohlgemerkt bei Abschaffung der Privatversicherungen, ging auch bei den Demokraten den meisten zu weit. Zumal Sanders selbst schwammig blieb, wie er das Versprechen finanzieren will.
Viele in der Partei fürchteten, ein Präsidentschaftskandidat mit der Vision einer "politischen Revolution" würde Wähler der politischen Mitte verprellen und bei der Präsidentschaftswahl im November gegen Amtsinhaber Trump untergehen. Der Präsident hatte schon das Schreckgespenst des "Kommunismus" an die Wand gemalt, den der "verrückte Bernie" anstrebe.
Dass Sanders trotz allem die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten erringt, hatte zwischenzeitlich als echte Möglichkeit gegolten. Nach seinen frühen Vorwahl-Erfolgen im Februar stürmte der 78-Jährige in landesweiten Umfragen an die Spitze. Gestützt von einer landesweit hervorragend aufgestellten Graswurzelbewegung war er vor dem Superwahltag "Super Tuesday" am 3. März klarer Favorit und hätte seinen Rivalen davoneilen können.
Doch dann vereinte sich der zersplitterte moderate Demokratenflügel hinter Biden. Der Mitte-Politiker legte am Super-Dienstag ein spektakuläres Comeback hin und räumte auch bei den folgenden Vorwahlen ab. Sanders hatte schließlich rechnerisch kaum mehr Chancen auf eine Kandidatur. Doch der als Dickkopf verschriene Senator gab zunächst nicht auf, zumal Wahlkampf und Vorwahlen wegen der Coronavirus-Pandemie nahezu vollständig auf Eis liegen.
Bei den Demokraten wuchs die Sorge vor einem Schreckensszenario wie 2016. Damals hatte der Politik-Revoluzzer sich ein langes und erbittertes Vorwahlrennen mit seiner Rivalin Hillary Clinton geliefert, das zu tiefen Rissen bei den Demokraten führte. Kritiker machen den langjährigen Senator deswegen mitverantwortlich für Clintons Niederlage gegen Trump bei der Präsidentschaftswahl 2016.
Nun räumte Sanders ein, dass er keine Chance mehr auf die Präsidentschaftskandidatur habe. "Joe Biden wird der Nominierte sein", sagte er am Mittwoch in einer Videoansprache. Ganz aufgeben will der Senator aber nicht: Er werde bei den Vorwahlen weiter Delegiertenstimmen sammeln, um beim Nominierungsparteitag im August politisches Gewicht zu haben.
Gleichwohl versprach Sanders eine Zusammenarbeit mit Biden, der ein "sehr anständiger Mann" sei. "Gemeinsam und vereint werden wir Donald Trump besiegen, den gefährlichsten Präsidenten der jüngeren amerikanischen Geschichte."
(afp/om)