Bild: Ognen Teofilovski/reuters
International
Der "Delta 9 Cannabis Store" in Winnipeg
erinnert an eine Mischung aus Apotheke und Schmuckladen. In einer
Vitrine im Eingangsbereich steht eine Bong für umgerechnet mehr als
7000 Euro zum Verkauf. "Das ist Funktionalität und Mode in einem",
wirbt Leiter Trevor Duncan. Ein Stück für die Sammler, wenn auch am
oberen Ende der Preisskala. High würden die meisten aber immer noch
mit vorgerollten Joints.
Es hat sich etwas getan in Kanada, seitdem die Regierung von Premier Justin Trudeau am 17. Oktober vergangenen Jahres Cannabis landesweit offiziell legalisiert hat. Menschen verschiedenen Alters kommen in Duncans Laden, der an einer ruhigen Kreuzung im beschaulichen Winnipeg liegt, im Herzen des riesigen Landes.
Die Kunden werden von Duncan und seinen Kollegen - allesamt geschulte
Marihuana-Experten - beraten und gehen mit Sorten wie "Cloud Nine",
"White Widow" oder "Boaty McBoatface" nach Hause. Wer beim Thema
"Gras kaufen" an dunkle Straßenecken und dubiose Dealer denkt, könnte
falscher nicht liegen. Doch wo steht Kanada ein Jahr nach der
Legalisierung?
2015 trat die neue Regierung mit dem Versprechen an, Cannabis aus
seinem Schattendasein herauszuholen. Premier Trudeau brauchte aber
trotzdem Jahre, bis die Legalisierung im Oktober 2018 stand.
Übergeordnetes Ziel war und ist es, das einst illegale Geschäft zu
kontrollieren und zu regulieren. Damit will man es nicht nur
Minderjährigen erschweren, an das Rauschmittel heranzukommen, sondern
die Verkäufe auch zumindest teilweise in staatliche Erlöse umwandeln.
Dass nicht-lizenzierte Dealer aber noch lange nicht abgemeldet sind,
zeigen jüngste Umfragen. Der kanadischen Statistikbehörde zufolge
gaben bei einer Studie im ersten Halbjahr 2019 zwar knapp die Hälfte
der Konsumenten an, ihr Cannabis auch auf dem neuen, offiziellen Weg
zu kaufen. Doch gleichzeitig bekommen mehr als 40 Prozent
ihr Cannabis zumindest manchmal noch immer illegal.
Der Kampf gegen den "grauen Markt"
Auch wenn man mit Trevor Duncan und seinen Kunden in Winnipeg redet,
wird schnell klar, dass die Regierung in Ottawa noch nicht da ist, wo
sie mit dem "Cannabis Act" hinmöchte. "Wir führen einen harten Kampf
gegen den grauen Markt, solange die kanadische Post noch immer
Cannabis verschickt", erklärt Duncan. Es gebe unzählige nicht
lizenzierte Internetseiten, bei denen die Preise oft deutlich
niedriger seien.
"Ich würde schätzen, dass der unerlaubte Verkauf in unserer Region
noch immer stärker ist als der legale Markt", meint Duncan. Ein
anderer großer Nachteil sei, dass Lebensmittel mit Cannabis - zum
Beispiel Kekse oder Getränke - noch immer nicht verkauft werden
dürfen. Das soll sich erst in den kommenden Monaten ändern.
Sozialarbeiter Jan hat gerade die Grassorte "Lemon Snicklefritz"
gekauft, 3.5 Gramm für 35 Kanadische Dollar - umgerechnet 24 Euro.
Die Qualität ist gut, sagt er, aber das war sie vorher auch. Der
30-Jährige kifft seit Jahren und fand schon immer, dass Cannabis
erlaubt gehöre. Doch die Legalisierung hätte besser laufen können,
findet er: "Die großen Firmen werden gegenüber den kleineren Händlern
bevorteilt."
Vor dem Laden tauchen zwei junge Frauen auf. "Wir wollen jetzt
einfach nur ein bisschen Gras rauchen", sagt die 21-jährige Kristin.
Sie und ihre Freundin lachen. Die Legalisierung vor einem Jahr habe
ihr Leben schon verändert, erzählt sie: "Ich habe sozusagen mit dem
Trinken aufgehört und bin zum Rauchen übergegangen". Mit dem Alkohol
sei es abends immer wieder aus dem Ruder gelaufen. Das sei jetzt
besser.
Ob das illegale Geschäft landesweit auf absehbare Zeit wirklich
trockengelegt werden kann, muss sich erst noch zeigen. Was die
Legalisierung aber heute schon verändert hat, ist, das Gras
gesellschaftsfähiger zu machen. Ein Mann in Ottawa erzählt, dass er
immer von einer möglichen Strafe abgeschreckt gewesen sei und deshalb
nie selber Cannabis gekauft hätte.
"Heute ist das sozial viel einfacher", meint er. Zuhause, neben
seiner Hausbar, stehe nun ein kleines Tablett. Darauf seien Joints
und Gras fein säuberlich aufgereiht. Und wenn Freunde vorbeikommen
und nicht trinken wollten, könnten sie sich stattdessen einfach dort
bedienen.
Ästhetik spiele eine immer größere Rolle, sagt Trevor Duncan und
zeigt seine gehobenen Kiffer-Accessoires wie Döschen aus Edelstahl.
Marihuana-Konsum sei bei einigen Kunden vergleichbar mit der Hingabe
leidenschaftlicher Whiskey-Trinker. Die normalen Gras-Raucher dagegen
setzten auf Joints - zunehmend auch in elektronischer Form. Die
E-Joints verbrennen Cannabis-Pollen oder verdampfen Öle. Und wer sich
keine 7000-Euro-Bong leisten möchte, der kann sich mit Geräten für
ein paar Hundert Dollar berauschen.
(pb/dpa)
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