In der SPD mehren sich die Stimmen für ein politisches Comeback von Ex-Parteichef Martin Schulz auf der Europabühne. Schulz sei der deutsche Europapolitiker schlechthin, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) dem "Spiegel".
Als erstes Vorstandsmitglied bezog Müller damit offen Stellung für Schulz. Auch der Chef des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, unterstützt die Spitzenkandidatur des früheren Präsidenten des Europaparlaments, der aber als SPD-Kanzlerkandidat gescheitert war.
In der Partei hieß es am Sonntag, Ende des Jahres gebe es eine Europadelegiertenkonferenz, die einen eigenen deutschen Spitzenkandidaten küren soll. Zudem soll es wie bei der Europawahl 2014 einen europäischen Spitzenkandidaten geben, der sich um das Amt des EU-Kommissionspräsidenten bewirbt.
Hierfür wird aufseiten der europäischen Sozialdemokraten die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini als Favoritin genannt. 2014 war das noch Schulz, da die Europäische Volkspartei (EVP), zu der auch die deutsche CDU und CSU gehören, die Wahl gewann, wurde deren Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker aus Luxemburg schließlich neuer EU-Kommissionspräsident.
...und holte 2014 bei der Europawahl in Deutschland mit den Sozialdemokraten 27,3 Prozent – ein Plus von 6,5 Prozentpunkten im Vergleich zu Wahl 2009.
Als Kanzlerkandidat hatte Schulz dagegen weit weniger Erfolg, nach einem verkorksten Wahlkampf rutschte die SPD 2017 auf 20,5 Prozent ab.
Nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche von Union, Grünen und FDP ging die SPD unter großen Schmerzen trotzdem wieder eine große Koalition ein. Der intern umstrittene Schulz verhandelte noch den Koalitionsvertrag, trat danach aber als SPD-Chef zurück und wurde auch nicht wie geplant Außenminister.
Anders als der ebenfalls nicht mit einem Ministeramt bedachte Sigmar Gabriel trat er aber nicht gegen seine eigene Partei nach. Schulz arbeitet heute als einfacher Bundestagsabgeordneter.
Auf sein Bestreben wurde erstmals das Thema Europa an die erste Stelle im Koalitionsvertrag gesetzt. Er kritisiert ein Bremsen bei den von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron vorangetriebenen Bemühungen um eine vertiefte Integration, auch als Antwort auf den drohenden Bruch des westlichen Bündnisses mit den USA.
Zu Monatsbeginn hatte der SPD-Europapolitiker Axel Schäfer bereits sowohl Schulz als auch Gabriel als Spitzenkandidaten für die Europawahl ins Spiel gebracht.
Eine weitere Option für Schulz könnte theoretisch sein, nach der Europawahl deutscher EU-Kommissar zu werden – bis 2019 ist das noch Günther Oettinger (CDU), zuständig für den EU-Haushalt.
Union und SPD haben bisher offengelassen, welche Partei den nächsten deutschen EU-Kommissar stellen darf – hierfür dürfte aber eine entscheidende Rolle spielen, wer am Ende stärker bei der Europawahl abschneidet.
(hd/dpa)