
Joe Biden bei einer Wahlkampfrede Ende Juli. Bild: ap / Andrew Harnik
International
Zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl
in den USA hat Herausforderer Joe Biden dem Amtsinhaber Donald Trump
Unfähigkeit und Scheitern in der Corona-Krise und bei der Gewalt in
amerikanischen Städten vorgeworfen. "Dieser Präsident kann die Gewalt
nicht beenden", sagte Biden bei einer Ansprache in der Industriestadt
Pittsburgh. "Es wüten Brände und wir haben einen Präsidenten, der die
Flammen anfacht, anstatt sie zu bekämpfen." Dabei wies Biden auf
rechtsgerichtete Milizen und rassistische Gruppen hin.
Der Kandidat der Demokratischen Partei hielt seine Rede in einem
Saal der Carnegie-Mellon-Universität vor Kameras, aber ohne Publikum.
Wegen der Corona-Pandemie hatte er sich in den vergangenen Monaten
überwiegend in seinem Haus im US-Staat Delaware aufgehalten.
Biden verurteilt Gewalt
In Pittsburgh ging der Herausforderer auch auf Vorwürfe Trumps
ein und wandte sich entschieden gegen jede Gewalt. Unruhen,
Plünderungen und Brandstiftungen seien keine Proteste, sondern
Straftaten – sie sollten entsprechend verfolgt werden.
Nach dem Tod von George Floyd bei einem Polizeieinsatz in
Minneapolis im Mai hat sich vor allem die Stadt Portland zu einem
Brennpunkt der Unruhen entwickelt. Proteste endeten dort wiederholt
in Plünderungen und Gewalt, Hunderte Demonstranten wurden
festgenommen. Am vergangenen Wochenende eskalierte die Situation mit
einem Autokorso von Trump-Anhängern. Dabei kam ein Anhänger der
rechtsgerichteten Gruppe Patriot Prayer ums Leben.
Zweiter Brennpunkt
der Unruhen ist die Stadt Kenosha im US-Staat Wisconsin, wo der
29-jährige Jacob Blake mit sieben Schüssen von Polizisten schwer
verletzt wurde. Trump hat für Dienstag einen Besuch in Kenosha
angekündigt.
"Sehe ich wie ein radikaler Sozialist aus?"
Nach der rhetorischen Frage "Sehe ich wie ein radikaler Sozialist
aus?", erklärte Biden, dass er Amerika retten wolle. Als Probleme
zählte er die Corona-Pandemie, Verbrechen und Plünderungen,
rassistisch motivierte Gewalt sowie "schlechte Polizisten" auf. Und
er wolle Amerika, "um es kristallklar zu sagen, retten vor vier
weiteren Jahren Donald Trump".
Trump habe darin versagt, Amerika vor der rasanten Ausbreitung
des Coronavirus zu schützen. Jetzt setze er auf "Law and Order", auf
Recht und Ordnung, und betreibe eine Politik der Angst: "Je mehr
Chaos und Gewalt, desto besser ist es für Trumps Wiederwahl."
In den USA haben sich nach Angaben der Universität Johns Hopkins
seit Beginn der Pandemie mehr als sechs Millionen Menschen mit dem
Coronavirus angesteckt. 183.000 Menschen sind in dem Land mit 330
Millionen Einwohnern gestorben.
Von Obama zu Papst Johannes Paul II.
Mehrere Male erinnerte Biden an die Amtszeit von Präsident Barack
Obama, in dessen Regierung er Vizepräsident war. Mit Obama habe er
für eine Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2009
gesorgt. Und während die Gewaltkriminalität damals zurückgegangen
sei, gebe es unter der Regierung Trump eine Zunahme der Mordrate um
26 Prozent.
Gegen Ende seiner knapp 30-minütigen Ansprache berief sich der
Katholik Biden auf den gestorbenen Papst Johannes Paul II. und sagte,
die Zukunft lasse sich nicht auf Angst, sondern nur auf Hoffnung
aufbauen.
Die Wahlkampfleitung Trumps warf Biden nach der Ansprache vor, er
habe die Antifa nicht verurteilt und sich nicht gegen Leute gewandt,
welche die Polizei als "Krebsgeschwür" bezeichneten. Zudem habe er es
versäumt, Gouverneure der Demokratischen Partei aufzurufen, die
Nationalgarde gegen Gewalt in den Städten anzufordern. "Diese
linksgerichteten Randalierer sind Anhänger von Joe Biden."
In einem
Amerika unter Biden gebe es keine Sicherheit. Trump twitterte:
"Gerade gesehen, was Biden zu sagen hatte. Für mich sah es so aus,
dass er die Polizei weit mehr beschuldigt als Randalierer,
Anarchisten, Agitatoren und Plünderer."
(se/dpa)
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