Über 90 Prozent der Atomwaffen weltweit befinden sich heute im Besitz der USA und Russlands.bild: imago images/unsplash/watson-montage
International
Insgesamt gibt es schätzungsweise knapp 14.000 Atomwaffen auf der
Welt. Das ist zwar nur rund ein Fünftel des Arsenals, die im Kalten
Krieg vorgehalten wurde. Friedensforscher sehen aber keinen Grund zu
Optimismus.
Die Atommächte des Planeten investieren nach
Angaben von Friedensforschern wieder mehr in ihre nuklearen
Waffenarsenale. Zwar ging die Zahl der Atomwaffen weltweit im
vergangenen Jahr um knapp vier Prozent zurück, wie das Stockholmer
Friedensforschungsinstitut Sipri berichtet. Dafür seien die
Atommächte aber wieder stärker darauf aus, ihre Waffen zu
modernisieren.
"Offen gesagt ist das ein negativer Trend", sagte der
Sipri-Atomwaffenexperte Shannon Kile der Deutschen Presse-Agentur.
Der Rückgang bei den Atomwaffen habe sich in den vergangenen Jahren
entscheidend verlangsamt und sei lediglich darauf zurückzuführen,
dass die USA und Russland Waffen ausrangierten, die sie nicht mehr
brauchen.
Insgesamt gab es im Januar 2019 schätzungsweise 13.865 Atomwaffen auf
der Welt, wie aus dem am Montag veröffentlichten Sipri-Jahresbericht
2019 hervorgeht. Ein Jahr zuvor waren es demnach etwa 14.465 gewesen.
Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges Mitte der 1980er Jahre gab es
einst etwa 70.000 Atomsprengköpfe auf dem Planeten.
Über 90 Prozent von ihnen befinden sich heute laut Sipri im Besitz
der USA und Russlands. Die beiden Länder verfügen den Schätzungen
zufolge über 6185 beziehungsweise 6500 Atomsprengköpfe. Aber auch die
weiteren drei UN-Vetomächte Großbritannien (200), Frankreich (300)
und China (290) sowie Israel (80-90) und die in einen internen
Konflikt verstrickten Staaten Indien (130-140) und Pakistan (150-160)
verfügen über solche Waffen. Indien, Pakistan und auch China hätten
ihre Arsenale in den vergangenen Jahren schrittweise ausgebaut, so
Kile.
Die Zahl der Atomwaffen im Besitz von Nordkorea schätzen die
Friedensforscher auf 20 bis 30 – nach zehn bis 20 ein Jahr zuvor.
Lediglich Atomsprengköpfe der USA, Russlands, Großbritanniens und
Frankreichs gelten teilweise als sofort einsatzbereit.
Februar 2019: Demonstration vor der Botschaft der USA in Berlin gegen die bevorstehende Auflösung des INF-Abrüstungsabkommens zwischen Russland und den USA. Bild: imago images/snapshot
Die Regierungen aller Atommächte seien zudem dabei, ihre nuklearen
Arsenale zu modernisieren, sagte Kile. "Was wir sehen, ist, dass
Atomwaffen bei nationalen Sicherheits- und Militärstrategien wieder
wichtiger werden." Unter der Regierung von Präsident Donald Trump
betrieben die USA eine umfassende Modernisierungsstrategie. "Das
umfasst sowohl die Waffen als solche als auch Bomber, U-Boote,
Marschflugkörper und die Produktionskapazitäten", sagte der Experte.
Einen ähnlichen Trend könne man in Russland beobachten. Eine
atomwaffenfreie Welt sei somit weiter nicht in Sicht, warnte Kile.
Erst vor knapp einer Woche hatte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD)
gewarnt, die Krise bei den Bemühungen um nukleare Abrüstung und
Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen stelle eine Gefahr für den
Weltfrieden dar. Nach einem Treffen mit Ministern 15 anderer Länder
ohne Atomwaffen in Stockholm kritisierte er, dass das Thema Abrüstung
derzeit überhaupt nicht auf der politischen Agenda stehe. Dort gehöre
es aber ohne Frage hin. Der Meinungsaustausch in Schweden soll nun
Anfang 2020 in Berlin in die nächste Runde gehen, nachdem die
Stockholmer Konferenz in ihrer Abschlusserklärung klargemacht hatte:
"Unser gemeinsames Ziel ist eine Welt ohne Atomwaffen."
Bundesaußenminister Heiko Maas bei einer Pressekonferenz im Auswärtigen Amt.Bild: imago images / photothek / janine smith
Wie wichtig die Atomdiplomatie ist, zeigt sich derzeit gleich an
mehreren Schauplätzen: Maas hatte sich unmittelbar vor dem
Stockholmer Treffen in Teheran für eine Rettung des internationalen
Atomabkommens mit dem Iran eingesetzt. Konkrete Fortschritte wurden
dabei jedoch nicht erzielt. Auch die US-Diplomatie im Atomstreit mit
Nordkorea stockt. Zwischen Russland und den USA steht zudem die Frage
der Verlängerung des im Februar 2021 auslaufenden New-Start-Vertrags
über die Kontrolle atomarer Angriffswaffen an. Dazu sagte
Sipri-Experte Kile, die Verhandlungen über einen Nachfolgevertrag
befänden sich angesichts von politischen und militärischen
Differenzen in einer Sackgasse. "Die Aussichten sind trübe."
Die Friedensforscher bezogen ihre Daten für die 50. Ausgabe ihres
Jahresberichts wieder aus öffentlichen Quellen, unter anderem von
Regierungen. Nicht alle Staaten legten Daten zu ihren Arsenalen
transparent auf den Tisch, wird in Stockholm moniert.
(as/dpa)
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