Es gibt Orte auf dieser Welt, wo man sich zur Begrüßung noch die Hände schütteln oder sich umarmen kann. Wo Kinder noch in die Schule und auf Spielplätze dürfen und man abends in Restaurants oder Bars sitzt. Wo die Menschen morgens ganz normal zur Arbeit gehen und nachmittags wieder nach Hause. Es gibt noch Orte auf dieser Welt, wo vieles noch so ist, wie es vor der Corona-Krise schon war.
Einer dieser Orte heißt Nauru. Die fast kreisrunde Insel liegt mitten im Pazifik, ganz in der Nähe des Äquators und ist der drittkleinste Staat der Welt, gerade noch größer als der Vatikan und Monaco. Knapp 13.000 Menschen leben hier auf 21 Quadratkilometern. Bis zur nächstgelegenen Insel des Nachbarlands Kiribati sind es schon 292 Kilometer, bis zum australischen Kontinent fast 3000.
Die geografische Isolation ist in diesen Tagen ein Segen für Nauru. So weit raus auf den Ozean hat es das Virus noch nicht geschafft. Nauru gilt als coronafreie Zone. Und die Regierung tut alles dafür, dass das auch so bleibt.
Wenn Präsident Lionel Aingimea darüber redet, klingt es so, als würde seine Insel von einer Kriegsflotte belagert, die ihre Kanonen mit Viren geladen und auf die Küste gerichtet hat.
"Es ist ein Feind ohne Augenmaß, ohne Beherrschung, alles was er tut, ist verschlingen. Und was er verschlingt ist die Gesundheit eines Landes, die Wirtschaft eines Landes", sagt er in einem Video-Interview der Deutschen Presse-Agentur. Diese "Schlacht" könnten die Menschen in Nauru nur gemeinsam gewinnen. "Jeder muss sich an diesem Kampf beteiligen."
Die Abwehrmaßnahmen haben schon Mitte März begonnen. Nauru Airlines fliegt seitdem keine anderen Pazifik-Inseln mehr an. Jetzt geht nur noch alle zwei Wochen ein Flug ins australische Brisbane und zurück – früher waren es drei pro Woche. Die etwa 50 Passagiere und Besatzungsmitglieder, die mit diesen Maschinen landen, werden für 14 Tage in einem Quarantänezentrum interniert. Wer Grippe-Symptome zeigt wird getestet. Bisher fielen alle Tests negativ aus.
Im Hafen von Nauru legen noch Frachtschiffe an, die Besatzung darf aber nicht von Bord, die Ladung wird dekontaminiert. Von der einheimischen Bevölkerung hat in den letzten vier Wochen kaum jemand die Insel verlassen. "Wir sind sehr sicher, dass wir das Coronavirus noch nicht auf unserer Insel haben", sagt der Präsident der ehemaligen deutschen Kolonie im Pazifik.
Der Krankheitserreger hat sich in den vergangenen drei Monaten so rasant über den ganzen Globus verbreitet wie wohl kaum ein Virus zuvor. Am 13. Januar wurde in Thailand der erste Corona-Fall außerhalb des Ursprungslands Chinas bestätigt. Seitdem sind innerhalb von drei Monaten und 180 weitere Länder hinzugekommen.
Nauru ist nach der Statistik der Johns-Hopkins-Universität in den USA einer von nur noch 15 Staaten dieser Welt, die verschont geblieben sind. Bei all diesen Ländern handelt es sich um geografisch isolierte oder politisch abgeschottete Staaten.
Nicht bei allen kann man allerdings sicher sein, dass sie tatsächlich coronafrei sind.
Die australische Gesundheitsforscherin Meru Sheel von der Universität Canberra meint, dass die strikten Einreisebestimmungen das Risiko eines Virenimports auf den Pazifikinseln sehr stark verringert hätten. Aber ganz ausräumen könne man es auch mit den härtesten Maßnahmen nicht. "Wir wollen optimistisch sein, aber es ist unrealistisch zu sagen, dass das Risiko bei Null ist." Die Inselstaaten könnten sich nicht selbst versorgen und seien auf Lieferungen aus dem Ausland angewiesen.
"Sie können diese Staaten nicht abkapseln, sei es politisch, sozial oder wirtschaftlich", sagt Sheel. "Es wird immer das Risiko der Einschleusung geben, solange das Virus in irgendeinem Teil der Erde zirkuliert."
Einzelne Inselstaaten im Pazifik hat es auch schon erwischt, zum Beispiel Fidschi mit seinen fast 100.000 Einwohnern, wo es nun 16 Fälle gibt. Das beobachtet auch die Regierung von Nauru sehr genau, und bereitet sich auf den möglichen Katastrophenfall vor. Das Inselhospital wurde personell bereits verstärkt und in den nächsten Tagen will Aingimea seinen Landsleute nach und nach auch die Verhaltensregeln näher bringen, die in den Corona-Staaten üblich sind: Zwei Meter Abstand, Winken statt Händeschütteln, Tragen von Schutzmasken.
"Man kann wirklich nicht sagen, dass Isolation alleine die Lösung ist. Man muss einfach produktiv im Kampf gegen das Virus sein", sagt der Präsident.
(ll/dpa)