Eine junge Frau steht auf einem Geländer in einer Ruine. Die unverputzten Wände, der Schutt auf dem Boden und Stahlgerüste verleihen den Eindruck, sie stände auf einer Baustelle. An einem Ort, der restauriert wird.
Sie beginnt zu singen. In dem großen, offenen Raum mag ihre Stimme wohl besonders schön klingen. Würde es sich bei diesem Ort nicht um das Dramatheater von Mariupol handeln – eine "Grabstelle" zahlreicher Ukrainer:innen, die durch einen russischen Luftangriff ihr Leben verloren.
Brisant: Laut Medienberichten soll es sich bei der Frau um die chinesische Opernsängerin Wang Fang handeln. Das Lied, das sie in dem zerstörten Theater performt, sei das sowjetische Stück "Katyusha". Ihr Auftritt könnte nun eine diplomatische Krise zwischen der Ukraine und China losreißen.
Zum Hintergrund: Im März 2022 bombardierten die Russen das Akademische Dramatheater in Mariupol in der Oblast Donezk im Zuge ihres brutalen Überfalls auf die Ukraine. Dabei soll ihnen bekannt gewesen sein, dass zahlreiche Zivilist:innen in dem Gebäude Schutz suchten. Laut der Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" handelt es sich bei diesem Angriff Russlands um ein Kriegsverbrechen.
Auch die Untersuchungen der Nachrichtenagentur Associated Press kam zu dem Schluss, dass der russische Bombenangriff auf das Theater eines der tödlichsten auf Zivilist:innen in der Ukraine sei – das bisher bekannt ist. Mehr als 600 Menschen innerhalb und außerhalb des Gebäudes seien ums Leben gekommen.
Der Ukraine stößt die Performance der chinesischen Opernsängerin demnach sauer auf. Nun fordert der Sprecher des ukrainischen Auswärtigen Amtes, Oleg Nikolenko, eine Erklärung zu dem Vorfall.
Es sei ein Beispiel für völligen moralischen Verfall, schreibt Nikolenko auf Facebook zu dem Video der Opernsängerin. Er führt aus, dass darüber hinaus nach den vorliegenden Informationen eine Gruppe chinesischer Blogger:innen in der vorübergehend besetzten Stadt eingetroffen sei. "Ihre Ankunft ist illegal. Sie verstößt in grober Weise gegen die ukrainischen Rechtsvorschriften über das Überschreiten der Staatsgrenze durch Ausländer", meint er.
Die Ukraine respektiere die territoriale Integrität Chinas und erwarte von der chinesischen Seite eine Erklärung über den Zweck des Aufenthalts der chinesischen Bürger:innen in Mariupol sowie über die Art und Weise, wie sie in die vorübergehend besetzte ukrainische Stadt gelangt sind. "Das ukrainische Außenministerium veranlasst ein Einreiseverbot für alle diese chinesischen 'Reisenden' in die Ukraine, verkündet Nikolenko.
Von chinesischer Seite aus gibt es bisher keine Stellungsnahme zu dem Vorfall.