Erschreckende Parallelen zum Fall George Floyd: In den USA ist der Tod zwei weiterer Afroamerikaner in den Fokus gerückt, die nach einem brutalen Polizeieinsatz starben und dabei riefen: "Ich kann nicht atmen".
Der Gouverneur des Westküstenstaates Washington, Jay Inslee, kündigte am Mittwoch eine neue Untersuchung zum Fall des 33-jährigen Manuel Ellis an, der im März ums Leben gekommen war. Zuvor war ein bislang unbekanntes Video von Ellis' Festnahme aufgetaucht.
Auch der vor zweieinhalb Wochen durch Polizeigewalt getötete Afroamerikaner George Floyd hatte geklagt, dass er keine Luft mehr bekomme, während ein weißer Polizist fast neun Minuten lang auf seinem Nacken kniete. Seine verzweifelten Worte "Ich kann nicht atmen" gingen um die Welt und wurden zum Slogan der Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA und in zahlreichen anderen Ländern.
Das neu aufgetauchte Video von Ellis' Festnahme in der Stadt Tacoma dokumentiert nach Angaben eines Anwalts der Hinterbliebenen, dass dieser mehrfach sagte: "Ich kann nicht atmen, Sir." Zuvor war bereits das Video eines Passanten publik geworden, auf dem Ellis' Festnahme teilweise zu sehen ist.
Aufgrund der neu aufgetauchten Aufnahmen entschied Gouverneur Inslee, dass die Untersuchung zu dem Fall nicht in den Händen von Polizei und Staatsanwaltschaft des Verwaltungsbezirks Pierce verbleibt, in dem Tacoma liegt. Bei diesen Behörden bestehe ein "Interessenkonflikt". Es werde deshalb eine komplett neue Untersuchung unter Leitung anderer Behörden geben. Die bisherigen gerichtsmedizinischen Untersuchungen zu Ellis' Tod ergaben, dass er an Atemstillstand aufgrund physischer Gewalteinwirkung starb.
Die vier an Ellis' Festnahme beteiligten Polizisten sind derzeit vom Dienst suspendiert. Sie sagten, sie hätten den Mann festgenommen, nachdem er fremde Wagen zu öffnen versucht habe. Ellis habe Widerstand geleistet, weshalb sie ihn durch Gewaltanwendung festgehalten hätten. Der Afroamerikaner starb noch vor Ort.
Ein weiteres von der Polizei in Oklahoma veröffentlichtes Video zeigt die Festnahme von Derrick Scott. Auf dem Video ist zu hören, wie auch er "ich kann nicht atmen" sagt und nach seinen Medikamenten fragt. Ein Polizist antwortete: "Mir egal." Im Krankenhaus konnten die Ärzte dann nur noch Scotts Tod feststellen. Laut Angaben seiner Mutter, Vickey Scott, war er Asthmatiker. Bei der Festnahme nahmen die Polizisten demnach Scotts Asthmaspray an sich, sollen sich aber geweigert haben, es ihm zurückzugeben.
Eine Untersuchung des Vorfalls durch die Bezirksstaatsanwaltschaft von Oklahoma County sprach die drei Beamten von Fehlverhalten frei. Sie hätten medizinische Hilfe gerufen, nachdem Scott über Atembeschwerden klagte. Doch Aktivisten und Angehörige sehen das anders.
Seit Floyds Tod wird in den USA eine verschärfte Debatte um Reformen bei der Polizei geführt. In einigen Städten wurden solche Reformen inzwischen bereits eingeleitet.
Der Chef der US-Notenbank (Fed), Jerome Powell, sagte am Mittwoch, es gebe "keinen Platz" für Rassismus in der US-Gesellschaft. Zudem sei der durch die Corona-Pandemie ausgelöste Anstieg der Arbeitslosigkeit vor allem unter Afroamerikanern "herzzerreißend".
Zunehmend hitzig wird in den USA auch über den Umgang mit dem Erbe der Südstaaten-Konföderation gestritten, die im Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 vergeblich für den Fortbestand der Sklaverei gekämpft hatte. Präsident Donald Trump erteilte Forderungen nach einer Umbenennung von zehn nach Südstaaten-Generälen benannten Militärbasen jedoch eine kategorische Absage. Die Stützpunkte seien Teil des "großartigen amerikanischen Erbes", schrieb Trump auf Twitter.
Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, forderte die Entfernung von Denkmälern von Führungsfiguren der Südstaaten aus dem Sitz des Kongresses. Mit diesen elf Statuen werde "dem Hass gehuldigt", erklärte die Anführerin der oppositionellen Demokraten. Im Washingtoner Kapitol stehen etwa Statuen von Jefferson Davis, dem Präsidenten der Konförderierten Staaten von Amerika, sowie des Generals Robert E. Lee, der die Südstaaten-Truppen im Bürgerkrieg kommandiert hatte.
Objekte des Zorns von Anti-Rassismus-Demonstranten sind auch Denkmäler von Christoph Kolumbus. In Boston wurde eine Statue des Seefahrers enthauptet, in Miami ein solches Denkmal beschädigt. In Portsmouth im Bundesstaat Virginia wurde ein Mensch verletzt, als Demonstranten eine Kolumbus-Statue zu Fall brachten. Kritiker argumentieren, der Seefahrer habe mit seiner Ankunft auf dem amerikanischen Kontinent der Kolonialisierung und Tötung zahlloser Ureinwohner den Weg bereitet.
(lau/afp)