Bild: imago images / snapshot
International
18.08.2019, 18:2411.04.2024, 16:26
Am 20. August 2018 hätte Greta Thunberg eigentlich zur Schule gehen
müssen. Stattdessen streikte sie zum ersten Mal fürs Klima. Aus ihrem
einsamen Protest ist schnell eine internationale Bewegung geworden – doch die findet nicht jeder gut.
Vor einem Jahr hockte sich ein damals 15-jähriges
Mädchen vor den Reichstag in Stockholm, um für mehr Klimaschutz zu
demonstrieren. Ihren Namen kannte damals kaum jemand: Greta Thunberg.
Heute ist die junge Schwedin eines der bekanntesten Gesichter der Welt, ihrem Vorbild zum Klimaprotest folgen Abertausende vor allem
jüngere Menschen in aller Welt. Besonders viele davon in Deutschland.
Aus dem stillen Protest einer einzelnen ist eine internationale
Bewegung geworden – und aus dem einst unbekannten Mädchen eine
Kandidatin für den Friedensnobelpreis.
Am 20. August 2018 war all das völlig undenkbar. An dem Tag fing für
Thunberg das neue Schuljahr an, neunte Klasse, das letzte Jahr vor
dem Wechsel aufs Gymnasium. Statt in den Unterricht ging sie vor den
Reichstag in Stockholm und setzte sich im Schatten des Gebäudes
mitsamt einem Schild mit der Aufschrift "Skolstrejk för klimatet"
(Schulstreik fürs Klima) auf den Boden.
Greta beim Schulstreik in Berlin. Rechts Luisa Neubauer: Sie leitet den Protest in Deutschland. Bild: imago images / Chris Emil Janßen
"Ich habe mir damals gedacht, dass ich etwas tun muss", sagte
Thunberg kürzlich in einem schwedischen Podcast einer Mitschülerin.
Nachdem sie sich lange mit Klimawandel und Erderwärmung beschäftigt
habe, sei sie an der Erkenntnis verzweifelt, dass niemand etwas für
das Klima unternehme. Vor dem Parlament seien die Leute einfach so an
ihr vorbeigegangen, ohne ihr Beachtung zu schenken.
Greta über diese Zeit:
"Das war ein hoffnungsloses und einsames Gefühl. Aber auch ein ziemlich hoffnungsvolles, dass ich etwas mache."
Nach kurzer Zeit entschloss sich die Schülerin, die Aktion immer freitags abzuhalten.
Was folgte, ist bekannt: Mit regelmäßigen
Einträgen auf Twitter, Facebook und Instagram begeisterte sie Schüler
in verschiedenen Ländern dafür, ihrem Beispiel zum Klimaprotest zu
folgen. Auftritte wie der auf der Weltklimakonferenz im polnischen
Kattowitz halfen mit. Mittlerweile wird jeden Freitag in rund
100 Ländern regelmäßig fürs Klima protestiert.
In Deutschland ist die Bewegung "Fridays for Future" besonders stark
gewachsen. Erste größere Proteste gab es in Berlin, Hamburg, München
und Köln bereits im Dezember 2018. "Wir sind hier, wir sind laut,
weil ihr uns die Zukunft klaut", skandieren junge Deutsche immer
freitags, um die Bundesregierung zu einem beherzteren Einsatz gegen
die Klimakrise aufzurufen. Der Ruf der Klimademonstranten ist längst
in Bundestag und Kanzleramt angekommen, Debatten wie die über eine
CO2-Steuer sind die Folge.
Damit hat Thunberg, die selbst mehrmals bei Klimaprotesten in
Deutschland vorbeischaute, letztlich auch die deutsche Gesellschaft
verändert. "Greta und Fridays for Future haben sicherlich die Politik
und Öffentlichkeit aufgeweckt", sagt Klimaforscher Stefan Rahmstorf.
"Die Debatte in Deutschland hat sich verändert, viele nehmen das
Thema jetzt erstmals ernst." Ob daraus konkrete politische Maßnahmen
gegen die Klimakrise entstehen, müsse sich aber erst noch zeigen.
Auch interessant:
Neben viel Lob gibt es für Thunberg aber auch Kritik.
Zu krass ihre
Ideale, zu groß die Angstmache vor der Klimakrise, meinen manche. In
einem Beitrag in der australischen Zeitung "Herald Sun" wurde sie
letztens gar als "der zutiefst verstörte Messias der
Erderwärmungsbewegung" bezeichnet. Thunberg lächelt solche Angriffe,
die nicht selten mit ihrer Asperger-Erkrankung zu tun haben, weg. Es
sei zwar sehr traurig, dass viele Menschen vor allem in den sozialen
Netzwerken ihre Zeit damit verbrächten, Hass, Drohungen und Gerüchte
zu verbreiten, sagte sie in dem Podcast. Diese Kritik zeige aber
letztlich nur, dass ihren Gegnern die Argumente fehlten.
Die Kritik zeigt auch, dass die Klimaschutzbewegung nicht mehr bloß
belächelt wird. Die Weltöffentlichkeit verfolgt Thunberg mittlerweile
auf Schritt und Tritt. Fotos von ihr neben Vermummten im Hambacher
Forst lösen sofort Diskussionen aus, ebenso Berichte, es habe auf
einer Fridays-for-Future-Konferenz in Lausanne Streit über einen
Forderungskatalog der Bewegung gegeben. Das Klima ist stärker in den
medialen Fokus gerückt – die Personen hinter der Bewegung aber auch.
Nun führt ihre Klima-Mission über den Atlantik.
Mit einer
Hochseejacht ist sie am vergangenen Mittwoch in Richtung USA
gestartet, drüben auf der anderen Atlantikseite warten unter anderem
der UN-Klimagipfel in New York im September und die
Weltklimakonferenz in Chile im Dezember auf sie. Thunberg nimmt für
all das ein Jahr Schulpause, um sich in Übersee ausschließlich aufs
Klima konzentrieren zu können.
Bei all dem bleiben weiter Fragen, wie die Gesellschaft dem Weg der
Idealistin Thunberg am besten folgen kann – nicht jeder hat letztlich
die Möglichkeit, per Spezialboot nach New York zu reisen, um so die
Treibhausgasemissionen eines entsprechenden Fluges einzusparen.
Dennoch herrscht vielerorts Einigkeit, dass etwas für das Klima getan
werden muss. Nicht zuletzt die Rekordhitze in Deutschland und
anderswo in Europa hat viele zu dieser Erkenntnis gebracht.
(hd/dpa)
Arme Tiere mit Plastik
1 / 9
Arme Tiere mit Plastik
Drei Möwen, die auf einem Müllberg stehen
quelle: istockphoto / choice76
Das ist die Küste von Santo Domingo – mit Wellen voller Müll
Video: watson
Rolf Mützenich ist der Fraktionschef der SPD. In zahlreichen Debatten spricht er für seine Partei im Bundestag. Mützenich ist bekannt für seine Friedenspolitik, gleichzeitig half er aber auch bei der Durchsetzung des Sondervermögens für die Bundeswehr.