Am 20. August 2018 hätte Greta Thunberg eigentlich zur Schule gehen müssen. Stattdessen streikte sie zum ersten Mal fürs Klima. Aus ihrem einsamen Protest ist schnell eine internationale Bewegung geworden – doch die findet nicht jeder gut.
Vor einem Jahr hockte sich ein damals 15-jähriges Mädchen vor den Reichstag in Stockholm, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Ihren Namen kannte damals kaum jemand: Greta Thunberg. Heute ist die junge Schwedin eines der bekanntesten Gesichter der Welt, ihrem Vorbild zum Klimaprotest folgen Abertausende vor allem jüngere Menschen in aller Welt. Besonders viele davon in Deutschland. Aus dem stillen Protest einer einzelnen ist eine internationale Bewegung geworden – und aus dem einst unbekannten Mädchen eine Kandidatin für den Friedensnobelpreis.
Am 20. August 2018 war all das völlig undenkbar. An dem Tag fing für Thunberg das neue Schuljahr an, neunte Klasse, das letzte Jahr vor dem Wechsel aufs Gymnasium. Statt in den Unterricht ging sie vor den Reichstag in Stockholm und setzte sich im Schatten des Gebäudes mitsamt einem Schild mit der Aufschrift "Skolstrejk för klimatet" (Schulstreik fürs Klima) auf den Boden.
"Ich habe mir damals gedacht, dass ich etwas tun muss", sagte Thunberg kürzlich in einem schwedischen Podcast einer Mitschülerin. Nachdem sie sich lange mit Klimawandel und Erderwärmung beschäftigt habe, sei sie an der Erkenntnis verzweifelt, dass niemand etwas für das Klima unternehme. Vor dem Parlament seien die Leute einfach so an ihr vorbeigegangen, ohne ihr Beachtung zu schenken.
Was folgte, ist bekannt: Mit regelmäßigen Einträgen auf Twitter, Facebook und Instagram begeisterte sie Schüler in verschiedenen Ländern dafür, ihrem Beispiel zum Klimaprotest zu folgen. Auftritte wie der auf der Weltklimakonferenz im polnischen Kattowitz halfen mit. Mittlerweile wird jeden Freitag in rund 100 Ländern regelmäßig fürs Klima protestiert.
In Deutschland ist die Bewegung "Fridays for Future" besonders stark gewachsen. Erste größere Proteste gab es in Berlin, Hamburg, München und Köln bereits im Dezember 2018. "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut", skandieren junge Deutsche immer freitags, um die Bundesregierung zu einem beherzteren Einsatz gegen die Klimakrise aufzurufen. Der Ruf der Klimademonstranten ist längst in Bundestag und Kanzleramt angekommen, Debatten wie die über eine CO2-Steuer sind die Folge.
Damit hat Thunberg, die selbst mehrmals bei Klimaprotesten in Deutschland vorbeischaute, letztlich auch die deutsche Gesellschaft verändert. "Greta und Fridays for Future haben sicherlich die Politik und Öffentlichkeit aufgeweckt", sagt Klimaforscher Stefan Rahmstorf. "Die Debatte in Deutschland hat sich verändert, viele nehmen das Thema jetzt erstmals ernst." Ob daraus konkrete politische Maßnahmen gegen die Klimakrise entstehen, müsse sich aber erst noch zeigen.
Zu krass ihre Ideale, zu groß die Angstmache vor der Klimakrise, meinen manche. In einem Beitrag in der australischen Zeitung "Herald Sun" wurde sie letztens gar als "der zutiefst verstörte Messias der Erderwärmungsbewegung" bezeichnet. Thunberg lächelt solche Angriffe, die nicht selten mit ihrer Asperger-Erkrankung zu tun haben, weg. Es sei zwar sehr traurig, dass viele Menschen vor allem in den sozialen Netzwerken ihre Zeit damit verbrächten, Hass, Drohungen und Gerüchte zu verbreiten, sagte sie in dem Podcast. Diese Kritik zeige aber letztlich nur, dass ihren Gegnern die Argumente fehlten.
Die Kritik zeigt auch, dass die Klimaschutzbewegung nicht mehr bloß belächelt wird. Die Weltöffentlichkeit verfolgt Thunberg mittlerweile auf Schritt und Tritt. Fotos von ihr neben Vermummten im Hambacher Forst lösen sofort Diskussionen aus, ebenso Berichte, es habe auf einer Fridays-for-Future-Konferenz in Lausanne Streit über einen Forderungskatalog der Bewegung gegeben. Das Klima ist stärker in den medialen Fokus gerückt – die Personen hinter der Bewegung aber auch.
Mit einer Hochseejacht ist sie am vergangenen Mittwoch in Richtung USA gestartet, drüben auf der anderen Atlantikseite warten unter anderem der UN-Klimagipfel in New York im September und die Weltklimakonferenz in Chile im Dezember auf sie. Thunberg nimmt für all das ein Jahr Schulpause, um sich in Übersee ausschließlich aufs Klima konzentrieren zu können.
Bei all dem bleiben weiter Fragen, wie die Gesellschaft dem Weg der Idealistin Thunberg am besten folgen kann – nicht jeder hat letztlich die Möglichkeit, per Spezialboot nach New York zu reisen, um so die Treibhausgasemissionen eines entsprechenden Fluges einzusparen. Dennoch herrscht vielerorts Einigkeit, dass etwas für das Klima getan werden muss. Nicht zuletzt die Rekordhitze in Deutschland und anderswo in Europa hat viele zu dieser Erkenntnis gebracht.
(hd/dpa)