Triggerwarnung: Im folgenden Text werden sexualisierte Gewalthandlungen und deren Folgen für Betroffene geschildert, die belastend und retraumatisierend sein können.
Seit der Machtübernahme der Taliban werden die Frauen in Afghanistan aus großen Teilen des gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen. Viele von ihnen dürfen nicht mehr arbeiten, Mädchen vielerorts nicht mehr zur Schule. Viele Familien sind deshalb zunehmend von Armut betroffen und müssen betteln.
Zudem müssen Frauen in der Öffentlichkeit immerzu von einem männlichen Familienmitglied begleitet werden. Sie dürfen nur dann nach draußen gehen, wenn sie komplett verhüllt sind. Verrutscht ihre Kopfbedeckung, drohen potenziell strenge Strafen.
Es herrscht ständige Angst vor der sogenannten Sittenpolizei. Viele Frauen trauen sich deshalb kaum noch nach draußen.
Zudem gibt es immer wieder Berichte über mehr oder weniger willkürliche Gewalt gegen Frauen in dem Land. Wie weit diese gehen kann, zeigt ein aktuelles Video. Es liefert den ersten direkten Beweis für die Berichte über sexuelle Gewalt gegen inhaftierte Frauen und Mädchen in Afghanistan durch die Taliban.
Das Video soll eine afghanische Menschenrechtsaktivistin in einem Gefängnis zeigen, die von mehreren Männern vergewaltigt und gefoltert wird. Zuerst berichtet hatte darüber der "Guardian". Dem britischen Medium liegt das besagte Video offenbar vor.
Die Handy-Aufnahmen zeigen etwa, wie die junge Frau gezwungen wird, sich auszuziehen. Dann wird sie wiederholt vergewaltigt. Sie versucht, ihr Gesicht zu bedecken, wird jedoch von den Männern angewiesen, es zu zeigen. Einer der Männer stößt sie grob, während er ihr Befehle gibt.
Während des Angriffs sagt einer der Männer: "Ihr seid all die Jahre von den Amerikanern verarscht worden, und jetzt sind wir an der Reihe." Die Aktivistin berichtet, dass sie verhaftet worden sei, weil sie an einem öffentlichen Protest gegen die Taliban teilgenommen hatte.
Nach ihrer Flucht aus Afghanistan wurde ihr das Video zugeschickt. Dazu erhielt sie die Drohung, dass es in sozialen Medien veröffentlicht werde für den Fall, dass sie weiterhin gegen das Regime spricht. "Wenn Sie weiterhin irgendetwas Schlechtes über das Islamische Emirat sagen, werden wir Ihr Video veröffentlichen", wurde ihr demnach mitgeteilt.
Sie glaube, dass die Aufnahme absichtlich gemacht wurde, um sie zum Schweigen zu bringen und zu demütigen.
Erst vergangene Woche gab es Berichte über Teenagerinnen und junge Frauen, die nach ihrer Inhaftierung wegen der strengen Hijab-Gesetze sexuell belästigt und geschlagen wurden. In einem Fall wurde die Leiche einer Frau dem "Guardian"-Bericht wenige Wochen nach ihrer Festnahme durch Taliban-Kämpfer in einem Kanal gefunden. Auch sie soll offenbar vor ihrem Tod sexuell missbraucht worden sein.
Der UN-Sonderberichterstatter für Afghanistan meldete, dass inhaftierte Frauen wahrscheinlich sexueller Gewalt ausgesetzt sind.
Der "Guardian" und "Rukhshana Media" sprachen mit weiteren Aktivistinnen, die von Folter und Misshandlung durch die Taliban berichteten. Die 30-jährige Zarifa Yaqubi etwa. Sie wurde im November 2022 für 41 Tage inhaftiert, weil sie eine Bewegung für afghanische Frauen organisieren wollte.
"Sie haben mir Elektroschocks verpasst und mit Kabeln auf Körperteile geschlagen, damit ich morgen nicht vor der Kamera auftreten kann", berichtete sie.
Auch die 23-jährige Parwana Nejarabi wurde Anfang 2022 verhaftet und berichtet von Schlägen und Elektroschocks. Sie verbrachte einen Monat in Einzelhaft und erhielt einen Brief, in dem ihr Tod durch Steinigung befohlen wurde.
"Ich konnte hören, wie sie sagten: 'Sie sollte getötet werden'", erzählte sie. Sie wurde nach einem erzwungenen Geständnis freigelassen und floh ins Exil.
Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 erleben die 14 Millionen Frauen und Mädchen in Afghanistan eine "Geschlechterapartheid", die sie von fast allen Aspekten des öffentlichen Lebens ausschließt. Sie dürfen keine weiterführenden Schulen besuchen, von nahezu allen bezahlten Arbeiten ausgeschlossen. Zudem dürfen sie keine öffentlichen Parks, Fitnessstudios oder Schönheitssalons besuchen.
Trotz der Gefahren protestieren Frauen in Afghanistan weiterhin öffentlich gegen das Taliban-Regime. Rukhshana Media verzeichnete in den vergangenen zwei Jahren mindestens 221 Protestaktionen von Frauen und Mädchen. "Die Taliban sind sich bewusst, wie stark das Thema sexuelle Gewalt in Afghanistan mit Stigmatisierung verbunden ist", erklärte Heather Barr von Human Rights Watch.
Der Taliban-Sprecher Zabhullah Mujahid bestritt die Vorwürfe von häufigen sexuellen Übergriffen in Gefängnissen. Diese Woche nahmen Taliban-Vertreter an einem Sondertreffen der UN in Doha teil, bei dem keine afghanischen Frauen anwesend waren. Frauenrechte standen nicht auf der Tagesordnung.