
Wie sicher ist ein Mund-Nase-Schutz? Und wie verbreiten sich Aerosole? Diese Frage versuchen Forscher zu beantworten.Bild: Getty Images Europe / Jens Schlueter
International
Bei der Erforschung von
Corona-Infektionswegen nehmen Wissenschaftler zunehmend sogenannte
Aerosole unter die Lupe. Damit wird ein Gemisch aus festen oder
flüssigen Schwebeteilchen – wie Partikel von Sars-CoV-2 – in der Luft
bezeichnet.
"Wir sind ziemlich sicher, dass Aerosole einer der Wege
sind, über die sich Covid-19 verbreitet", sagte der frühere Präsident
der Internationalen Gesellschaft für Aerosole in der Medizin, Gerhard
Scheuch, in Gemünden (Wohra) der Deutschen Presse-Agentur.
Schmierinfektionen, also Partikel auf Oberflächen, spielten eine geringere Rolle.
"Es wird gerade immer mehr in die Richtung geforscht."
Gerhard Scheuch
Es seien aber noch viele Fragen offen, betonte Scheuch – zum Beispiel,
wie sich das Virus beim Sprechen verbreite oder welche Rolle die
Temperatur spielt. "Da muss viel Forschungsarbeit gemacht werden",
sagte er. "Aber es wird gerade immer mehr in die Richtung geforscht."
Längst nicht geklärt ist demnach auch, wie infektiös getrocknete
Aerosole sind.
Laut Robert-Koch-Institut (RKI) erfolgt die Übertragung des
neuartigen Virus hauptsächlich über Tröpfchen, die beim Husten und
Niesen entstehen und beim Gegenüber über die Schleimhäute aufgenommen
werden. Aerosole – definiert als Tröpfchenkerne kleiner als fünf
Mikrometer – könnten aber ebenso dazu beitragen, "auch wenn eine
abschließende Bewertung zum jetzigen Zeitpunkt schwierig ist".
Tests beim Singen sollen Aufschluss geben
Es gibt schon Studien, die sich mit der Verbreitung von Tropfen
und Aerosolen in der Luft befassen. Allerdings kommen die zu teils
unterschiedlichen Ergebnissen.
So hat ein Team um Christian Kähler
vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität
der Bundeswehr München mit einer Sängerin Experimente gemacht und
kommt zu dem Schluss, dass die Luft beim Singen nur bis 0.5 Meter vor
dem Mund in Bewegung versetzt wird – unabhängig etwa davon wie laut
der Ton war. Als Tipp zum Selbertesten raten die Forscher, sich vor
eine brennende Kerze zu stellen und zu schauen, wann die Flamme
anfängt zu flackern, wenn man sich ihr beim Sprechen nähert.
Die Wissenschaftler Talib Dbouk und Dimitris Drikakis wiederum
haben berechnet, wie weit sich Speicheltropfen bei leichtem Husten
verbreiten: ohne Wind nicht weiter als zwei Meter, aber bei Winden
von 4 und 15 Stundenkilometern durchaus auch sechs Meter.
Zwar nähmen
Konzentration und Größe der Tropfen ab, aber womöglich reiche eine
Entfernung von zwei Metern nicht aus. Forscher aus Washington
analysierten die Ansteckung innerhalb eines Chores und vermuteten,
dass die Übertragung einem Abstand von unter zwei Metern geschuldet
war. Allerdings macht Kähler klar, dass neben dem Abstand auch zu
beachten sei, ob jeweils Hygieneregeln eingehalten wurden oder zum
Beispiel Hände geschüttelt und Stühle gemeinsam verrückt wurden.
Im Freien besteht kaum Gefahr
Weitere Aspekte, die Einfluss auf die Infektionswege haben
können, sind etwa die Höhe des Raumes und die Durchlüftung. So rät
beispielsweise Kähler, es sollte "einerseits die Luftwechselrate in
Zeiten der Pandemie deutlich erhöht werden, andererseits sollte bei
einer idealen Raumbelüftung die Luft von unten durch den Boden
zugeführt und flächig über die Decke abgesaugt werden".

In den Außenbereichen von Cafés und Restaurants ist die Ansteckungsgefahr niedriger, Hygiene-Maßnahmen müssen dennoch eingehalten werden.Bild: dpa / Jörg Carstensen
Im chinesischen Wuhan haben Forscher für eine Studie in Kliniken
nach Sars-CoV-2-Erbgut in Aerosolen gesucht. Die Menge sei etwa in
belüfteten Patientenzimmern sehr niedrig gewesen, in
Toilettenbereichen jedoch höher. An der frischen Luft sei sie nicht
nachweisbar gewesen, außer in zwei Bereichen, die zu Überfüllung
neigten. Auch Kähler sagt, im Freien bestehe kaum Gefahr. Man atme
etwa einen halben Liter Luft aus, der sei schnell verdünnt.
Gefährlich werde es, wenn man sich etwa wegen einer Blaskapelle im
Hintergrund näher kommt und lauter spricht. Das ist dann aber wieder
eine Frage des Abstands.
"Draußen ist die Verdünnung stark, innen sammelt es sich."
Gerhard Scheuch
Wie lange eine potenzielle Gefahr besteht, haben Forscher auch
schon untersucht: Ein weiteres Team aus den USA hat mit Laserlicht
die Lebensdauer kleiner Tröpfchen in der Luft gemessen, die beim
Sprechen entstehen. Demnach verschwinden sie in einer geschlossenen
Umgebung bei stehender Luft erst nach 8 bis 14 Minuten. Im Fazit
heißt es, "dass es eine erhebliche Wahrscheinlichkeit gibt, dass
normales Sprechen in beschränkten Umgebungen eine Übertragung von
Viren in der Luft verursacht". Laut Scheuch, der eine Firma für
Bio-Inhalation führt, könnten sich Aerosole in geschlossenen Räumen
sogar über Stunden halten und infektiös sein. Ein Atemstoß enthalte
1000 Teilchen. "Draußen ist die Verdünnung stark, innen sammelt es
sich."
Wie sicher ist ein Mund-Nase Schutz?
Abhilfe soll der Mund-Nase-Schutz schaffen. Allerdings muss man
dabei wissen, dass die sogenannten Community-Masken Partikel etwa mit
einem Durchmesser bis zu zwei Mikrometern nahezu gar nicht stoppen
können, was Kählers Team eindrucksvoll mit Videoaufzeichnungen
dargestellt hat. Dennoch hätten die einfachen Masken einen wichtigen
Effekt, betont der Professor: "Sie bieten Strömungswiderstand.
Anstatt dass man Partikel weit nach außen pustet, halten sie sich nah
am Kopf."
Scheuch geht sogar einen Schritt weiter: Weil das Coronavirus nur
rund 0,1 bis 0,14 Mikrometer groß sei, reichten nicht mal die
sogenannten FFP-Masken. "Die sind für größere Bakterien. Aber so
kleine Teilchen lassen sich schlecht filtern." Schwebstofffilter
seien wohl besser geeignet. Aber auch das sei noch zu
erforschen.
(lau/dpa)
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