Was Coca-Cola, Pepsi und M&M's mit dem Krieg im Sudan zu tun haben
Als der Sudan 2007 wegen des blutigen Darfur-Konflikts mit westlichen Sanktionen belegt wurde, richtete der sudanesische Botschafter John Ukec Lueth Ukec eine deutliche Drohung an den Westen. Mit einer Flasche Coca-Cola in der Hand machte er unmissverständlich klar: Der Sudan ist der wichtigste Produzent von Gummi Arabicum. Problemlos könne er die Produktion einstellen.
Das Druckmittel zeigte Wirkung: Der Regierung gelang es, den klebrigen Stoff vom Embargo zu befreien. Nun ist die Industrie erneut in Gefahr.
Gummi Arabicum: Stoff mit Geschichte
Gummi Arabicum, in der Lebensmittelindustrie als E414 bekannt, ist ein natürlicher Pflanzenstoff, der aus dem Harz bestimmter Akazienbäume gewonnen wird.
Die Geschichte der klebrigen Substanz reicht bis ins alte Ägypten zurück. Damals wurden Tote mit dem Naturprodukt mumifiziert. Zuletzt soll Lenin damit eingestrichen worden sein, bevor er ins Mausoleum gebracht wurde. Heute dient der Stoff einem anderen Verwendungszweck: Lebensmittel, Medikamente und Kosmetika werden mit dem Naturprodukt "einbalsamiert".
Der essbare Kleber hat fast schon Superkräfte: In kohlensäurehaltigen Getränken verhindert er, dass der Zucker sich am Boden absetzt, im Bier stabilisiert er den Schaum, im Wein mildert er die Bitterkeit, und in Gummibärchen verhindert er das Kristallisieren des Zuckers.
Die Nachfrage ist global hoch, denn nur wenige Länder können den natürlichen Kleber herstellen. Die Bäume findet man hauptsächlich in der Sahelzone Afrikas. Der weltweit wichtigste Produzent ist der Sudan. Rund 80 Prozent des begehrten Rohstoffes kommen aus dem nordostafrikanischen Land, das sich seit 2023 im Bürgerkrieg befindet. Im Jahr davor erwirtschaftete das Land mit dem Export von Gummi Arabicum 183 Millionen US-Dollar.
Andere Hauptanbauländer in der Sahelzone, wie der Tschad, Somalia oder Nigeria, können die Nachfrage nicht stemmen. Diese exportieren nur in geringen Mengen. Die größten Abnehmer: Frankreich, die USA, Deutschland sowie das Vereinigte Königreich. Also Länder mit millionenschweren Nahrungsmittelherstellern.
Doch nicht nur Nestlé, Cola, Pepsi, Mars und Co. sind vom Stoff abhängig. Rund fünf Millionen der 45 Millionen Sudanesinnen und Sudanesen verdienen direkt oder indirekt ihren Lebensunterhalt mit der Produktion des Naturkristalls.
Frauenkooperationen halten Handel am Leben
Rund 60 Prozent der Arbeitskräfte in der Produktion sind Frauen. Viele von ihnen weigern sich, die Wälder trotz der Kriegsgefahr zu verlassen, da ihre Lebensgrundlage direkt von der Ernte abhängt.
Im ersten Jahr der Kämpfe zwischen der sudanesischen Armee und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) brach die Produktion um die Hälfte ein. Letztes Jahr haben die RSF die Kontrolle über die wichtigsten Anbaugebiete in Kordofan und Darfur im Westen Sudans erlangt.
Für die Produzentinnen und Produzenten ist die Arbeit nicht nur gefährlicher geworden, sie bringt ihnen auch immer weniger ein. Zwar steigt der Preis bei Knappheit, doch die RSF erhebt hohe Gebühren, sodass die Menschen vor Ort kaum davon profitieren. Zudem sind durch den Krieg viele Erntegebiete schwer zugänglich oder zerstört worden.
"Heute wird im Sudan der gesamte Gummi geschmuggelt, weil es im Land keine funktionierende Autorität mehr gibt", sagt ein Branchenexperte gegenüber Reuters. Experten zufolge fließen die Erlöse direkt in die Finanzierung des bewaffneten Konflikts.
Der sudanesische Journalist Hussein Ali sagt gegenüber DWR, dass die Fortsetzung des Krieges einen "kompletten Exporteinbruch" verursachen könnte – und viele große Unternehmen in die Krise stürzen könnte.
