Russland hat das Vorgehen Deutschlands bei den Ermittlungen im Fall des russischen Regierungskritikers Alexej Nawalny scharf kritisiert. "Laute öffentliche Erklärungen werden bevorzugt", teilte das Außenministerium in Moskau russischen Agenturen zufolge am Mittwoch mit. "Die vorhandenen gesetzlichen Mechanismen zur Zusammenarbeit werden völlig vernachlässigt."
Putins Sprecher, Dmitri Peskow, betonte, dass Moskau auf die Erklärung aus Berlin zum jetzigen Zeitpunkt nicht "qualifiziert reagieren" könne. Russland sei jedoch bereit zu einer Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden, bekräftigte er. Die Generalstaatsanwaltschaft in Moskau habe bereits eine offizielle Anfrage geschickt, diese sei jedoch nicht beantwortet worden.
"Wenn das wahre Ziel noch immer eine gründliche Untersuchung durch die Strafverfolgung unter Teilnahme medizinischer Organisationen ist, worauf wir entschieden bestehen, dann rufen wir unsere Partner zu einer vollen Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch auf", teilte das Außenministerium mit.
Die Bundesregierung hatte zuvor erklärt, dass der chemische Nervenkampfstoff Nowitschok bei Nawalny "zweifelsfrei" nachgewiesen worden sei. Der 44 Jahre alte Nawalny ist einer der schärfsten Kritiker von Präsident Wladimir Putin. Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte von der russischer Führung eine Erklärung.
Die Grünen haben als Reaktion auf die nachgewiesene Vergiftung einen Abbruch des deutsch-russischen Pipeline-Projekts Nord Stream 2 gefordert. "Der offenkundige Mordversuch durch die mafiösen Strukturen des Kreml kann uns heute nicht mehr nur besorgt machen, sondern er muss echte Konsequenzen haben", sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Mittwoch.
Auch der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen forderte, das Projekt auf den Prüfstand zu stellen. "Wenn es jetzt zur Vollendung des Gasprojektes Nord Stream 2 käme, dann wäre das die maximale Bestätigung und Ermunterung für Wladimir Putin, mit genau dieser Politik fortzufahren", erklärte der CDU-Politiker in den "Tagesthemen".
FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki warnte dagegen vor einem schnellen Baustopp der Erdgas-Leitung. "Ich bin skeptisch, dass wir in der jetzigen Phase unserer Erkenntnisse ein Projekt dieser Größenordnung in Frage stellen sollten", sagte Kubicki.
Die Nato will unterdessen über mögliche Konsequenzen für Russland beraten. Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, die Nato werde "mit Deutschland und allen Bündnispartnern die Auswirkungen dieser Erkenntnisse" erörtern.
Der Oppositionelle, der vor gut zwei Wochen auf einem Inlandsflug in seiner Heimat ins Koma gefallen war und zunächst in Omsk in Sibirien behandelt wurde, wird auf Drängen seiner Familie in der Berliner Universitätsklinik Charité behandelt. Die deutschen Ärzte gingen nach einer Auswertung von klinischen Befunden bereits von einer Vergiftung Nawalnys aus.
(lau/dpa)