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Ukraine-Krieg: Angehörige mit Verdacht zu verschwundenen russischer Soldaten

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Die genaue Zahl im Krieg gefallener russischer Soldaten ist unklar.Bild: imago images / sna / Stanislav Krasilnikov
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Ukraine-Krieg: Angehörige haben üblen Verdacht zum Verbleib russischer Soldaten

Angehörige russischer Soldaten wissen oft nicht, was mit ihren Liebsten passiert ist. Sie beschweren sich über die Einstufung als Deserteure.
28.07.2025, 18:1128.07.2025, 18:11
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Es ist schier unmöglich zu sagen, wie viele russische Soldaten im Krieg gegen die Ukraine auf dem Schlachtfeld gefallen sind. Das liegt auch daran, dass Russland selbst keine verlässlichen Zahlen dazu veröffentlicht – oder auffallend niedrige Werte nennt. Natürlich ist es Putin daran gelegen, die Zahl der toten Soldaten gegenüber der Öffentlichkeit möglichst klein zu halten.

Doch auch Angehörige der Getöteten erfahren oft erst spät, was mit ihrem Kind, Ehemann oder Bruder passiert ist. Manche gar nicht.

Verwandte werfen russischen Kommandeuren vor, den Tod von Soldaten damit zu verschleiern, dass diese stattdessen als Deserteure eingestuft werden. Offiziell ist das der Status "unbefugtes Verlassen der Einheit".

Russland: Angehörige beschweren sich über Deserteur-Status

Dem russischen Medium "istories" liegen mehr als 50 solcher Beschwerden vor, die Angehörige von vermissten russischen Soldaten an die Präsidialverwaltung geschickt haben. In diesen werden laut Bericht 25 Militäreinheiten aus elf russischen Regionen sowie aus der Region Donezk erwähnt.

Oft steht in den Beschwerden, dass die Soldaten nach einem Kampfeinsatz plötzlich den Kontakt abgebrochen hätten. Einige sollen durch die Kameraden von dem Tod ihres Angehörigen erfahren haben – den Tod beweisen und dass der Status als Deserteur falsch ist, können sie jedoch nicht.

Laut "istories" schreiben die Angehörigen in den Beschwerden, dass der Soldat, bevor er als Deserteur eingestuft wurde, als vermisst oder verwundet galt. Manchmal widersprechen sich die Antworten zum Verbleib, die die Angehörigen erhielten.

Aus jeder fünften Beschwerde, die das Medium überprüft hat, geht hervor, dass die Angehörigen von Kameraden des vermissten Soldaten von dessen Tod erfahren hätten.

So berichtet es auch eine Frau, die inzwischen ihren Bruder beerdigt hat. Der offizielle Todestag sei der 12. April – der Tag, an dem der Deserteur-Status aufgehoben wurde. Von Kameraden wüsste sie aber, dass ihr Bruder schon einen Monat vorher verstorben sei. Sie fragt sich: "Auf welcher Grundlage wird der Status jetzt festgelegt, wie kommt das alles zustande?"

Deserteur-Status offenbar anfällig für falsche Einstufung

Kommandeure können Soldaten nicht grundlos den Status "unbefugtes Verlassen der Einheit" verpassen; er sei jedoch anfällig für eine falsche Einstufung. "Istories" zitiert aus einer Studie aus dem Jahr 2021, laut der es ausreiche, "wenn ein Soldat für einen bestimmten Zeitraum in seiner Einheit oder an seinem Dienstort abwesend ist". Die Umstände der Abwesenheit seien "zweitrangig".

Der Direktor der Menschenrechtsgruppe "Bürger. Armee. Recht" berichtet, dass die russische Armee stark bürokratisiert sei. Ohne Leiche sei es "unmöglich, einen Soldaten sofort als gefallen anzuerkennen und seiner Familie eine Entschädigung zuzusprechen", sagt er zu "istories". Selbst, wenn es Zeugen gebe.

Angehörige sehen darin einen Grund, warum ihnen der Tod verschwiegen werden könnte: um keine Zahlungen an die Familie leisten zu müssen. Der Direktor der Menschenrechtsgruppe hält das aber für unwahrscheinlich. Stattdessen sieht er Hinweise für einen inoffiziellen Befehl, alle, die nicht in der Einheit sind – das würde sogar Soldaten treffen, die im Krankenhaus seien.

Eine weitere Theorie ist das Verschleiern der Zahl gefallener Soldaten. Ein Jurist sagt gegenüber dem Medium, dass dies für den Kommandeur aber auch Nachteile habe: Jemanden als Deserteur zu melden, sei bürokratisch aufwendig; außerdem kann er bei einer hohen Zahl selbst zur Verantwortung gezogen werden.

Klar ist jedenfalls: Für die Angehörigen ist die Ungewissheit eine unerträgliche Situation.

Ukraine-Krieg: Angehörige haben üblen Verdacht zum Verbleib russischer Soldaten
Angehörige russischer Soldaten wissen oft nicht, was mit ihren Liebsten passiert ist. Sie beschweren sich über die Einstufung als Deserteure.
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