Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei ihrer Rede vor der UN-Vollversammlung in New York.Bild: dpa / Florian Gaertner
International
Bei der Frage von Krieg oder Frieden dürfe niemand neutral sein, sagt Außenministerin Baerbock. Ihre Rede vor der UN-Vollversammlung zu Russlands Ukraine-Krieg soll die Weltgemeinschaft weiter wachrütteln. Sie adressiert auch ihren Amtskollegen Sergej Lawrow.
02.03.2022, 14:3002.03.2022, 14:31
Außenministerin Annalena Baerbock hat die Staaten
der Welt mit einem emotionalen Appell aufgerufen, den russischen
Angriffskrieg auf die Ukraine scharf zu verurteilen. "Heute müssen
wir uns alle zwischen Frieden und Aggression, zwischen Gerechtigkeit
und dem Willen des Stärkeren, zwischen Handeln und Wegschauen
entscheiden", sagte die Grünen-Politikerin am Dienstagabend bei der
Dringlichkeitssitzung der Vollversammlung der Vereinten Nationen in
New York. Dem russischen Außenminister Sergej Lawrow warf sie vor,
Russlands Macht als Ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat zu
missbrauchen.
"Ihre Panzer bringen kein Wasser. Ihre Panzer bringen keine Nahrung
für Babys. Ihre Panzer bringen keinen Frieden. Ihre Panzer bringen
Tod und Zerstörung", sagte Baerbock an Lawrow gewandt. "Sie können
sich selbst etwas vormachen. Aber Sie werden uns nicht täuschen und
nicht unsere Bevölkerung. Und sie werden ihre eigene Bevölkerung
nicht täuschen." Die Politikerin war für ihre Rede direkt von einem
Außenministertreffen aus Polen erstmals als Ministerin in die
US-Ostküstenmetropole gereist – vom Flugzeug ging es direkt in die UN
nach Manhattan. New York soll sie am Mittwoch wieder verlassen.
"Ihre Panzer bringen kein Wasser. Ihre Panzer bringen keine Nahrung für Babys. Ihre Panzer bringen keinen Frieden. Ihre Panzer bringen Tod und Zerstörung."
Baerbock sprach von der berühmten Bühne des größten UN-Gremiums auf
Englisch – hinter ihr UN-Generalsekretär António Guterres, der für
die Rede seinen Platz in der großen Halle am East River eingenommen
hatte. Er hörte, wie die deutsche Außenministerin Moskau in scharfem
Ton "Lügen" vorwarf: "Sie sagen, Sie handeln in Notwehr. Aber die
ganze Welt hat zugesehen, wie Sie monatelang Ihre Truppen aufgebaut
haben, um sich auf diesen Angriff vorzubereiten." Während Russland
beteuere, dass es die russisch sprechende Bevölkerung in der Ukraine
schützen wolle, sei es offensichtlich, dass die Truppen von Kremlchef
Wladimir Putin Häuser von russisch sprechenden Ukrainern
bombardierten.
Vor ihrem Auftritt hatte Baerbock noch gesagt, es gehe darum,
deutlich zu machen, dass die Weltgemeinschaft den Angriffskrieg nicht
akzeptiere: "In einer Frage von Krieg und Frieden kann niemand
neutral sein". Man müsse sich entscheiden, ob man auf der Seite des
Aggressors steht oder auf der Seite von "Familien, von Kindern, die
sich in U-Bahn-Schächten vor Bomben- und Raketenangriffen
verstecken."
"In einer Frage von Krieg und Frieden kann niemand neutral sein."
Im Saal appellierte Baerbock dann an die Vertreterinnen und Vertreter
der 192 weiteren UN-Mitgliedsstaaten in der Vollversammlung, eine am
Mittwoch anstehende Abstimmung über eine gegen Russland gerichtete
Resolution zu unterstützen. "Wenn wir nach unserer Abstimmung nach
Hause gehen, wird jeder von uns am Küchentisch unseren Kindern,
unseren Partnern, unseren Freunden, unseren Familien gegenübersitzen
müssen. Dann muss jeder von uns ihnen in die Augen schauen und ihnen
sagen, welche Wahl wir getroffen haben." Es gehe um nichts weniger,
als um das Leben und den Tod der ukrainischen Bevölkerung, die
Sicherheit Europas und die Charta der Vereinten Nationen.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock adressierte ihren russischen Amtskollegen direkt und bezichtigte ihn der Lüge.Bild: dpa / ---
Westliche Staaten hoffen, dass bei der Abstimmung der Vollversammlung
möglichst viele der 193 Mitgliedsländer den Angriffskrieg Russlands
verurteilen und damit die weltweite Isolation der russischen Führung
sichtbar machen. Es handelt sich erst um die elfte
Dringlichkeitssitzung in mehr als 70 Jahren – ein letztes derartiges
Treffen ist Jahrzehnte her. Minimalziel ist es, die Stimmen für eine
Resolution aus dem Jahr 2014 zu übertreffen, die ein russisches
Referendum auf der Krim für ungültig erklärte. Damals hatten 100
Mitgliedsstaaten für den Text votiert.
Nach ihrer Rede traf Außenministerin Baerbock unter anderem UN-Chef
Guterres zu einem Gespräch. Nach Angaben der Vereinten Nationen ging
es dabei auch hauptsächlich um den Krieg in der Ukraine.
(andi/dpa)
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