In Belarus kommt es nach der mutmaßlich manipulierten Präsidentschaftswahl weiterhin zu Protesten.Bild: reuters / VASILY FEDOSENKO
International
Angesichts der Massenproteste in
Belarus (Weißrussland) wollen die Staats- und Regierungschefs der EU
über den weiteren Umgang mit der politischen Krise in dem Land
beraten. Bei einer außerplanmäßigen Videokonferenz an diesem Mittwoch
(12.00 Uhr) geht es um die Frage, wie Präsident Alexander Lukaschenko
dazu gebracht werden kann, in einen Dialog mit Opposition und
Gesellschaft in der früheren Sowjetrepublik einzutreten. Seit mehr
als einer Woche gehen die Menschen landesweit gegen ihren Staatschef
auf die Straße. Auch am Abend gab es in der Hauptstadt Minsk
stundenlange Proteste.
Allein auf dem Unabhängigkeitsplatz im Zentrum von Minsk zählten
Beobachter in der Nacht zum Mittwoch Tausende Menschen. Zu hören
waren unzählige hupende Autos. Landesweit sollen es Zehntausende
Demonstranten gewesen sein – und damit deutlich mehr als am Abend
zuvor. Die bislang größten Proteste hatte das zwischen Russland und
EU-Mitglied Polen gelegene Land am Sonntag erlebt. Hunderttausende
beteiligten sich an den Aktionen. Aber auch die Unterstützer
Lukaschenkos organisierten gestern wiederum eigene Aktionen.
Auslöser der Krise im Land war die Präsidentenwahl vor mehr als
einer Woche, die von massiven Fälschungsvorwürfen überschattet wurde.
Viele haben erhebliche Zweifel, dass Lukaschenko tatsächlich mit mehr
als 80 Prozent der Stimmen haushoch gewonnen hat. Die Oppositionelle
Swetlana Tichanowskaja nimmt einen Sieg für sich in Anspruch. Sie und
ihre Anhänger dringen auf Neuwahlen. Eine Neuauszählung halten sie
für nicht mehr möglich, weil viele Stimmzettel bereits vernichtet
worden seien.
Breite Kritik kommt seit Tagen auch aus dem Ausland. So wirft die
EU Lukaschenko mittlerweile offen vor, die Präsidentenwahl gefälscht
zu haben und mit Einsatz von Gewalt die Versammlungs-, Medien- und
Meinungsfreiheit einzuschränken. Bereits am Freitag hatten die
Außenminister deswegen neue Sanktionen auf den Weg gebracht.
Putin warnt EU vor Einmischung
Russlands Präsident Wladimir Putin warnte unterdessen bei
mehreren Telefonaten mit Spitzenpolitikern der EU vor Einflussnahme
aus dem Ausland auf Belarus. Das könnte die Lage verschlechtern,
meinte er dem Kreml zufolge bei einem Gespräch mit Bundeskanzlerin
Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron.
Lukaschenko hatte wiederholt das Ausland für die Proteste in
seinem Land verantwortlich gemacht. Konkret beschuldigte er etwa
Polen und die Ukraine, ohne aber Beweise vorzulegen. Am Abend gab er
bekannt, dass die Armee an der Westgrenze in Gefechtsbereitschaft
versetzt worden sei. Dort laufen auch Militärübungen.
Für Wladimir Putin ist Belarus ein strategisch wichtiger Staat. Einen europäischen Einfluss will er verhindern. Bild: ap / Alexei Druzhinin
Nach einem Ausweg aus der Krise sucht nun ein von Gegnern
Lukaschenkos gegründeter Koordinierungsrat. Das Gremium will sich am
Mittwoch zu seiner ersten Sitzung treffen. Es gehe dabei nicht um
eine gewaltsame Machtübernahme, sondern um einen friedlichen
Machttransfer und darum, in der Gesellschaft Einigkeit zu erzielen,
sagte Olga Kowalkowa vom Oppositionsstab am Abend. Lukaschenko, der
auch als "letzter Diktator Europas" gilt, hatte zuvor den Initiatoren
mit "Maßnahmen" gedroht.
Als ein möglicher Vermittler in dem Konflikt gilt die
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), in
der Belarus neben 56 anderen Staaten Mitglied ist. Die schwedische
Außenministerin Ann Linde bestätigte am Dienstag als Mitglied der
sogenannten OSZE-Troika, dass sie dazu bereits mit dem belarussischen
Außenminister Wladimir Makej gesprochen habe.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sagte der Deutschen Welle:
"Wenn ein Diktator am Ende ist, ist es das Beste, man findet einen
Weg ohne weitere Gewalttaten." Europa müsse deutlich zum Ausdruck
bringen, dass es "alle seine Möglichkeiten nutzt, um auf die
Einhaltung von Menschenrechten und Demokratie und auf Gewaltfreiheit
zu setzen". "Wir haben eine Verantwortung, auch für unsere
Nachbarn."
(lau/dpa)
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