Triggerwarnung: Im folgenden Text geht es um sexualisierte Gewalt im Krieg. Das kann belastend und retraumatisierend sein.
Seit dem Wochenende hält die Lage in Israel die ganze Welt in Atem. Expert:innen sprechen von einer nie dagewesenen Eskalation im Nahost-Konflikt, die in den kommenden Tagen wohl noch Dutzende zivile Opfer fordern wird.
Die Brutalität der Angriffe der radikal-islamischen Hamas sorgt für Entsetzen in der Welt. Social-Media-Posts von Zivilist:innen vor Ort unterstreichen aus Hunderten Kilometer Entfernung, auf welch entsetzliche Weise sich der Alltag der Menschen in Israel in den vergangenen 72 Stunden verändert hat. So wurden am Samstagmorgen auch Gäste eines Festivals zu Opfern eines der ersten Angriffe der Hamas und berichten von verstörenden Szenen.
Schon am Freitagabend tanzten Tausende Menschen auf dem Psy-Trance-Festival "Tribe of Nova" im Bereich der israelischen Siedlung Rei'm, die nur knapp fünf Kilometer vom Gaza-Streifen entfernt liegt. Laut Veranstalter sollte das Festival unter dem Motto "Freunde, Liebe und unendliche Freiheit" stattfinden – ein Vibe, der mit einer Lautsprecher-Durchsage am frühen Samstagmorgen schlagartig zerstört werden sollte.
"Leute, wir haben roten Alarm", tönte es demnach über das gesamte Festivalgelände. Einige Besucher:innen sollen bereits zuvor Raketen am Himmel bemerkt haben, andere hätten sie wegen der laut wummernden Musik zunächst überhört. Generell habe man Raketen in der Nähe des Gaza-Streifens aber nicht für ungewöhnlich gehalten.
Doch nur wenige Minuten nach dem Alarm eskalierte die Lage drastisch, die Hamas eröffnete das Feuer. "Wir fingen an zu rennen, wir wussten nur nicht wohin", berichtet Ben Haim in einem Video auf Instagram. Mit dem Post wolle sie der Welt ein Bild davon geben, was die Menschen in Israel aktuell durchmachen.
Haim berichtet, wie sie mit dem Auto einer Freundin versuchte, so schnell wie möglich vom Festivalgelände wegzukommen. Alle Zufahrtsstraßen waren demnach allerdings voller Terroristen, die wahllos auf die vorbeifahrenden Autos schossen.
"Wir hörten Schüsse und sahen Autos mit Leichen darauf", berichtet Gal Raz, ein weiterer Festival-Besucher, gegenüber der "Washington Post". Nachdem die Hamas auch auf sein Auto geschossen hatte, setzte er gemeinsam mit seinen Freund:innen seine Flucht zu Fuß fort.
Eine ähnliche Geschichte erzählt auch Ben Haim auf Instagram. "Aus jeder Richtung, in die wir rannten, schossen Leute auf uns. Zwei Stunden lang rannten wir umher, um zu entkommen", erzählt sie. Ein Anruf bei der Polizei blieb demnach ebenfalls erfolglos: "Sie sagten, sie können uns nicht helfen, weil zu viele Menschen entführt worden seien".
Das jüdische Onlineportal "Tablet Magazine" berichtet zudem, dass Überlebende neben den schockierenden Fluchterlebnissen Zeug:innen von mehreren Vergewaltigungen durch die Terroristen wurden. "Frauen wurden auf dem Gelände des Raves vergewaltigt, neben den Leichen ihrer Freunde", zitiert die "Bild" die Berichte. Einige der Opfer wurden demnach anschließend verschleppt, andere erschossen.
Einer freiwilligen Rettungsorganisation zufolge wurden am Sonntag rund 260 Leichen vom Festivalgelände im Rei'm geborgen. Wie viele Besucher:innen tatsächlich vor Ort waren, bleibt bisher unklar. Schätzungen gehen von mindestens 1000 Menschen aus, viele sprechen sogar von 3000 Gästen.
Von den Veranstalter:innen gibt es bisher kein offizielles Statement zu den Angriffen am Wochenende. Auf Instagram teilte man lediglich eine Nachricht, die Beileid gegenüber den Angehörigen der Opfer ausdrückt. "Wir hoffen und beten, dass uns und euch bald gute Nachrichten erreichen werden", erklärten die Organisator:innen.
Im ganzen Land wurden Hunderte Israelis als verletzt gemeldet, die Hamas präsentiert unterdessen ihre Geiseln auf Social Media. In der "Washington Post" berichtet ein junger Mann davon, wie er eine Freundin darin wiedererkannte. Sie war mit ihrem Partner gemeinsam auf dem Festival gewesen, die Hamas trennte das junge Paar und teilte ein Video davon bei Telegram.
Die junge Frau wäre sich zunächst unsicher gewesen, ob sie den langen Weg zum Festival auf sich nehmen sollte. "Ich sagte ihr: 'Geh, du bist jung'. Das bedaure ich jetzt", erklärt ihr Kumpel. Ein zweites Video soll beweisen, dass sie als Geisel der Hamas in einem Raum gehalten wird.
Die Besucher:innen wie Haim, denen eine Flucht gelang, erhalten indes unzählige Nachrichten von Angehörigen der Vermissten. Die genaue Location des Festivals wurde Besucher:innen erst kurz vor Beginn mitgeteilt.
Wie Zeug:innen berichten, waren viele dem Angriff der Hamas schutzlos ausgeliefert. Zum einen bot das Gelände offenbar nur wenige Möglichkeiten für ein Versteck, zum anderen sollen viele Teilnehmende unter Drogeneinfluss gestanden haben. Insgesamt sollen bei den Angriffen durch die Hamas bereits mehr als 1000 Israelis getötet worden sein.