Am vierten Tag in Folge sind am Sonntag im Libanon Tausende Menschen auf die Straße gegangen. Wegen der schweren Wirtschaftskrise im Land forderten die Demonstranten am Sonntag erneut einen Regierungswechsel. In Beirut versammelten sich die Menschen vor dem Regierungspalast und schwenkten Landesflaggen. Auch außerhalb der Hauptstadt und in weiteren Teilen des Landes kam es zu Protesten.
"Ihr solltet alle gehen, wir vertrauen euch nicht", stand auf dem Schild eines Demonstranten. "Das libanesische Volk hat jetzt das Wort, nicht die politischen Anführer", hieß es auf einem anderen. Die am Donnerstag begonnen Proteste waren teilweise eskaliert, am Sonntag blieben die Versammlungen aber zunächst friedlich.
Am Montag läuft eine 72 Stunden lange Frist aus, die Premierminister Saad Hariri seinen politischen Partnern für die Suche nach einem Weg aus der Krise gesetzt hatte. Aus Sorge vor möglichen Ausschreitungen nach Fristablauf sollten Banken und Schulen am Montag geschlossen bleiben.
Hariri und seine Kollegen arbeiteten über das Wochenende an einem Plan, mit dem sie hoffen, den Unmut der Bevölkerung zu stillen, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Es stünden entscheidende 24 Stunden bevor, hieß es. Entweder könne die Regierung das Volk von ihrem Reformwillen überzeugen, oder es drohe der "totale Kollaps".
Beobachter fürchten, dass ein Rücktritt der Regierung in dem kleinen Mittelmeerland ein monatelanges politisches Vakuum erzeugen könnte. Am Samstagabend hatte bereits der Vorsitzende der rechtsorientierten Libanesischen Kräfte (CLF), Samir Geagea, den Rücktritt aller vier Minister seiner Partei aus dem Regierungskabinett angekündigt.
Das kleine Land mit 6,8 Millionen Einwohnern kämpft mit einer Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Staatsverschuldung liegt bei 86 Milliarden US-Dollar (gut 77 Milliarden Euro), was einer Quote von etwa 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht. Es ist eine der höchsten Schuldenquoten weltweit.
Als Auslöser der Proteste gilt vor allem eine sogenannte "Whatsapp-Steuer". Die libanesische Regierung plante, den Messengerdienst mit sechs US-Dollar pro Monat zu besteuern. Am Freitag reagierte sie dann aber auf die Massenprosteste, kündigte an, die Steuer wieder zurückzunehmen. Die Demonstrationen gehen weiter.
(as/dpa)