Bundesaußenminister Heiko Maas hat den Leidtragenden des Syrienkrieges bereits im Vorfeld der Brüsseler Geberkonferenz neue substanzielle Hilfe zugesagt. Zugleich forderte er aber eine politische Lösung des mehr als zehn Jahre andauernden Konflikts. Auch der größte und längste Hilfskonvoi ersetze keinen nachhaltigen Frieden, sagte der SPD-Politiker. Das syrische Regime und seine Unterstützer müssten endlich begreifen, dass nur ein ernsthafter politischer Prozess eine tragfähige Zukunft für das Land bereiten könne. Scheinwahlen in einem zerstörten Land seien kein Ersatz für echte Verhandlungen im Rahmen der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats.
Bei der Syrien-Geberkonferenz an diesem Dienstag (13.00 Uhr) wollen Vertreter von mehr als 60 Staaten und Organisationen neue Hilfen für die Leidtragenden des Syrien-Konflikts auf den Weg bringen. Die bei der Online-Veranstaltung gesammelten Gelder sind unter anderem für Nahrungsmittel, medizinische Hilfen und Schulbildung für Kinder vorgesehen. Sie sollen über Hilfsorganisationen direkt in das Bürgerkriegsland fließen oder Ländern in der Region zugute kommen, die viele Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen haben.
Aus dem Auswärtigen Amt hatte es bereits am Montag geheißen, Deutschland plane eine Hilfszusage, die mit der bei der Brüsseler Tagung im vergangenen Jahr vergleichbar sei. Damals waren rund 1,6 Milliarden Euro für Syrien und die Nachbarländer in der Region versprochen und dann am Ende sogar 1,75 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt worden.
Deutschland unterstütze weiter uneingeschränkt die Bemühungen der Vereinten Nationen, um das Leid von Millionen Syrerinnen und Syrern zu lindern und eine Friedensperspektive zu erhalten, sagte Maas. Auch bei der diesjährigen Brüsseler Konferenz werde man voranschreiten und andere Länder ermutigen, sich ebenfalls großzügig zu engagieren.
Der menschenrechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand, äußerte sich zufrieden über die Ankündigungen der Bundesregierung. Das Geld sei auch deshalb gut angelegt, weil es die Menschen dazu befähige, in der Nähe der Heimat zu bleiben, kommentierte der CDU-Politiker.
Der Konflikt in Syrien dauert mittlerweile seit dem Jahr 2011 an. Zwar ist die Gewalt zuletzt zurückgegangen, doch alle Gespräche über eine politische Lösung stehen derzeit still. Die Regierung von Präsident Baschar al-Assad beherrscht mittlerweile wieder den größten Teil des Landes, darunter die wichtigsten Städte. Daneben gibt es noch Gebiete unter Kontrolle verschiedener Rebellengruppen sowie der Kurdenmiliz YPG.
Nach UN-Angaben litten zuletzt 12,4 Millionen Menschen und damit fast 60 Prozent der Bevölkerung unter Hunger. Die Zahl der Menschen, die ohne Ernährungshilfe nicht überleben können, verdoppelte sich innerhalb eines Jahres. Der Assad-Regierung fehlt Geld, um den Wiederaufbau selbst zu bezahlen.
Vertreter von Hilfsorganisationen fordern deswegen eine Wende bei der Syrienhilfe. Die humanitäre Lage in dem Bürgerkriegsland sei eine Katastrophe, sagte Caritas-Präsident Peter Neher zum Start der Konferenz der Deutschen Presse-Agentur. "Wir müssen gezielte Wiederaufbaumaßnahmen zulassen, auch in Gebieten unter Kontrolle des Regimes", sagte der Caritas-Präsident.
Die EU lehnt dies bisland allerdings ab, weil sie die Herrschaft von Präsident Asssad nicht unterstützen will. Deutschland und andere Staaten sind dazu nur bereit, wenn es bei einer politischen Lösung greifbare Fortschritte gibt.
Neher erklärte, Syriens Infrastruktur sei massiv zerstört. Rund 2,5 Millionen Kinder gingen nicht zur Schule. "Wir wollen den Menschen helfen, dass sie wieder ein Dach über dem Kopf haben", sagte der Präsident der katholischen Hilfsorganisation. "Wir wollen Kindergärten, Schulen und Gesundheitseinrichtungen wiederaufbauen." Gezielte Wiederaufbaumaßnahmen könnten das Leben der Menschen verbessern, "ohne dass man das als Freibrief für das Regime sehen kann".
Bei der Konferenz im vergangenen Jahr waren nach Zahlen der EU für 2020 insgesamt rund 4,4 Milliarden Euro und für die Zeit danach rund 2 Milliarden Euro an Spenden zugesagt worden. Nach jüngsten Zahl wurden für 2020 am Ende sogar 6,8 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt und damit etwa 54 Prozent mehr als zunächst angekündigt. Allein aus Deutschland kamen nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt am Ende 1,75 Milliarden Euro.
Der Syrien-Koordinator der Welthungerhilfe, Konstantin Witschel, forderte von der Geberkonferenz am Dienstag "möglichst hohen Zusagen, die dann auch eingehalten werden müssen". Zugleich rief Witschel dazu auf, Wege zu finden, dass die Menschen selbst für ihr Einkommen sorgen können. Heute seien viele zu 100 Prozent von humanitärer Hilfe abhängig. Das habe auch katastrophale psychologische Folgen. "Es muss darum gehen, ihnen eine Perspektive jenseits eines Lebens in einem Vertriebenenlager zu geben", sagte Witschel. Eine Generation von Kindern ohne Perspektive wachse heran. "Wir können nicht über Jahrzehnte riesige Flüchtlingscamps erhalten."
(hau/dpa)