Der Slogan klingt mehr nach Fitness-Trainer als nach politischer Agenda: "DON'T GIVE UP", steht auf dem Wahlplakat zur Europawahl der rechten Brexit-Partei. Es klingt wie ein flehendes "Haltet durch".
Denn die Hängepartie namens Brexit zieht sich nun schon seit Monaten. Eigentlich, ja eigentlich, hätten die Briten die EU am 29. März verlassen sollen. Aber weil Premierministerin Theresa May im Unterhaus keine Mehrheit für den Austrittsvertrag mit Brüssel fand, wurde der Brexit erst einmal und dann ein zweites Mal verschoben.
Jetzt haben wir Anfang Mai, Ende des Monats stehen die Europwahlen an – und die Briten müssen daran teilnehmen. Großbritannien muss also Abgeordnete für ein Parlament wählen, in der seine Regierung gar nicht sitzen möchte. Und aus dem die Briten sehr schnell wieder ausziehen müssten, sollte der Brexit doch noch kommen.
Die Situation ist absurd. Wir haben fünf Geschichten gesammelt, die die Absurdität dieses Wahlspektakels auf den Punkt bringen.
Am wenigsten Lust auf die Wahlen haben wohl die Politiker und Anhänger der Regierungspartei der Tories. "Brexit bedeutet Brexit", gelobte Theresa May stets zu sagen. Brexit heißt jetzt aber erstmal: Kandidaten für Brüssel aufstellen.
Das haben die Tories mittlerweile gemacht. Aber mit dem Rest lassen sie sich Zeit. Einen Wahlkampf-Auftakt der Konservativen gab es noch nicht. (Alle andere Parteien haben dagegen den Auftakt schon hinter sich.)
Die Tories fürchten, dass die Wähler sie nach all dem Chaos abstrafen. Ashley Fox, britischer Tory-Abgeordneter im Europaparlament, geht davon aus, dass seine Partei die Hälfte ihrer 20 Sitze verlieren wird. Auf seiner Webseite warnt er:
Der Frust auf die Regierung ist in Großbritannien massiv gewachsen. Bei den Kommunalwahlen am Donnerstag verloren die Tories 1335 Sitze im Vergleich zu den Wahlen 2015.
In mehreren Umfragen zur Europawahl zeichnet sich bereits ab: Auch am 23. Mai, wenn die Menschen in Großbritannien abstimmen, werden die Konservativen die Verlierer sein.
"Zombie-Wahl". Der Begriff des Konservativen Ashley Fox passt. Denn niemand kann sagen, ob die in Großbritannien gewählten Abgeordneten wirklich ins Europaparlament in Straßburg einziehen. Und wenn doch, wie lange sie dort bleiben werden.
Die Hoffnung der britischen Regierung ist es, den Brexit doch noch vor den Europawahlen am 23. Mai oder vor der ersten Sitzung des neuen Parlaments am 2. Juli durchziehen zu können. Zumindest die erste Deadline werden die Briten nicht mehr schaffen. Zurzeit befindet sich May in Gesprächen über einen Brexit-Kompromiss mit Labour-Chef Jeremy Corbyn. Ein Durchbruch und damit ein schneller EU-Austritt ist dabei nicht in Sicht.
Möglich aber ist, dass der Brexit vor dem 2. Juli oder noch in diesem Jahr kommt. Die aktuelle Frist dafür läuft bis zum 31. Oktober.
Was passiert aber nach dem Brexit mit den gewählten britischen Europa-Abgeordneten?
Warum aber für diese Europawahl überhaupt antreten? Oder überhaupt wählen gehen?
Auf diese naheliegenden Fragen müssen die Parteien eine Antwort finden. Die kleineren Parteien in Großbritannien tun sich leichter damit als die Tories oder die Labour-Partei:
Die großen Parteien tun sich dagegen schwer, ihre Wähler zu mobilisieren.
Im Landkreis Derbyshire weigern sich einige konservative Kreisräte, für die Europawahl Wahlkampf zu machen.
Der Konservative Barry Lewis sagte dem britischen "Guardian", er werde keine Haustürwahlkampf organisieren, noch Flyer verteilen.
In einer anderen, aber nicht weniger schwierigen Situation als die Tories, befindet sich die Oppositionspartei Labour. Die Partei versucht seit dem Referendum den schwierigen Spagat, einerseits nicht die Wähler zu verschrecken, die für den Brexit sind, und zugleich dabei nicht die EU-Freunde in Großbritannien zu verlieren.
Derzeit befindet sich Parteichef Corbyn in der absurden Situation, mit den Tories um einen Kompromiss beim Brexit zu ringen, bei den Europawahlen aber eine Alternative zur Regierung darstellen zu müssen.
Wie absurd das Ganze dann enden kann, zeigt der Streit um einen Wahlkampf-Flyler. In einem ersten Entwurf Ende April fehlte darin die Forderung nach einem zweiten Referendum.
Die aber ist mittlerweile Parteiprogramm bei Labour, um einen Brexit nach Maßgabe der Tory-Regierung zu verhindern. Es gab Streit in der Partei.
Von Labour hieß es dann beschwichtigend, es gebe mehrere verschiedene Entwürfe.
Der Streit ist noch nicht ausgestanden. Denn die allgemeine Frage, ob Labour im Europa-Wahlkampf für ein zweites Referendum werben soll oder nicht, ist nicht beantwortet. Erst diese Woche berichtete der britische "Guardian", dass auch zornige Labour-Anhänger mit einem Wahlkampf-Boykott drohen, sollte die Parteiführung ihre Position nicht ändern.
Noch also ist nicht klar, wie intensiv die Parteien in Großbritannien sich ins Wahlkampf-Getümmel stürzen werden.
Sicher aber ist: Wahlkampf kostet. Die britische Wahlkommission hat bereits im vergangenen vorsorglich 829.000 britische Pfund (rund eine Million Euro) zur Seite für die Europawahl 2019 gelegt. Stimmzettel müssen schließlich gedrückt oder versandt werden.
Insgesamt kostete das Abhalten der Europawahl 2014 rund 125 Millionen Euro, die Parteien gaben damals rund 12 Millionen Euro für den Wahlkampf aus.
Sollten sich die Summen 2019 wieder in dieser Dimension abspielen – es wäre ganz schön viel Geld für eine Wahl, die womöglich nicht mehr als eine Durchhalte-Phase bis zum Brexit sein könnte.