Die amerikanische Flagge am Kapitol in Washington wird auf halbmast gesetzt.Bild: AP / Alex Brandon
International
03.04.2021, 10:4703.04.2021, 11:06
Knapp drei Monate nach der gewaltsamen Erstürmung
des US-Kapitols durch einen wütenden Mob hat ein Angreifer vor dem
schwer bewachten Parlamentsgebäude einen Polizisten getötet und einen
weiteren schwer verletzt. Der Mann fuhr an einer Zufahrt zum Sitz des
Kongresses in der Hauptstadt Washington in die zwei Polizisten und
rammte dann eine Absperrung. Der Angreifer ging sogleich mit einem
Messer auf weitere Beamte los und ignorierte Warnungen, weswegen ihn
die Sicherheitskräfte mit Schüssen stoppten, wie die Polizei am
Freitag erklärte. Wenig später wurde der Täter für tot
erklärt.
Der Polizeichef der US-Hauptstadt Washington, Robert Contee, sagte,
ersten Erkenntnissen zufolge scheine die Tat keinen terroristischen
Hintergrund gehabt zu haben. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass
von einer weiteren Bedrohung für den Kongress oder Anwohner
auszugehen sei. Das Kapitol, der Sitz der beiden Kammern des
US-Kongresses, wurde wegen des Zwischenfalls zeitweise abgeriegelt.
Der Kongress hatte allerdings keinen Sitzungstag, deswegen dürften
kaum Senatoren oder Abgeordnete in dem Komplex gewesen sein.
Täter rammte Wagen gegen Metallsperre
Die Flaggen in den USA wurden auf Anordnung von Präsident Joe Biden
als Zeichen des Respekts für den Einsatz und die Opfer der
Kapitol-Polizei bis Dienstag auf halbmast gesetzt. Biden sprach von
einem erschütternden Vorfall und erklärte, er werde laufend über den
Stand der Ermittlungen informiert. Er sprach der Familie des Opfers
sein Beileid aus. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die
Demokratin Nancy Pelosi, bezeichnete den getöteten Beamten als
"Märtyrer für unsere Demokratie".
Der Polizist, William Evans, war seinen Verletzungen kurz nach dem
Angriff erlegen. Er stand seit 18 Jahren im Dienst der
Kapitol-Polizei, wie deren geschäftsführende Chefin erklärte.
Nach Polizeiangaben wird der Tatort an der sogenannten nördlichen
Barriere des Geländes wegen der laufenden Ermittlungen vorerst
gesperrt bleiben. Bilder zeigten dort einen blauen Mittelklassewagen,
der frontal gegen eine im Boden verankerte Metallsperre mit der
Aufschrift "STOP" gefahren war.
Die Polizei untersucht den Tatort.Bild: AP / Alex Brandon
Es herrschen seit Monaten erhöhte Sicherheitsvorkehrungen am Kapitol
Wegen des Angriffs wütender Anhänger des abgewählten Ex-Präsidenten
Donald Trump am 6. Januar ist der gesamte Komplex am Sitz des
US-Parlaments weiter schwer bewacht. Vergangene Woche wurden die
Sicherheitsvorkehrungen allerdings etwas zurückgefahren. So wurde ein
äußerer Zaun abgebaut, der das Areal um den Kongresssitz abgeschirmt
hatte. Straßen, die innerhalb dieses Kreises lagen und abgesperrt
waren, wurden wieder geöffnet.
Noch immer unterstützen aber Soldatinnen und Soldaten der
Nationalgarde die Sicherheitskräfte. Die Kapitol-Polizei betonte
vergangene Woche, sie sei jederzeit bereit, die Sicherheitsmaßnahmen
sofort wieder hochzufahren, falls das nötig sein sollte.
Die Polizei untersucht den Tatort.Bild: AP / Carolyn Kaster
"Es ist wirklich traurig, denn ich hatte geglaubt, dass wir nach der
Beseitigung der Barrieren wieder zu einer gewissen Normalität
zurückkehren würden. Aber das zeigt nur, wie hoch das Risiko noch
immer ist", sagte der demokratische Kongressabgeordnete Ro Khanna dem
Nachrichtensender CNN. Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärte:
"Ereignisse wie dieses erinnern uns an den Mut und die Kompetenz der
Profis der Sicherheitskräfte und an unsere gemeinsame Verpflichtung,
dieses großartige Land und seine Institutionen zu verteidigen."
Donald Trump rief zum Sturm auf das Kapitol auf
Nach der gewaltsamen Erstürmung des Kongresses im Januar war die
Kapitol-Polizei in die Kritik geraten, weil die Sicherheitskräfte des
Parlaments den Angriff nicht abwehren konnten. Der Leiter der Polizei
trat daraufhin zurück. Mindestens fünf Menschen kamen bei den
Krawallen ums Leben, darunter ein Kapitol-Polizist. Das FBI stuft die
Erstürmung des Gebäudes als inländischen Terrorismus ein.
Der Kongress sollte am Tag des Angriffs den Wahlsieg von US-Präsident
Biden ratifizieren. Der damals noch regierende Amtsinhaber Trump, der
seine Niederlage nicht wahrhaben wollte, hatte seine Anhänger
unmittelbar vor der Erstürmung des Kapitols mit einer kämpferischen
Rede vor dem Weißen Haus angestachelt. Die Demokraten machten ihn für
die Ereignisse verantwortlich und leiteten im Repräsentantenhaus
erfolgreich ein Amtsenthebungsverfahren ein, das im Senat jedoch an
der nötigen Zweidrittelmehrheit scheiterte.
(lfr/dpa)
Die umstrittene Abgeordnete aus dem US-Bundesstaat Georgia, Marjorie Taylor Greene, trägt auch den Titel "White-Trash-Queen".