International
12.08.2019, 07:1812.08.2019, 07:26
Wieder nehmen Rettungsschiffe Flüchtlinge im Mittelmeer auf, wieder bleiben die Häfen geschlossen. Gerade harren insgesamt rund 400 Geflüchtete auf Schiffen im Mittelmeer aus – die Lage an Bord wird offenbar immer schwieriger.
- Die von den Hilfsorganisationen SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen erstmals eingesetzte "Ocean Viking" nahm in weniger als 24 Stunden 170 Migranten aus zwei Schlauchbooten an Bord. Am Sonntag kamen 81 weitere hinzu.
- Ein weiteres Boot, die "Ocean Viking" hat nun insgesamt 251 Migranten an Bord. Sie werde zunächst in der Rettungszone vor Libyen bleiben, sagte eine Sprecherin.
- Die seit über einer Woche mit 121 Geretteten an Bord ausharrende "Open Arms" einer spanischen Hilfsorganisation hatte am Samstag vor Malta weitere 39 Menschen aufgenommen
Unklar ist, wohin die Schiffe die Menschen bringen werden. Denn die beiden nächstgelegenen
europäischen Länder –Italien und Malta – haben ihre Häfen für
Flüchtlingsschiffe weitgehend dicht gemacht. Und Nordafrika wollen
sie nicht ansteuern.
Die Menschen an Bord der "Ocean Viking" erzählten einem Helfer, dass sie
willkürliche Inhaftierung, Erpressung oder Folter erlebt haben oder
unter sklavenähnlichen Bedingungen haben arbeiten müssen, wie Ärzte
ohne Grenzen twitterte. "Sie sagten mir, sie wären bereit gewesen, im
Meer zu sterben, anstatt einen weiteren Tag in Libyen zu leben und zu
leiden."
"Schande Europa"
"Zehnter Tag an Bord, ein sehr heißer Augustsonntag. Wir halten
stand, wir haben 160 Gründe es zu tun. 160 Menschen, die das Recht
haben, in einem sicheren Hafen an Land zu gehen. Schande Europa",
schrieb Open Arms am Sonntag auf Facebook. Open-Arms-Chef Oscar Camps
hatte am Samstag mitgeteilt, Malta wolle nur die 39 zuletzt
Geretteten an Land lassen – die übrigen aber nicht. "Das hat zu einem
ernsthaften Sicherheitsproblem an Bord geführt. Das Ausmaß der
Beklemmung dieser Menschen ist unhaltbar", twitterte er.
Die Regierung Malta teilte mit, dass sich das kleinste EU-Land
für die übrigen 121 nicht zuständig fühle. Sie schrieb außerdem, dass
die maltesischen Streitkräfte die Rettung der 39 ohnehin schon
vorbereitet hätten, als die "Open Arms" sie an Bord genommen habe. Am
Sonntag erklärte die Organisation, zwei Migranten würden wegen ihres
Gesundheitszustands nach Malta geflogen, eine weitere Person sollte
nach Italien gebracht werden.
Richard Gere vs. Matteo Salvini
Bei einer Pressekonferenz der spanischen NGO auf der
italienischen Insel Lampedusa kritisierte der US-Schauspieler Richard
Gere die harte Haltung Italiens zu den Migranten. "Ich liebe die
Italiener sehr, eure Großzügigkeit und eure Lebensfreude. Und doch
habe ich festgestellt, dass sich da etwas geändert hat", sagte Gere,
der zuvor Lebensmittel auf die "Open Arms" gebracht hatte, laut
Nachrichtenagentur Ansa. Italiens Innenminister Matteo Salvini
konterte:
"Du kannst alle Migranten mit nach Amerika nehmen in deinen Privatflugzeugen, um sie in deinen Villen zu versorgen. Danke."
Italien und Malta verweigern Rettungsschiffen immer wieder die
Einfahrt in ihre Häfen und dringen darauf, dass andere EU-Staaten
vorab zusichern, alle anlandenden Migranten zu übernehmen. SOS
Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen waren am 4. August zum ersten
Einsatz mit der unter norwegischer Flagge fahrenden "Ocean Viking"
von Marseille aus in See gestochen. Am Freitag retteten sie 85
Migranten vor der libyschen Küste und am Samstag noch einmal 85 im
zentralen Mittelmeer.
Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kommen kaum noch Schutzsuchende in Italien an. Im laufenden Jahr waren es bis Sonntag 4042, im Gesamtjahr 2016 kamen noch 181.436.
Die Stadt Neapel richtete am Samstag Proactiva Open Arms aus, sie
würde die Geretteten gerne aufnehmen. "Es ist ein weiter Weg ... aber
denkt immer daran, dass der Hafen von Neapel offen ist. Die Stadt
Neapel hat keine Angst vor 160 Personen", teilte Italiens drittgrößte
Stadt mit. Angesichts der harten Haltung der Regierung in Rom hat
dies aber nur symbolischen Charakter.
(hd/dpa)
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist einer der beliebtesten Politiker Deutschlands. Ganz anders als sein Chef, Bundeskanzler Olaf Scholz. Der will trotzdem Kanzlerkandidat seiner Partei werden.