Normalerweise hat die Revolution ja eine rote Farbe. In Frankreich, wo die Bürger sich allein aus historischen Gründen wenig vom Staat gefallen lassen, ist sie dieser Tage gelb. Seit knapp zwei Wochen kommen die so genannten Gelbwesten immer wieder in die Schlagzeilen. Wegen brennenden Barrikaden, Straßenblockaden und Großdemonstrationen.
Richten tut sich das Ganze gegen Präsident Emmanuel Macron, der bis zu seiner Wahl eigentlich ein Hoffnungsträger vieler Franzosen gewesen war – jetzt aber mit seiner harten Sozial- und Steuerpolitik an den Grundfesten des französischen Verständnisses rüttelt, wie ein Sozialstaat auszusehen hat. So kommt es, dass drei Viertel der Bürger die Gelbwesten unterstützen.
Aber was steckt genau hinter der Bewegung? Hier die 4 wichtigsten Fragen:
Eine Protestbewegung, die sich alleine über soziale Netzwerke organisiert. Neu ist, dass sie auch abseits der großen Städte aktiv ist und weder durch Gewerkschaften noch politische Parteien gesteuert wird. Videos oder Aufrufe von Aktivisten werden in der Regel auf Facebook und Twitter zehntausende Male geteilt.
Die Gelbwesten haben diese Woche erstmals einen gemeinsamen Forderungskatalog präsentiert. Er umfasst unter anderem die Senkung "aller Steuern", die Anhebung von Mindestlohn und Renten sowie die Einrichtung einer "Bürgerversammlung", die über die gesunkene Kaufkraft, soziale Not und den ökologischen Wandel diskutieren soll.
Entzündet hatten sich die Proteste Mitte November an der Ökosteuer auf Diesel, die zum 1. Januar 2019 kommt, und an den hohen Kraftstoffpreisen. Angetrieben werden die Proteste durch den Unmut über Präsident Macron. Bei Demonstrationen wird regelmäßig "Macron démission" (Macron Rücktritt) skandiert – das erinnert an die "Merkel muss weg"-Rufe bei Pegida-Demonstrationen. Trifft es aber nicht ganz.
Der Geograf Christophe Guilluy, Autor des vielbeachteten Buchs No Society über das verschwinden der sozialen Infrastruktur auf dem Land, sagte im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Nicht im klassischen Sinn. Die Aktivisten stehen für ein breites gesellschaftliches Spektrum: Von der 51 Jahre alten Dieselfahrerin und Akkordeonspielerin Jacline Mouraud aus der Bretagne über den 45 Jahre alten Immobilienmakler Fabrice Schlegel aus dem ostfranzösischen Jura bis zum 33 Jahre alten Lastwagenfahrer und Familienvater Eric Drouet aus dem Pariser Großraum.
Letzterer gehört zu einem Sprecherrat von acht Aktivisten, den die gelben Westen ernannt haben und der mit der Regierung verhandelt - Drouet und eine Mitstreiterin wurden am Dienstag im Umweltministerium empfangen, für Freitag plant auch Premierminister Edouard Philippe ein Treffen mit einer Delegation.
Aus Sicht der Protestierer bisher nicht. Ein Sprecher sagte, Präsident Macron habe mit seinen Ankündigungen "überhaupt nicht überzeugt". Deshalb gehen die Proteste weiter, am Samstag sind auch in Paris neue Kundgebungen geplant.
Macron hat zugesagt, die Ökosteuer auf Diesel an die Kraftstoffpreise anzupassen, um übermäßige Belastungen abzufedern. Zudem will er die Aktivisten an Regionalkonferenzen beteiligen.
Geograf Christophe Guilluy hat einen anderen Tipp. Natürlich geht es um Geld und das Gefühl eines gesellschaftlichen Abgehängtseins im ökoliberalen Wunderland. Mehr aber noch geht es um die Spaltung zwischen Stadt und Land und soziale Infrastruktur in ländlichen Gegenden. Auch deshalb entzündet sich der Streit formal am Benzinpreis – die Menschen kommen vom Land (und den billigen Wohnungen) erst gar nicht mehr hin in die gesellschaftlichen Zentren der Städte.
(mbi/afp)