Genau zwei Wochen nach der Kapitol-Erstürmung wird der neue US-Präsident Joe Biden am Mittwoch sein Amt antreten. Aus Sorge vor neuer Gewalt und wegen der Corona-Pandemie wird die Vereidigung des 46. US-Präsidenten ganz anders verlaufen als üblich. Sie findet unter drakonischen Sicherheitsvorkehrungen statt, große Zuschauermengen wird es nicht geben – und der scheidende Amtsinhaber Donald Trump bleibt der Zeremonie fern.
Nach der Kapitol-Erstürmung gibt es Warnungen vor neuer Gewalt durch militante Trump-Anhänger. Neben tausenden Polizisten werden deswegen mehr als 20'000 Nationalgardisten zu Bidens Amtseinführung in Washington sein - mehr als US-Soldaten in Afghanistan und im Irak zusammen.
Das Kapitol ist durch hohe Metallbarrieren abgesichert. Die gesamte Innenstadt wurde in zwei Sicherheitszonen eingeteilt, die durch Zäune und Betonbarrieren abgeriegelt sind. Die Behörden sperren zudem die National Mall, jenen langen Grünstreifen zwischen Kapitol und Lincoln Memorial, auf dem sich bei Amtseinführungen von Präsidenten für gewöhnlich hunderttausende Menschen versammeln.
Eine große Menschenmenge war in diesem Jahr aber wegen der Corona-Krise ohnehin nicht vorgesehen. Stattdessen wurden 191'500 US-Fahnen auf der National Mall aufgestellt. Sie sollen die Menschen symbolisieren, die nicht zur Amtseinführung nach Washington reisen können.
Vor der Vereidigung wird der gläubige Katholik Biden am Mittwochmorgen (Ortszeit) mit den Kongressspitzen - und damit auch wichtigen Vertretern von Trumps Republikanern - einen Gottesdienst in der St.-Matthäus-Kathedrale besuchen. Er macht damit deutlich, dass er eine parteiübergreifende Zusammenarbeit anstrebt.
Um Punkt 12.00 Uhr mittags (Ortszeit; 18.00 Uhr MEZ) wird Biden auf den Stufen des Kapitols seinen Amtseid ablegen. Abgenommen wird der Schwur vom Obersten Verfassungsrichter John Roberts.
"Amerika vereint" lautet das Motto der Zeremonie vor der Westseite des Kongressgebäudes: Biden will das tief gespaltene Land versöhnen und politische Gräben überwinden. Das dürfte auch ein zentrales Thema seiner Antrittsrede sein, die der neue Präsident nach dem Amtseid hält. Vor Biden legt Vizepräsidentin Kamala Harris ihren Amtseid ab.
Die drei früheren Präsidenten Barack Obama, George W. Bush und Bill Clinton sind die wohl prominentesten Gäste der Zeremonie. Der Amtseinführung fernbleiben wird dagegen Trump, der seine Wahlniederlage weiterhin nicht eingestehen will. Der Republikaner wird Stunden vor Bidens Vereidigung zu seinem Anwesen Mar-a-Lago im Bundesstaat Florida fliegen.
Das ist ein großer Traditionsbruch: Trump ist der erste Präsident seit 152 Jahren, der der Amtseinführung seines Nachfolgers fernbleibt. Zuletzt hatte Präsident Andrew Johnson im Jahr 1869 die Vereidigung seines Nachfolgers boykottiert. An Bidens Amtseinführung teilnehmen wird aber Trumps Stellvertreter Mike Pence.
Popdiva Lady Gaga, die sich im Wahlkampf für Biden eingesetzt hatte, wird bei der Vereidigung die US-Nationalhymne singen. Geplant ist auch ein Auftritt von Latin-Pop-Star Jennifer Lopez.
Biden wird nach seinem Amtseid zum nahe Washington gelegenen Nationalfriedhof Arlington fahren (ab 14.00 Uhr; 20.00 Uhr MEZ) und dort einen Kranz am Grabmal des unbekannten Soldaten niederlegen. Der neue Präsident fährt dann nach Washington zurück und wird die letzten Meter zum Weißen Haus laufen (nach 15.00 Uhr; 21.00 Uhr MEZ).
Im Weißen Haus wird Biden umgehend eine Abkehr von der Politik seines Vorgängers Trump einleiten. Der Demokrat wird dazu rund ein Dutzend Dekrete unterzeichnen. Unter anderem will er die Rückkehr der USA zum Pariser Klimaschutzabkommen besiegeln, im Kampf gegen die Corona-Pandemie eine Maskenpflicht in Bundesgebäuden und bei Reisen über Bundesstaatsgrenzen beschließen und das Einreiseverbot für Menschen aus mehrheitlich muslimischen Ländern aufheben.
Am Abend (ab 20.30 Uhr Ortszeit) sind Biden und Harris Gäste einer von Hollywood-Star Tom Hanks moderierten Fernsehshow zur Amtseinführung. Dort werden unter anderem Justin Timberlake, Jon Bon Jovi, John Legend und Bruce Springsteen auftreten.
(mse/afp)