Nach den schweren Explosionen im Hafen von Beirut hat das libanesische Rote Kreuz die Zahl der Toten mit mindestens 100 angegeben. Mehr als 4000 weitere Menschen seien verletzt worden, teilte die Organisation am Mittwoch mit. "Unsere Teams setzen die Such- und Rettungsaktivitäten in den umliegenden Gegenden fort." Das Gesundheitsministerium hatte die Zahl der Todesopfer zuletzt mit 78 angegeben und von knapp 4000 Verletzten gesprochen.
Noch am Abend durchsuchten Rettungskräfte Trümmer im Hafen der libanesischen Hauptstadt, von wo aus die Detonation bis Zypern zu spüren war. Der Auslöser blieb zunächst unklar. Innenminister Mohammed Fahmi sagte dem Fernsehsender Al-Jadid, seit 2014 sei im Hafen Ammoniumnitrat gelagert worden. Präsident Michel Aoun erklärte dazu auf Twitter, es sei inakzeptabel, dass dort 2750 Tonnen des Stoffes sechs Jahre lang ohne Sicherheitsmaßnahmen gelagert worden seien. Ministerpräsident Hassan Diab kündigte im Fernsehen an, die Verantwortlichen würden zur Rechenschaft gezogen.
Ein Reporter beschrieb einen Feuerball, zerborstene Fensterscheiben und abgerissene Balkone sowie schreiende Menschen, die auf den Straßen umherliefen. Eine weitere Reporterin schilderte graue Rauchwolken, dann eine Explosion und Flammen. "Alle Fenster in der Innenstadt sind zerstört", sagte sie kurz nach der Detonation. "Es herrscht völliges Chaos." Nach Angaben aus Sicherheitskreisen waren die Krankenhäuser in Beirut nicht in der Lage, die Zahl der Verletzten zu bewältigen. Einige seien zur Behandlung außerhalb der Stadt gebracht worden. Aus umliegenden Teilen des Landes wie dem Bekaa-Tal wurden Krankenwagen angefordert.
Videoaufnahmen zeigten am Hafen Gebäudetrümmer und umhergeworfene Autos. Der Zugang zum Gelände selbst war verwüstet. Der Libanon ist von Lebensmittelimporten abhängig, um die sechs Millionen Bürger zu versorgen. Örtlichen Medien zufolge ist der Hafen gelagerte Weizen nicht mehr genießbar. Der Oberste Verteidigungsrat des Libanon rief den Katastrophenzustand in Beirut aus und empfahl dem Kabinett, bei der geplanten Sitzung am Mittwoch den Notstand zu verhängen. Aoun zufolge soll dieser zwei Wochen dauern. Die radikal-islamische Hisbollah-Miliz rief zur Einigkeit des Landes auf angesichts der "schmerzhaften Katastrophe".
Nach Angaben des Auswärtigen Amts waren Mitarbeiter der deutschen Botschaft unter den Verletzten.
Wie schwer die Schäden seien, sei noch unklar. Gegenwärtig könne nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Deutsche unter den Opfern seien. Die Botschaft habe einen Krisenstab eingerichtet. Kanzlerin Angela Merkel erklärte auf Twitter, die Bundesregierung sei erschüttert. Man werde dem Libanon Unterstützung anbieten. Auch andere Staaten boten ihre Hilfe an, darunter Israel.
(lin/rtr/dpa)