
An die zweite Stelle schob sich überraschend die linksliberale und besonders europafreundliche D66 mit Spitzenkandidatin Sigrid Kaag.Bild: dpa / Koen Van Weel
International
Nach seinem Sieg bei der niederländischen
Parlamentswahl will der rechtsliberale Ministerpräsident Mark Rutte
mit den ebenfalls erfolgreichen Linksliberalen Gespräche über eine
Regierungsbildung beginnen. Dies sei "naheliegend", sagte der
54-Jährige am Mittwochabend. Ruttes VVD wird nach einer Prognose des
Fernsehsenders NOS mit etwa 23 Prozent und 36 von insgesamt 150
Sitzen stärkste Kraft in der Zweiten Kammer des Parlaments.
An die zweite Stelle schob sich überraschend die linksliberale
und besonders europafreundliche D66. Sie holte nach der Prognose 27
Mandate, acht mehr als bisher. Umfragen zeigten, dass dies wesentlich
auf die populäre Spitzenkandidatin Sigrid Kaag (59) zurückzuführen
ist. Die Außenhandelsministerin arbeitete viele Jahre für die
Vereinten Nationen und spricht sechs Sprachen. Sie gilt als ein neuer
Star der niederländischen Politik.
Wahl in den Niederlanden: Politik müsse "progressiver, ehrlicher und grüner" werden
Kaag deutete an, dass sie nur dann zu einer Fortsetzung der
Koalition mit Ruttes VVD bereit sei, wenn eine weitere progressive
Partei in die Regierung eintritt. Die Politik müsse "progressiver,
ehrlicher und grüner" werden, forderte sie am Wahlabend. Bisher
regierte Rutte außer mit D66 mit zwei rechten Parteien, den
Christdemokraten und der kleinen ChristenUnie. "Ich habe Energie für
noch mal zehn Jahre", versicherte Rutte (54), der bereits seit 2010
an der Macht ist und in der nächsten Legislaturperiode der am
längsten amtierende Ministerpräsident der niederländischen Geschichte
werden würde.
Die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders, die in den
Umfragen wochenlang auf dem zweiten Platz gestanden hatte, musste
sich mit Rang drei zufriedengeben. Sie verlor drei Parlamentssitze.
Dafür gewann aber eine andere rechtspopulistische Partei, die FvD des
Nationalisten Thierry Baudet, sechs Sitze dazu und hat nun insgesamt
acht. Eine Abspaltung der FvD, JA21, zieht mit drei Abgeordneten ins
Parlament ein, sodass die Rechtspopulisten unterm Strich auffallend
gestärkt aus der Wahl hervorgehen.
Wahlbeteiligung in Niederlande bei 82 Prozent
Deutlich schlechter als vor vier Jahren schnitten
Christdemokraten, Grüne und Sozialisten ab. Der Verlust von sechs
Sitzen für die Grünen wird unter anderem darauf zurückgeführt, dass
die Partei vor vier Jahren nicht in die Regierung eingetreten war und
der Klimaschutz inzwischen auch für andere Parteien ein zentrales
Thema ist. Die Sozialdemokraten, die in den 90er Jahren noch stärkste
politische Kraft in den Niederlanden waren, stabilisierten sich auf
dem niedrigen Niveau von neun Sitzen.
Zusätzlich zu den 13 Parteien, die bisher schon im Parlament
vertreten waren, ziehen nach der Prognose noch vier weitere Parteien
in die Zweite Kammer ein, sodass dort künftig 17 Parteien vertreten
sind. In den Niederlanden gibt es keine Fünf-Prozent-Hürde. Trotz
Corona lag die Wahlbeteiligung bei 82 Prozent und damit ebenso hoch
wie vor vier Jahren.
(jab/dpa)
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