Der neue Asylkurs der EU dürfte mehr Grenzzäune und weitere abschreckende Maßnahmen beinhalten.Bild: AP / Santi Palacios
International
Die EU macht die Grenzen dicht und versteckt sich hinter Zäunen. So zumindest könnte es an den Außengrenzen des Staatenbundes bald aussehen, sollten sich die Innenminster:innen der Mitgliedsstaaten bei ihrem Treffen einigen können.
Konkret geht es bei den Reformplänen darum, Menschen abzuschrecken. So sind zum Beispiel sogenannte Ankerzentren im Gespräch. In diesen Einrichtungen an den Außengrenzen sollen dann die Asylverfahren ablaufen. Wer keinen positiven Bescheid bekommt, muss den Staatenbund direkt verlassen, ohne überhaupt jemals angekommen zu sein. Abschiebungen sollen wohl außerdem beschleunigt werden.
Kritiker:innen befürchten, dass durch diese Pläne das Recht auf Asyl beschnitten wird – und noch mehr Menschen als ohnehin schon auf unsicheren Fluchtwegen sterben. Die Grünen-Basis hat sich bereits mit einem offenen Brief gegen die Pläne gestellt – jetzt werden auch Teile der SPD laut.
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Grüne fordern Ausnahmeregelungen
Die Grünen fordern, dass Familien mit Kindern von diesen strikten Grenzverfahren ausgenommen werden müssten. Andernfalls bestünde das Risiko, dass auch Minderjährige monatelang unter haftähnlichen Bedingungen leben müssten. FDP und SPD unterstützen ihre Koalitionspartnerin bei dieser Forderung.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) muss gemeinsam mit ihren EU-Kolleg:innen über das neue Asylrecht debattieren.Bild: imago images/Jan Huebner
In den Vorverhandlungen zu dem Treffen an diesem Donnerstag versuchte die Bundesregierung, Grenzverfahren für Familien mit Kindern zu verhindern. Ohne Erfolg. Die Mehrheit der EU-Staaten befürchtet, dass durch Ausnahmen der Abschreckungscharakter wegfällt.
Die Grünen, so macht es bisher den Anschein, wollen aber keinen Kompromiss um jeden Preis. Meint: Womöglich legen sie ein Veto ein, sollte ihre Forderung kein Gehör finden. Das wiederum dürfte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) nicht passen. "Es ist wichtig, dass wir jetzt zu Ergebnissen kommen. Andernfalls ist mit mehr nationalstaatlicher Abschottung zu rechnen", sagte die SPD-Politikerin vor dem Treffen in Luxemburg dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Junge SPD-Mitglieder mobilisieren gegen Reform um jeden Preis
Mitglieder ihrer Partei sehen das anders. Und mobilisieren in den sozialen Medien gegen eine Reform um jeden Preis.
So schreibt beispielsweise Juso-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Jessica Rosenthal auf Instagram: "Europa ist mehr als ein geopolitisches Projekt. Europas Versprechen ist Frieden, Freiheit und verdammt nochmal MENSCHLICHKEIT, Menschenrechte!" Sie sei schockiert über die Debatten, die in den vergangenen Wochen und Monaten über geflüchtete Menschen geführt worden sind.
Diese seien nicht nur "abgrundtief falsch", sondern bögen auch in eine völlig falsche Richtung ab. Rosenthal schreibt:
"Ich will keine Haftlager an EU Außengrenzen. Moria oder Lesbos markieren für sich genommen schon europäische Abgründe. Sowas zum Prinzip zu erklären, wäre unverantwortbar."
Von den Beratungen der EU-Innenminister:innen erwarte die Sozialdemokratin, dass es um die Toten auf dem Mittelmeer und eine solidarische Verteilung der Geflüchteten geht. "Es darf keine Einigung auf dem Rücken Schutzsuchender, keine Haftlager an Außengrenzen, kein Schleifen des Asylrechts geben", stellt sie klar.
Ähnlich drückt es auch SPD-Abgeordnete Rasha Nasr aus. Sie schreibt auf Instagram, sie könne den Wunsch vieler Bürger:innen nach Ordnung verstehen. Der Vorschlag klinge nach Effizienz und europäischer Einheitlichkeit. "Aber als gewählte Abgeordnete ist es meine Pflicht, nicht bloß mit dem Zeitgeist zu schwimmen und abzunicken, was Parolen in der Springer-Presse oder die lautesten Stimmen in Polit-Talkshows fordern", macht Nasr deutlich.
Die Reform würde aus ihrer Sicht weder Ordnung noch Fairness bringen, sondern Leid und Ungerechtigkeit. Nasr führt aus:
"Das neue GEAS [Anm. d. Red.: Gemeinsames EU Asylsystem] wird haftähnliche Zustände an den Außengrenzen, u.a. für Kinder und ihre Eltern bedeuten, die nichts verbrochen haben, als im 'falschen' Land geboren worden zu sein."
Die Sozialdemokratin könne diesen Vorschlag nicht mittragen, stellt sie klar. Denn die Reform würde auch bedeuten, gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und die Menschenrechte zu verstoßen. Sie schreibt: "Ich würde mir wünschen, dass wir endlich das Offensichtliche erkennen und uns wieder mit starkem Rückgrat dem Auftrag stellen, den das Grundgesetz und das internationale Recht für uns vorsehen."
Und auch die SPD-EU-Abgeordnete Delara Burkhardt fordert gemeinsam mit einer überparteilichen Gruppe von Abgeordneten, im reformierten Gesetz keine Kompromisse beim Thema Menschenrechte zu machen. Sie schreibt auf Instagram:
"Anstatt mehr Solidarität und Menschlichkeit, scheint es aktuell einen Hang hin zu mehr Abschottung und Schnellverfahren zur Abweisung zu geben."
Dabei sei es gerade bei Asylverfahren wichtig, jede Person und ihr Schicksal individuell zu betrachten, schreibt Burkhardt auf Instagram. Und weiter: "Echte Solidarität geht über Grenzen hinaus. Von einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung erwarte ich menschliche Asylpolitik, kein Wegbereiten für die Verletzung von Menschenrechten."
Sie fordert ihre Community außerdem auf, die Forderungen der überparteilichen Gruppe mitzutragen und zu unterzeichnen.
(Mit Material der dpa)
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