Neue Enthüllungen zeigen nach Medienberichten das Ausmaß der Verfolgung und Masseninternierung von muslimischen Uiguren in der nordwestchinesischen Region Xinjiang.
Die Veröffentlichung fällt zusammen mit dem laufenden China-Besuch der UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet, die auch Xinjiang besuchen will.
Die neu enthüllten Unterlagen, Tausende Fotos und offizielle Reden bieten nach den Medienberichten einen seltenen Einblick in die Umerziehungslager und die Behandlung von Uiguren und anderen Minderheiten sowie die harte Linie der chinesischen Führung.
Über die "Xinjiang Police Files" berichtete am Dienstag ein internationaler Medienverbund, an dem unter anderen das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", der Bayerische Rundfunk, die britische BBC, USA Today und die Zeitung "Le Monde" beteiligt sind.
Die Uiguren stellen mit rund zwölf Millionen Menschen etwa die Hälfte der Einwohner Xinjiangs. Recherchen zufolge haben Chinas Behörden mehr als eine Million Uiguren und andere meist muslimische Minderheiten in Gefangenenlagern interniert.
Die Informationen widersprechen den offiziellen chinesischen Äußerungen, dass es sich bei den Lagern um "Fortbildungseinrichtungen" handele, die "freiwillig" besucht würden. Das Datenmaterial war den Berichten zufolge dem Forscher Adrian Zenz zugespielt worden, der an der Washingtoner "Victims of Communism Memorial Foundation" arbeitet und schon früher mit anderen Veröffentlichungen die Verfolgung in Xinjiang dokumentiert hat.
Die kommunistische Führung in Peking hat seit Jahren Religion, Kultur und Sprache der Uiguren im Visier. Die Regierung rechtfertigt das harte Vorgehen damit, "Terrorismus ausmerzen" und die Wirtschaft der armen Region ankurbeln zu wollen.
Die USA bezichtigen China des Völkermords an den Uiguren und haben Sanktionen verhängt. Peking weist die Vorwürfe von sich und nennt sie die "Lüge des Jahrhunderts".
Ehemalige Häftlinge berichten jedoch von Vergewaltigungen, Folter und politischer Indoktrinierung. Wachleute kontrollieren die Lager mithilfe von Tränengas, Elektroschockpistolen und mit Nägeln versehenen Knüppeln, wie aus Regierungsdokumenten hervorgeht, welche die Nachrichtenagentur AFP bereits im Jahr 2018 einsehen konnte. Demnach werden zudem Stacheldraht und Infrarotkameras eingesetzt.
Eine Reihe von durchgesickerten Regierungsdaten gewährten in den vergangenen Jahren Einsichten in Pekings Internierungsstrategie. So führt etwa ein von David Tobin von der Sheffield University erlangtes Handbuch für Regierungsmitarbeiter in der Region aus dem Jahr 2016 detailliert Verhörmethoden auf.
China wird zudem vorgeworfen mit seinen "Arbeitstransfer"-Programmen Uiguren für die Herstellung von Exportartikeln, insbesondere Textilien, auszunutzen. Peking behauptet, die Initiativen würden mit gut bezahlten Jobs für die ländliche Bevölkerung helfen, die Armut zu bekämpfen.
Recherchen deuten jedoch darauf hin, dass die Behörden im Zusammenhang mit den Internierungslagern zehntausende Menschen systematisch zur Arbeit auf Feldern und in Fabriken genötigt haben. Laut einem Bericht des Australischen Instituts für Strategische Studien (ASPI) aus dem Jahr 2020 ist Zwangsarbeit bereits in Schlüsselindustrien wie Autobau, Smartphone- und Solarzellenproduktion angekommen. Darunter seien auch bekannte Weltmarken.
Zu Pekings Strategie in Xinjiang gehören nach Angaben von Wissenschaftlern und Menschenrechtsanwälten auch harte Zwangsmaßnahmen zur Geburtenkontrolle. Demnach wird seit 2017 mit Sterilisierungen und dem Einsetzen von Spiralen versucht, die Geburtenrate ethnischer Minderheiten drastisch zu reduzieren. China hingegen führt den Rückgang der Geburten auf die wirtschaftliche Entwicklung und die Veränderung sozialer Werte in der Region zurück.
In einigen Fällen ist Pekings Vorgehen in Xinjiang deutlich sichtbar. Laut ASPI wurden infolge von Regierungsmaßnahmen seit 2017 rund 16.000 und damit etwa zwei Drittel aller Moscheen in der Region zerstört oder beschädigt. Bei einer Reise in die Region im Jahr 2019 besuchten AFP-Reporter mehrere heilige Stätten, die abgerissen oder umfunktioniert worden waren. Städte waren übersät von Kameras und Kontrollpunkten der Polizei.
Uiguren sagen zudem, dass sie staatlichem Druck ausgesetzt sind, ihre eigene Sprache nicht zu sprechen und ihre Religionsausübung aufzugeben. Dazu gehört etwa das Beten oder das Tragen langer Bärte.
(fw,afp,dpa)