Seit dem Sturz von Dauer-Diktator Muammar al-Gaddafi herrscht in Libyen Bürgerkrieg. Nun sollen die Waffen endlich schweigen – aber die Gespräche über eine dauerhafte Waffenruhe in Moskau scheiterten am Dienstag. Jetzt liegt die Hoffnung auf der Libyen-Konferenz in Berlin am Sonntag.
Wir erklären euch, was die Hintergründe sind, warum der Gipfel in Berlin stattfindet und welche Bedeutung er für Deutschland hat.
Am Sonntag wird in Berlin verhandelt. Die Bundeskanzlerin und Außenminister Heiko Maas haben eingeladen und der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, der französische Präsident Emmanuel Macron und der russische Präsident Wladimir Putin nehmen teil. Auch US-Außenminister Mike Pompeo wird vor Ort sein, zudem sollen weitere Vertreter aus den USA und China anreisen. Es ist eine hochprominente Runde, die über die Zukunft Libyens beraten soll.
Natürlich sind auch Vertreter aus Libyen eingeladen. Es wird erwartet, dass sowohl der Premierminister Fayiz al-Sarradsch, als auch sein Gegenspieler, General Chalifa Haftar, an dem Treffen teilnehmen.
Die Lage in dem nordafrikanischen Land ist seit der Absetzung al-Gaddafis 2011 kompliziert. Dort tobt seit 2014 ein Bürgerkrieg, der zwischen der international anerkannten Regierung in Tripolis und den Truppen General Haftars geführt wird. Haftar gilt als eigentlicher Machthaber in Libyen. Seine Truppen halten an die 80 Prozent des Landes besetzt.
Zwischen Beiden soll nun vermittelt werden, um einen Frieden in Libyen zu erreichen. Die Deutsche Presse-Agentur berichtete am Samstag von einem UN-Papier, das eine permanente Feuerpause und eine konsequente Umsetzung des Waffenembargos fordert. Ein Vertreter der Vereinten Nationen sagte in einem Interview der arabisch-sprachigen Zeitung "Al-Sharq al-Awsat" zudem, die Organisation fordere "den Abzug aller ausländischen Kämpfer, gleich welcher Nationalität".
In Libyen herrscht ein chaotischer Bürgerkrieg: Die beiden Kriegsparteien haben zahlreiche internationale Unterstützer. Frankreich unterstützt inoffiziell General Haftar und liefert Waffen. Dahinter stecken wirtschaftliche Interessen, denn der französische Erdöl-Konzern Total hat es auf die Erdöl-Reserven des Landes abgesehen. Russland, genauso wie Saudi-Arabien, unterstützt ebenfalls General Haftar. Wie ein jüngster Bericht nahelegt, hat Russland sogar Söldner vor Ort, die aktiv an den Kämpfen teilnehmen.
Die Türkei wiederum liefert Waffen und Ausbilder an die Regierungstruppen von Premierminister Fayiz al-Sarradsch. Die USA unterstützt sogar abwechselnd beide Seiten. Ein ziemliches Kuddelmuddel: Fast jede größere einflussreiche Nation hat ihre Finger im Spiel bei diesem Konflikt. Deutschland aber engagiert sich nicht aktiv in dem Bürgerkriegsland. Das ermöglicht, dass Deutschland zwischen den vielen Interessengruppen neutral vermitteln kann.
Am Donnerstag kassierte Sigmar Gabriel einen ordentlichen Shitstorm, weil er twitterte, dass Deutschland keine koloniale Vergangenheit habe. Das ist natürlich Quatsch: Deutschland hatte bis 1918 Kolonien in Afrika und Asien. Aber was stimmt, ist, dass Deutschland im Gegensatz zu fast allen anderen Nationen des UN-Sicherheitsrates und der Türkei nicht direkt im Konflikt involviert ist. Ein guter Grund dafür, eine Konferenz in Deutschland unter neutraler Führung durch die Bundeskanzlerin abzuhalten.
Libyen ist eines der Länder, von dem aus fliehende Menschen aus Afrika die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer nach Europa wagen. Der ehemalige libysche Diktator Muammar al-Gaddafi wurde von der EU dafür bezahlt, die Flüchtlinge von den EU-Außengrenzen fernzuhalten. Etwas ähnliches hat man sich auch von der Nachfolgeregierung erhofft. Allerdings fließt das Geld, das die EU den Milizen in Libyen zahlt, um die Boote mit Migranten vor der Küste Libyens zu stoppen, oft in dunkle Kanäle und fördert so die Fortsetzung des Bürgerkrieges. Und der Konflikt treibt noch mehr Menschen in die Boote. Ein Teufelskreis. Ein friedliches Libyen könnte, so die Hoffnung vieler Politiker, die Zahl der Fliehenden auf dem Mittelmeer reduzieren. Weniger Menschen hätten einen Fluchtgrund (den Krieg) und außerdem könnten die Grenzen besser überwacht werden.
Außerdem haben Angela Merkel und Heiko Maas gerade genug innenpolitischen Ärger mit schlechten Umfragewerten für die unbeliebte Regierungskoalition und innerparteilichen Streitigkeiten in SPD und CDU. Ein außenpolitischer Erfolg könnte auch innenpolitisch ihre Macht festigen. Insbesondere Heiko Maas hat in Umfragen für einen Außenminister eine erstaunlich niedrige Beliebtheit. Ihm fehlt bisher ein außenpolitischer Erfolg, der ihn als fähigen Politiker bestätigt. Beide könnten von einem diplomatischen Erfolg profitieren.
Und: Libyen ist traditionell ein wichtiger Öllieferant der Europäischen Union. Auch deswegen hat die EU, und Deutschland, ein Interesse an einem möglichst stabilen Staat.
(pcl/lw)