Nachdem sich der Moderator in der vergangenen Woche lässig mit 5-Tage-Bart und eher nachlässig im Nachfragen gezeigt hat, ist Frank Plasberg in der zweiten Sendung nach der Sommerpause nun wieder glattrasiert. Diesmal heißt das Thema "Wahlkampf mit allen Mitteln – zerbricht Amerika an Donald Trump?" In seiner Anmoderation regt Plasberg an, dass wir alle "vielleicht mehr wissbegierig als verachtend" nachfragen sollten angesichts dessen, dass anfangs niemand an eine Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten geglaubt haben. Und nun werde er möglicherweise bald wiedergewählt. "Unsere Weisheiten bröseln dahin", bilanziert der Moderator. Es diskutieren:
Nach deutschen Talkshowmaßstäben ist er mit seinen politischen Überzeugungen ein Exot: der amerikanische Unternehmer George Weinberg, der auch Sprecher der "Republicans Overseas Germany" ist. Bei Frank Plasberg sitzt der treue Republikaner ganz links im Studio hinter seinem Pult. Seine Einschätzung: Trump ist ein "sehr erfolgreicher Präsident, weil er sehr viel für Amerika gemacht hat". Als Schulnote gibt Weinberg ihm eine 1.
Weinberg ist ein republikanischer Fanboy. Corona nennt er wie Trump "Chinese Virus", was Plasberg auch gleich anmerkt. Ob er es anders nennen solle, fragt Weinberg zurück. Er könne es auch "Wuhan-Virus" nennen. "Sie dürfen es nennen, wie sie wollen, das ist das Schöne an der Demokratie", antwortet Plasberg. Damit ist der Ton gesetzt.
Plasberg will den überzeugten Republikaner knacken, ihn dazu verleiten, dass er sich einmal nicht komplett hinter seinen Präsidenten und dessen nachgewiesene Lügen und Dummheiten stellt. Der Moderator führt das Beispiel an, dass Trump vor Kameras überlegt habe, ob man nicht einfach Desinfektionsmittel spritzen könne gegen Corona. Und Weinberg erklärt, dass Trump das als Frage gemeint und "damit gespielt" habe und schon reißt Plasberg der Geduldsfaden. "Sie sind ein intelligenter Mann. Warum leugnen sie das vor sich selbst?", fragt Plasberg lächelnd, aber die Provokation perlt ab.
Die Unruhen nach dem gewaltsamen Tode des des Afroamerikaners George Floyd – nicht auch ein bisschen Trumps Schuld?
Aber: "Der Tod von George Floyd ist nicht verzeihbar, das ist schrecklich", sagt Weinberg immerhin und führt dann an, dass unter Trump so wenige Afroamerikaner ohne Arbeit seien wie nie zuvor. So geht es immer hin und her. Weinberg ziert sich auch nicht, die Lügenpresse-Keule light rauszuholen. "Journalisten sind nicht objektiv, sie machen Politik." Natürlich gegen Trump. Damit meine er auch ARD und ZDF, sagt er in Richtung des Bildschirms mit Christiane Meier, die Leiterin des ARD-Studios New York ist zugeschaltet. Sie hatte bei Weinbergs Ausführungen schon früh "Quatsch" reingerufen, wovon der sich aber nicht abhalten ließ. Nun kontert sie. Trump habe die ganze Partei "unterworfen“. "Und wie immer wenn Donald Trump angegriffen wird, kommt eine geschlossene Verteidigungslinie."
Und an dieser Linie beißt sich Plasberg die Zähne aus. "Glauben sie mir, sie sind gleich wieder dran", "Schön, dass sie mir das erläutern, aber beantworten sie meine Frage", "Amerika hat einen Mann auf den Mond geschickt – warum ist Briefwahl so schwer?", "Lassen sie das doch weg und beantworten sie die Frage", "Huhu, Herr Weinberg", "Wir müssen nicht über jedes Stöckchen springen, was uns hingehalten wird" – der Moderator attackiert und unterbricht den Unternehmer deutlich entschiedener, öfter und aggressiver als er es bei seinen anderen Gästen macht.
Am Ende verlässt Frank Plasberg sogar seinen Platz am Pult und schreitet auf den Amerikaner zu. Der antwortet immer ruhig und unbeirrt, lässt sich nur durch hartnäckigste Interventionen unterbrechen.
Erst als Plasberg – direkt vor ihm stehend – mit der Moralkeule kommt und sehr persönlich fragt, wie man denn seine Kinder und Enkelkinder zur Wahrheit erziehen könne, wenn man Trump als Präsidenten unterstützt, verweigert er die Antwort. "Das ist eine Suggestivfrage, die kann ich nicht seriös beantworten."
Dann legt Weinberg doch nochmal nach: "Das ist eine provokative Frage. Trump hat Kinder. Er ist ein sehr guter Vater und er ist von 63 Millionen Amerikanern gewählt worden. Also tun Sie nicht so, als ob er Adolf Hitler wäre." Ein Vergleich, den sich wiederum Plasberg verbietet, Hitler sei ein einzigartiger Fall in der Geschichte gewesen, niemand mache einen solchen Vergleich.
Die anderen Gäste geraten da schnell in den Hintergrund. Die amerikanische Stand-Up-Comedienne Tamika Campell sagt, dass sie sich bei Trump und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden um "Pest oder Cholera" handele. "Aber gegen Biden hat man eine Impfung." Vermutlich meint sie, dass Biden sich irgendwie normaler innerhalb menschlicher Maßstäbe verhalte. Richtig klar wird das nicht.
"Trump fördert Arschlöchigkeit und schlechtes Benehmen", sagt sie und schickt im Laufe der Sendung noch einige Schimpfwörter und seltsame Redebeiträge hinterher. Zufriedengestellt hat sie schon lange kein Präsident mehr. "Obama war kein guter Präsident, er war eine Marionette und er war noch nicht mal richtig dunkel", sagt sie. Ob das nicht rassistisch sei, fragt Plasberg nach. "Ja das ist rassistisch", antwortet sie. "Amerika wurde auf Rassismus gebaut." In Deutschland erlebe sie nicht so viel Rassismus wie in den USA.
Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, macht sich Sorgen, dass Trump bei einer zweiten Amtszeit noch skrupelloser sein könne, weil er sich keine Sorge mehr um die ausgeschlossene Wiederwahl machen müsse. "Dann gibt es keine Hemmungen mehr." Der Journalist Ansgar Graw findet: "Trump ist ein Lügner, der lügt so normal wie wir atmen." Und wenn er jetzt schon sagt, dass er nur durch Wahlfälschung verlieren könne? "Da spricht sein Ego, das Angst hat zu verlieren und darum muss ich jetzt anfangen, das zu erklären."
Eingeladen ist noch Frank Kracht, Bürgermeister von Sassnitz, auf Rügen, der wegen der Gas-Pipeline Nord Stream 2 eine Art Drohbrief der drei amerikanischen Senatoren Ted Cruz, Tom Cotton und Ron Johnson bekommen hat. Sein angebliches Vergehen: Dass im Sassnitzer Fährhafen ab und an russische Schiffe vor Anker liegen, die mit dem Bau der umstrittenen Ostsee-Pipeline zu tun haben. Der parteilose Bürgermeister gibt sich relativ unbeeindruckt. Aber Trump-Anhänger Weinberg nutzt die Gelegenheit, um gönnerhaft zu beschwichtigen: "Ich wollte mich bei ihnen entschuldigen, es tut mir leid, dass sie diesen Brief bekommen haben. Der Brief war ok, nur der Adressat war falsch." Praktischerweise hat ihn der Bürgermeister an die richtige Adresse weitergeleitet. "Der Vorgang liegt im Auswärtigen Amt", sagt er trocken.
Zum Abschluss fragt Frank Plasberg George Weinberg, wie er sich denn im öffentlich-rechtlichen Fernsehen aufgehoben fühlte. Er habe es ja zu Anfang stark kritisiert. "Ich finde die Sendung sehr gut, weil sie mich eingeladen haben – mutig, dafür danke ich ihnen", antwortet der Amerikaner freundlich lächelnd.
An dieser Unbeirrtheit hat sich Frank Plasberg trotz allen Einsatzes 75 Minuten ziemlich erfolglos abgearbeitet.