Cannabis werden zahlreiche Eigenschaften zugeschrieben. Unter anderem soll es entspannend wirken, die Stimmung aufheitern und Schmerzen lindern. In Deutschland wird noch in diesem Monat über die Cannabisfreigabe abgestimmt, vermutlich ab 2024 dürften dann der Eigenanbau erlaubt sein, der Konsum ebenso. Ein Paradigmenwechsel in der deutschen, aber auch in der europäischen Drogenpolitik. Weitere Schritte sollen folgen.
In der Ukraine ist die Debatte von der Freigabe der berauschenden Pflanze noch an einem ganz anderen Punkt. Statt um den Konsum zu Genusszwecken geht es hier aktuell noch um medizinisches Cannabis.
Und dieser Schritt hat einen traurigen Grund. Bereits im Juni sagte laut "Bloomberg" Präsident Wolodymyr Selenskyj dazu: "Damit unsere Bürger die Schmerzen, den Stress und das Trauma des Krieges ertragen können, müssen wir endlich die Behandlung mit medizinischem Cannabis für alle, die es brauchen, legalisieren." Schon im November könnte der Gesetzentwurf wohl durchs Parlament gehen.
Der Grund für den Vorstoß sind die zahlreichen traumatisierten und verletzten Soldat:innen. Geplant ist darin laut "Bloomberg", dass Ukrainer:innen mit einem ärztlichen Rezept sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes Marihuana kaufen dürfen. Der Freizeitkonsum soll nicht erlaubt sein, und die Produktion wird von der Regierung streng kontrolliert werden.
Wahrscheinlich werde ein großer Prozentsatz der Nutzer:innen aus Kriegsveteranen bestehen. "Bloomberg" verweist auf Angaben des Newsportals RBC-Ukraine, wonach sich laut Schätzungen der Ministerin für Veteranenangelegenheiten die Zahl der kämpfenden Ukrainer:innen auf vier Millionen belaufen dürfte. Das würde bedeuten, dass zehn Prozent der Bevölkerung zu irgendeinem Zeitpunkt an dem Krieg beteiligt sein werden.
Die ukrainische Politikerin Olga Stefanyshyna, die auch Mitglied im Gesundheitsausschuss ist, erklärte zu den Plänen in einem Interview, der Gesetzentwurf komme in einer "aktiven Phase des Krieges." Und er sei "besonders wichtig, um die Schmerzen von Kampfverletzungen zu lindern und die psychologische Situation in einer Zeit zu verbessern, in der viele Ukrainer unter Stress stehen".
Inwiefern sich Cannabis tatsächlich zur Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen eignet, darüber sind sich Studien laut "Bloomberg" bislang uneins. So legten einige Studien auch nahe, dass Gras traumatische Emotionen nur vorübergehend betäuben kann und dass es negative Nebenwirkungen haben könnte.
Bei einer ersten Abstimmung im Sommer gab es für einen Gesetz-Vorentwurf nur eine knappe Mehrheit. Die Partei von Wolodymyr Selenskyj stellt sich allerdings hinter den Vorstoß des Präsidenten – somit dürfte das Gesetz die notwendige Mehrheit erhalten.