Kritisch betastet eine Frau in einem langen dunkelvioletten Gewand die Pfirsiche. "Zwei Kilo" bestellt sie beim Händler. Andere Besucher auf dem Dappermarkt im Osten Amsterdams werfen der Frau neugierige Blicke zu, denn ihr Gesicht ist hinter einem dunklen Schleier verborgen. Die Blicke machten ihr nichts aus, sagt die Frau, die ihren Namen lieber nicht nennen will. "Ich trage den Nikab aus Respekt vor Allah."
Von diesem Donnerstag an könnte sich für diese Niederländerin viel ändern. Seitdem gilt in den Niederlanden ein Verschleierungsverbot.
"Schrecklich", sagt die Frau, "aber den Schleier werde ich nicht ablegen."
Das "teilweise Verbot gesichtsbedeckender Kleidung" heißt im Volksmund nur kurz Burkaverbot. In öffentlichen Gebäuden wie Ämtern, Gerichten, Schulen, Krankenhäusern oder Bussen und Bahnen muss jeder dann sein Gesicht zeigen. Das Verbot gilt auch für Integralhelme oder Sturmhauben.
Längst gibt es in anderen europäischen Ländern vergleichbare Verbote. Frankreich führte 2011 als erstes europäisches Land ein Vollverschleierungsverbot ein, Belgien folgte. Auch in Österreich und Dänemark sind die islamischen Burkas und Nikabs untersagt. In Deutschland dagegen gibt es bislang nur vereinzelt und beschränkte Verbote zum Beispiel für den öffentlichen Dienst in Hessen.
In den Niederlanden war die Religionsfreiheit lange für viele Parteien das Hauptargument gegen ein Vollverschleierungsverbot. Auf der anderen Seite wollten sie aber auch ein Zeichen setzen für die offene Gesellschaft und gegen die Unterdrückung der Frau.
Schließlich fand die Mitte-Rechts-Koalition einen typisch
niederländischen Kompromiss. Kein Total-Verbot, wie es der
Rechtsaußen Wilders wollte, sondern nur ein Verbot in öffentlichen
Gebäuden. Also dort, wo der Staat mit den Bürgern kommuniziert. Mit
Religionsfreiheit habe das nichts zu tun, sagte
Ministerpräsident Mark Rutte:
Die meisten Niederländer sind Umfragen zufolge zwar für ein Verbot. Doch viele bezweifeln auch, dass es etwas bringt und sehen es als reine Symbolpolitik.
Wenn sie nun in den Bus steigen oder ein Krankenhaus besuchen, werden sie aufgefordert, Schleier oder Burka abzunehmen. Bei Weigerung droht eine Geldstrafe von mindestens 150 Euro. Theoretisch. Denn schon jetzt haben viele Instanzen angekündigt, nicht durchzugreifen.
Das sagte etwa die Bürgermeisterin der Hauptstadt, Femke Halsema. Die ohnehin geringe Kapazität der Polizei solle eher zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens eingesetzt werden, sagte die Grünen-Politikerin.
Die Regierung in Den Haag schäumte vor Wut. "Gesetze gelten auch für Amsterdam", erklärte das Innenministerium. Doch die Hauptstadt ist keine Ausnahme. Auch andere Großstädte murren und wollen nichts tun.
Sogar die Polizei ist unwillig und teilt mit: Verschleierte Frauen könnten auch telefonisch oder online Anzeige erstatten. Denn auf die Wache dürfen sie ab Donnerstag nicht mehr mit Nikab. Krankenhäuser kündigten an, dass sie jedem helfen würden - wie gehabt. Auch die niederländische Bahn und öffentliche Nahverkehrsbetriebe wollen verschleierte Passagiere dulden. "Wir stoppen keine Straßenbahn oder Metro wegen einer Burka", sagte Pedro Peeters, der Vorsitzende der Nahverkehrsbetriebe dem "NRC Handelsblad".
Und sollten Ordnungshüter doch durchgreifen, kündigte die lokale muslimische Partei NIDA in Den Haag bereits an, die Strafe zu bezahlen.
(mbi/ dpa)