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Annette Birschel
Erbittert stritten die Niederländer um das Verbot der Vollverschleierung. Nun sind Burkas und Schleier in Ämtern, Krankenhäusern und Nahverkehr untersagt. Doch was bringt es? Selbst die Polizei will nicht durchgreifen.
Kritisch betastet eine Frau in einem langen
dunkelvioletten Gewand die Pfirsiche. "Zwei Kilo" bestellt sie beim
Händler. Andere Besucher auf dem Dappermarkt im Osten Amsterdams
werfen der Frau neugierige Blicke zu, denn ihr Gesicht ist hinter
einem dunklen Schleier verborgen. Die Blicke machten ihr nichts aus,
sagt die Frau, die ihren Namen lieber nicht nennen will. "Ich trage
den Nikab aus Respekt vor Allah."
Von diesem Donnerstag an könnte sich für diese Niederländerin viel
ändern. Seitdem gilt in den Niederlanden ein Verschleierungsverbot.
Über den Markt darf sie dann zwar noch laufen, aber zum Beispiel nicht mehr mit dem Bus fahren
"Schrecklich", sagt die Frau, "aber den
Schleier werde ich nicht ablegen."
Das "teilweise Verbot gesichtsbedeckender Kleidung" heißt im
Volksmund nur kurz Burkaverbot. In öffentlichen Gebäuden wie Ämtern,
Gerichten, Schulen, Krankenhäusern oder Bussen und Bahnen muss jeder
dann sein Gesicht zeigen. Das Verbot gilt auch für Integralhelme
oder Sturmhauben.
Der ewige Streit um das Burkaverbot
- Vor rund 14 Jahren begann in den Niederlanden der Streit um die Burka. 2005 hatte der Rechtspopulist Geert Wilders seinen ersten Erfolg im Parlament, als überraschend eine Mehrheit der Abgeordneten seinem Antrag für ein totales Burkaverbot zustimmte.
- Doch es vergingen Jahre, bis die Regierung tatsächlich einen Gesetzentwurf vorlegte. Der Staatsrat hatte noch 2015 in einem Rechtsgutachten dringend davon abgeraten. Das höchste Beratungsorgan der Regierung sah "keine dringende Notwendigkeit, die eine Einschränkung der Religionsfreiheit rechtfertigen könnte".
- Im vergangenen Jahr nahm das Gesetz dann aber doch die letzte parlamentarische Hürde.
Längst gibt es in anderen europäischen Ländern vergleichbare Verbote.
Frankreich führte 2011 als erstes europäisches Land ein
Vollverschleierungsverbot ein, Belgien folgte. Auch in Österreich und
Dänemark sind die islamischen Burkas und Nikabs untersagt. In
Deutschland dagegen gibt es bislang nur vereinzelt und beschränkte
Verbote zum Beispiel für den öffentlichen Dienst in Hessen.
In den Niederlanden war die Religionsfreiheit lange für viele
Parteien das Hauptargument gegen ein Vollverschleierungsverbot. Auf
der anderen Seite wollten sie aber auch ein Zeichen setzen für die
offene Gesellschaft und gegen die Unterdrückung der Frau.
Der Burka-"Kompromiss"
Schließlich fand die Mitte-Rechts-Koalition einen typisch
niederländischen Kompromiss. Kein Total-Verbot, wie es der
Rechtsaußen Wilders wollte, sondern nur ein Verbot in öffentlichen
Gebäuden. Also dort, wo der Staat mit den Bürgern kommuniziert. Mit
Religionsfreiheit habe das nichts zu tun, sagte
Ministerpräsident Mark Rutte:
"In diesem Land kommunizieren wir offen miteinander, wir schauen uns direkt ins Gesicht."
Die meisten Niederländer sind Umfragen zufolge zwar für ein Verbot.
Doch viele bezweifeln auch, dass es etwas bringt und sehen es als
reine Symbolpolitik.
- Im gesamten Land mit gut 17 Millionen Einwohnern gibt es nämlich nur schätzungsweise 150 Frauen, die regelmäßig eine Burka oder einen Nikab tragen.
- Zusätzlich soll es noch rund 250 geben, die ab und zu ihr Gesicht bedecken.
Wenn sie nun in den Bus steigen oder ein Krankenhaus besuchen, werden
sie aufgefordert, Schleier oder Burka abzunehmen. Bei Weigerung droht
eine Geldstrafe von mindestens 150 Euro. Theoretisch. Denn schon
jetzt haben viele Instanzen angekündigt, nicht durchzugreifen.
"Das Verbot hat in Amsterdam keine Priorität"
Das sagte etwa die
Bürgermeisterin der Hauptstadt, Femke Halsema. Die ohnehin geringe
Kapazität der Polizei solle eher zur Bekämpfung des organisierten
Verbrechens eingesetzt werden, sagte die Grünen-Politikerin.
Die Regierung in Den Haag schäumte vor Wut. "Gesetze gelten auch für
Amsterdam", erklärte das Innenministerium. Doch die Hauptstadt ist
keine Ausnahme. Auch andere Großstädte murren und wollen nichts tun.
Sogar die Polizei ist unwillig und teilt mit: Verschleierte Frauen
könnten auch telefonisch oder online Anzeige erstatten. Denn auf die
Wache dürfen sie ab Donnerstag nicht mehr mit Nikab. Krankenhäuser
kündigten an, dass sie jedem helfen würden - wie gehabt. Auch die
niederländische Bahn und öffentliche Nahverkehrsbetriebe wollen
verschleierte Passagiere dulden. "Wir stoppen keine Straßenbahn
oder Metro wegen einer Burka", sagte Pedro Peeters, der Vorsitzende
der Nahverkehrsbetriebe dem "NRC Handelsblad".
Und sollten Ordnungshüter doch durchgreifen, kündigte die lokale
muslimische Partei NIDA in Den Haag bereits an, die Strafe zu
bezahlen.
(mbi/ dpa)
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