Dass sich die Ukraine derart erfolgreich zur Wehr setzt, hätte sich Kreml-Machthaber Wladimir Putin vor Kriegsbeginn wohl nicht so vorgestellt. Eigentlich hatte Russland einen Blitzsieg in der Ukraine geplant. Doch nun herrscht bereits seit fast zwei Jahren Krieg, seit Monaten ohne nennenswerte Fortschritte. Und auf beiden Seiten sind die Verluste hoch.
Dass Putin so viele Soldaten verliert und Probleme hat, genügend neue zu rekrutieren, liegt unter anderem an der "Fleischwolf-Taktik". Dabei handelt es sich um eine menschenverachtende Art der Kriegsführung, in der auf menschliche Wellen-Angriffe gesetzt wird. Allerdings machen hierbei einige Soldaten an der Front nicht mehr einfach so mit. Offenbar gibt es Probleme innerhalb der Armee, wie neueste Berichte zeigen.
Grausam waren und sind die Kriegsentscheidungen vor allem am Fluss Dnipro. Dort haben sich einige Hundert ukrainische Streitkräfte auf eigentlich russisch besetzter Flussseite Stellung bezogen. Zwar setzt Russland alles daran, die ukrainischen Truppen von dort zu vertreiben, doch dieses Vorhaben blieb bisher offenbar ohne Erfolg.
Nun mehren sich die Hinweise darauf, dass dort die russische Seite so viele Verluste erlitten hat, dass sich die Soldaten teilweise verweigern. Wie "Kyiv Post" unter Berufung auf russische und ukrainische Quellen berichtet, seien aus diesem Grund die russischen Angriffe dort "praktisch zum Erliegen gekommen".
Zudem berichtet die unabhängige Nachrichtenagentur Unian von einer Änderung des Einsatzes von Panzern in dem Sektor. Sie greifen damit nicht mehr die ukrainischen Stellungen an, sondern benutzen die Putin-Panzer als Abschleppwagen für die liegengebliebenen Kampffahrzeuge. Auch die Agentur bezeichnet dies als Zeichen für "die Intensität der russischen Verluste".
Die Hinweise verdichten sich, dass die Putin-Soldaten sich an einigen Stellen weigern, die ukrainischen Stellungen mit den besagten Wellenangriffen zu attackieren. Oft mussten für diese unmenschliche Angriffstaktik "Storm Z"-Einheiten herhalten. Das sind Soldaten, die als minderwertig angesehen werden, also ältere Reservisten oder Schwerverbrecher, die in den Krieg geschickt wurden. Doch der Nachschub ist offenbar nicht ausreichend, wie es in mehreren Berichten heißt.
Aus diesem Grund seien in der Region mittlerweile mehr russische Marineeinheiten und Fallschirmjäger im Einsatz. Da sich diese laut der Pressesprecherin des gemeinsamen Kommandos Süd der ukrainischen Streitkräfte (AFU) als Elitetruppen sehen, weigern sie sich, "solche Frontalangriffe" durchzuführen. Zudem sagte die Pressesprecherin der "Kyiv Post", dass bisher die russischen Bodenangriffe mehr als 50 Prozent Russland-Verluste bedeutet habe. Unabhängig überprüfbar sind diese Angaben jedoch nicht.
Dass Russland Probleme mit der Nachbesetzung von Soldaten, insbesondere der "Storm Z"-Einheiten hat, ist nicht neu. Mehrere Berichte zeigten diese Entwicklung in den vergangenen Wochen. Offenbar reichen hier die versprochene Straffreiheit für Sträflinge oder eine gute Vergütung nicht mehr aus.
Wie die "Bild" unter Berufung auf eine russische Nichtregierungsorganisation berichtete, greift Putin hierfür zu drastischen Mitteln. Die NGO kümmert sich um die Insassen und kritisiere, dass in russischen Gefängnissen teilweise die Heizungen ausgestellt worden sein sollen. Das Ziel: Um den dort Einsitzenden den Aufenthalt so unmenschlich wie möglich zu machen. Die Hoffnung des Kreml-Machthabers ist hier wohl, sie dazu zu bewegen, dass sie sich für die Front melden.