Nicht nur hier in Baden-Württemberg wird geimpft. Doch obwohl es auch hierzulande Kritik gab: Nicht überall in der EU ging es so schnell wie in Deutschland.Bild: dpa / Felix K
International
10.01.2021, 10:5710.01.2021, 14:37
Die Impfkampagne ist in Deutschland eher schleppend angelaufen. Auf der einen Seite herrscht Zurückhaltung, gleichzeitig wird sich über zu wenig Impfstoff beklagt.
Die Bundesregierung und auch die EU-Kommission mussten sich viel Kritik anhören. Bislang bekamen über eine halbe Million Menschen in Deutschland ein Vakzin. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte, dass der Impfstoff über Wochen und Monate hinweg knapp sein werde - vor allem anfangs, da die Produktionskapazitäten noch begrenzt seien.
Ein Blick über die Grenze zeigt: In anderen Staaten sieht es ähnlich aus. Ein EU-Land hat sogar erst am Mittwoch mit dem Impfen angefangen.
Großbritannien
Die Briten haben beim Impfen im Vergleich zur EU bislang die Nase vorn: Das Vakzin von Biontech und Pfizer war schon Anfang Dezember per Notfallzulassung freigegeben worden. Am 8. Dezember wurde die erste Britin geimpft. Seit Anfang Januar steht mit dem heimischen Vakzin der Universität Oxford und des Pharmakonzerns Astrazeneca ein weiteres Mittel bereit. Am vergangenen Freitag ließ die Regierung mit dem Impfstoff des US-Herstellers Moderna das dritte Präparat zu. Bislang sind nach Angaben der Regierung mehr als 1,5 Millionen Menschen gegen Corona geimpft worden. Das Tempo der Impfkampagne soll deutlich beschleunigt werden.
Frankreich
In der ersten Woche nach dem Impfstart am 27. Dezember gab es in Frankreich Medien zufolge nur einige Hundert Impfungen. Offizielle Zahlen suchte man zunächst vergebens. Französische Regionalpolitiker warfen der Regierung in Paris Versagen vor und fühlten sich nicht eingebunden. Frankreichs Impfkampagne sah vor, im Januar und Februar erst einmal ältere Menschen in Pflegeheimen und älteres Personal vor Ort zu impfen. Das sei logistisch schwierig, verteidigten die Behörden das schleppende Tempo. Nach massiver Kritik wurde der Personenkreis schließlich erweitert - zum Beispiel auch auf Menschen über 75 Jahre, die nicht in Heimen leben, sowie weiteres Gesundheitspersonal. Nun sollen außerdem Hunderte Impfzentren öffnen.
Italien
Auch Italien verabreichte am 27. Dezember die ersten lang ersehnten Impfdosen von Pfizer-Biontech. Nach dem Start wurde jedoch Kritik laut, dass die Impfungen zu langsam anliefen. Um den Jahreswechsel fehlten in einigen Regionen laut Medienberichten zudem Ärzte und Krankenhauspersonal, um die Impfungen zu verabreichen. In der Lombardei, die mit am härtesten von der Pandemie getroffen wurde, hatten die Ärzte bis Anfang dieser Woche nur etwa 14 Prozent der verfügbaren Impfungen gespritzt - im Gegensatz zu einem Großteil der anderen Regionen in dem Land mit rund 60 Millionen Einwohnern, die zu diesem Zeitpunkt schon fast die Hälfte ihrer erhaltenen Impfdosen verabreicht hatten. Die Kampagne nahm im neuen Jahr jedoch Fahrt auf. Insgesamt wurden nach Angaben vom Samstag von 918.500 gelieferten Impfdosen bisher 505.000 Einheiten an rund 290 Standorten gespritzt. Der Großteil ging an Mitarbeiter im Gesundheitswesen.
Spanien
Auch in Spanien sorgt der langsame Start der Corona-Impfkampagne für große Empörung. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums waren vom Impfstart am 27. Dezember bis Freitag nur gut 37 Prozent der erhaltenen Dosen verabreicht worden – rund 278.000 von insgesamt 743.925 Einheiten. Besonders schlecht stand die Region Madrid da: Dort waren bis Dienstagabend nur 14,5 Prozent der erhaltenen Dosen geimpft worden. Oppositionsführer Pablo Casado von der konservativen Volkspartei PP forderte den Rücktritt von Gesundheitsminister Salvador Illa. Dieser beteuerte, alles verlaufe nach Plan. Kritisiert wird unter anderem, dass an Wochenenden und Feiertagen überhaupt nicht geimpft werde.
Belgien
Nach einem einwöchigem Testlauf Ende Dezember hat Belgien in dieser Woche angekündigt, großflächig mit Impfungen gegen das Coronavirus beginnen zu wollen. Bis zum Spätsommer sollen laut Plan 70 Prozent der Bevölkerung geimpft werden, womit eine flächendeckende Immunität erreicht werden soll. Zunächst hatten nur rund 700 Freiwillige in einigen Pflegeheimen Impfschutz erhalten. Die Opposition kritisierte, Belgien hinke vor allem im Vergleich zu Deutschland bei den Impfungen hinterher.
Österreich
Nach den ersten Impfungen am 21. Dezember wurden bis
Anfang der Woche rund 6800 Menschen in Altenheimen geimpft – auch
bezogen auf die Einwohnerzahl ein Bruchteil der bisherigen deutschen
Bilanz. Nach massiver öffentlicher Kritik an der langsamen Umsetzung
wurde der großflächige Impfstart, der ursprünglich für den 12. Januar
geplant war, vorgezogen. Mengenmäßig wähnt sich das Land auf der sicheren Seite. Allein vom
Biontech/Pfizer-Impfstoff seien für Österreich mit knapp neun
Millionen Einwohnern 5,5 Millionen Dosen vorgesehen.
Schweiz
In einzelnen Kantonen der Schweiz begann der Impfstart
vor laufenden Kameras schon vor Weihnachten, obwohl da erst 100.000
Impfdosen von Biontech/Pfizer geliefert worden waren. Anfang Januar
kamen weitere 126.000 Impfdosen an – bei 8,5 Millionen Einwohnern
immer noch ein Tropfen auf den heißen Stein. Impftermine waren
innerhalb von Minuten ausgebucht, mangels Stoff blieben Impfzentren
zunächst weitgehend leer. Gegen die Regierung wurde wegen Fehlplanung
gewettert.
Nachzügler Niederlande
Als allerletztes Land der EU starteten die
Niederlande am vergangenen Mittwoch mit der Impfung. Doch erst ab dem
15. Januar sind tatsächlich auch alle 25 Impfzentren im ganzen Land
einsatzbereit. Dabei lagert seit Weihnachten der Impfstoff ungenutzt
in einer Halle – zuletzt waren es rund 280.000 Dosen. "Impfchaos" und
"totales Versagen" hatten Parlament und Öffentlichkeit der Regierung
vorgeworfen. Mediziner hatten am Ende selbst die Initiative
ergriffen, um Ärzte und Pfleger von Corona-Patienten zu impfen.
Premier Mark Rutte räumte Fehler ein. Die Behörden hätten sich früher
und besser auf Massenimpfungen vorbereiten müssen.
Wie die EU den Impfstart bewertet
Die EU-Kommission hat sich mehrfach gegen Kritik verteidigt.
Die EU-Staaten hätten sich gemeinsam auf eine Impfstrategie geeinigt
und beschlossen die Impfstoffe geschlossen zu ordern. "Ich bin der
tiefen Überzeugung, dass dieser europäische Weg richtig ist und ich
glaube, in der Rückschau wird sich das auch beweisen", sagte
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Massenimpfungen
seien eine "logistische Herausforderung". Es sei von vorneherein klar
gewesen, dass man nicht "auf einen Schlag" alle impfen könne. Die
Anzahl der Impfungen müsse jedoch "zügig" angehoben
werden.
(vdv/dpa)
Robert Habeck ist wohl eine der einprägsamsten Figuren der Politiklandschaft Deutschlands. Seit Dezember 2021 ist er Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz sowie Vizekanzler der Bundesrepublik. Als Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen hat er sich einen Namen als pragmatischer und kommunikationsstarker Politiker gemacht.