
Das Flüchtlingslager auf der Insel Lesbos aus der Luft betrachtet. Bild: AP / Panagiotis Balaskas
International
Seit Jahren kritisieren Hilfsorganisationen, Politiker und Inselbewohner die Lage im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Nun ist das Lager vom Feuer zerstört – und 12.000 Migranten über Nacht obdachlos.
09.09.2020, 17:4309.09.2020, 17:43
Das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel
Lesbos ist durch einen Großbrand in der Nacht zum Mittwoch nahezu
vollständig zerstört worden. Verletzt wurde nach vorläufigen Angaben
niemand. Die griechische Regierung geht von Brandstiftung aus. Moria
gilt mit derzeit etwa 12.600 Bewohnern als das größte
Flüchtlingslager Europas – diese Menschen sind nun obdachlos. An den
dortigen Zuständen gibt es seit Jahren massive Kritik.
Das griechische Staatsfernsehen, das mit einer Sondererlaubnis aus
dem Lager berichten durfte, zeigte Bilder von verkohlten
Containerwohnungen und verbrannten Zelten. Der Großbrand nahm in der
Nacht durch verschiedene kleinere Brandherde und starken Wind seinen
Lauf. Die Behörden begannen noch in der Nacht, Menschen aus dem Lager
zu bringen.
Im Namen der Europäischen Union versprach Innenkommissarin Ylva
Johansson versprach schnelle Hilfe. Sie sei in Kontakt mit den
lokalen Behörden, schrieb die schwedische Politikerin auf Twitter.
Dabei habe sie zugestimmt, den unverzüglichen Transfer und die
Unterbringung der verbleibenden 400 unbegleiteten Kinder und
Jugendlichen aufs Festland zu finanzieren. "Die Sicherheit und der
Schutz aller Menschen in Moria hat Priorität."
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mathias
Middelberg, sprach sich gegen eine rein deutsche Hilfsaktion aus.
"Die neueste Entwicklung auf Lesbos macht deutlich, wie dringend eine
europäische Antwort auf die Flüchtlingsentwicklung ist", sagte der
CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Alleingänge wären nicht
hilfreich, weil sie den Eindruck erweckten, Deutschland werde die
Flüchtlinge allein aufnehmen.
Wer trägt Schuld?
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl machte Bundesregierung und EU
für den Brand direkt verantwortlich. "Die Katastrophe von Moria ist
eine Folge der skandalösen und menschenverachtenden deutschen und
europäischen Politik", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt am
Mittwoch in Berlin. In dem Lager seien Tausende Menschen "psychisch
zermürbt" worden. Anstatt für faire Asylverfahren zu sorgen hätten
alle EU-Staaten bis zur jetzigen Katastrophe zugeschaut.
Dem Großbrand vorangegangen waren Unruhen unter den Migranten, weil
das Lager nach einem ersten Corona-Fall unter Quarantäne gestellt
worden war. Am Dienstag wurde bekannt, dass die Zahl der Infizierten
bei 35 liege. Manche Migranten hätten daraufhin das Lager verlassen
wollen, um sich nicht mit dem Virus anzustecken, berichtete die
halbstaatliche griechische Nachrichtenagentur ANA-MPA. Einige
Infizierte und ihre Kontaktpersonen, die isoliert werden sollten,
hätten sich hingegen geweigert, das Lager zu verlassen und in
Isolation gebracht zu werden.
Nach Ausbruch des Feuers hätten Lagerbewohner die Feuerwehrleute mit
Steinen beworfen und versucht, sie an den Löscharbeiten zu hindern,
berichtete der Einsatzleiter im Fernsehen. Sondereinheiten der
Bereitschaftspolizei waren im Einsatz - Athen hat nun weitere
Einheiten vom Festland auf die Insel geschickt. Videos in sozialen
Netzwerken zeigten herumirrende, verängstigte Menschen und auch
solche, die "Bye bye, Moria!" sangen.
Spannungen habe es in Moria immer gegeben, wegen der
Corona-Problematik sei die Situation nun regelrecht explodiert, sagte
der Bürgermeister der Gemeinde Mytilinis, Stratos Kytelis, dem
griechischen Staatssender ERT. Man wisse nicht, wo die Menschen nun
untergebracht werden sollten, Tausende seien obdachlos. Auch für die
Einheimischen sei die Situation eine enorme Belastung.
(lin/dpa)
"Bitches brauchen Gerechtigkeit" – spätestens mit dieser Forderung in ihrem Gastbeitrag für watson hat sich Jette Nietzard auf die politische Landkarte in Deutschland katapultiert. Seit Oktober 2024 ist sie Sprecherin der Grünen Jugend. Sie ist meinungsstark, dezidiert feministisch und nimmt allgemein kein Blatt vor den Mund.