Mehrere Palästinenser:innen wurden aus dem israelischen Gefängnis entlassen und sind wieder mit ihren Familien vereint.Bild: imago images / saeed qaq
International
01.12.2023, 13:2701.12.2023, 13:29
"Sie kamen mit ihren Hunden herein", sagt der Palästinenser Mohammed Nazzal. "Sie ließen die Hunde auf uns los und schlugen uns dann."
Mit dem brutalen Hamas-Überfall auf israelische Zivilist:innen veränderte sich laut ihm das Verhalten der Wärter in israelischen Gefängnissen. Die Gewalt nahm zu, wie der Teenager seine Zeit im israelischen Gefängnis beschreibt. Man habe ihn getreten und mit Stöcken geschlagen.
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Nun durfte der 18-Jährige im Zuge des Deals zwischen Israel und der Hamas nach Hause zurückkehren: israelische Geiseln gegen palästinensische Gefangene. Mohammed war einer derjenigen, die Israel diese Woche im Austausch gegen israelische Frauen und Kinder entließ.
BBC-Reporterin Lucy Williamson trifft sich mit ihm in seinem Haus in der Nähe von Dschenin im Norden des besetzten Westjordanlands. Bei Kaffee und Zigaretten wirft Mohammed Israel Gewalt gegen palästinensische Häftlinge vor.
Hände von Palästinenser gebrochen – Israel bestreitet alles
"Ich versuchte, meinen Kopf zu schützen, und sie versuchten, mir Beine und Hände zu brechen", erzählt er laut Williamsons Bericht. Die Familie zeige darauf medizinische Berichte und Röntgenbilder von palästinensischen Ärzten in Ramallah, die Mohammed nach seiner Freilassung untersuchten. BBC legte diese zwei britischen Ärzt:innen vor, sie bestätigten: Es seien Frakturen in beiden Händen zu erkennen.
Am Anfang hatte er große Schmerzen, sagt er. "Nach einer Weile wusste ich dann, dass sie kaputt waren, also habe ich sie nicht mehr benutzt. Ich benutzte sie nur noch, wenn ich auf die Toilette ging." Williamson beschreibt, dass Mohammeds Hände bei ihrem Besuch verbunden seien, so dick, dass er wie ein Boxer aussehe. Die Aufnahmen des Teenagers gehen auch auf Social Media viral.
Gebrochen oder nicht – Mohammeds Hände gehen auf Social Media viral.bild / screenshot x
Eine medizinische Behandlung habe er erst bei seiner Freilassung erhalten. Und zwar im Bus des Roten Kreuzes. In einem ärztlichen Bericht eines Krankenhauses in Ramallah vom Tag seiner Rückkehr nach Hause heißt es: Ihm müsse wohl eine Platte eingesetzt werden, falls seine Brüche nicht von allein heilen.
Auf die BBC-Anfrage an das Rote Kreuz, ob sie Mohammeds Geschichte bestätigen, heißt es:
"Wir sprechen direkt mit den Haftbehörden, wenn wir Bedenken hinsichtlich des medizinischen Zustands von Häftlingen haben. Aufgrund dieses Dialogs äußern wir uns nicht öffentlich zu einzelnen Fällen."
In israelischer Haft habe sich der Palästinenser nicht getraut, nach medizinischer Hilfe für seine Hände zu bitten – aus Angst vor mehr Schlägen. Andere Gefangene halfen ihm beim Essen und Trinken. Und auch beim Toilettengang, wie er erzählt.
Die israelische Strafvollzugsbehörde bestreitet allerdings Mohammeds Geschichte.
Video soll Mohammeds Geschichte widerlegen
Laut BBC erklärt sie, Mohammed sei vor seiner Entlassung von einem Arzt untersucht worden. Dieser stellte kein medizinisches Problem fest. Auch ein Video soll beweisen, dass die Hände des 18-Jährigen bei seiner Entlassung in Ordnung gewesen seien.
Die von der Gefängnisbehörde veröffentlichte Aufnahmen sollen zeigen, wie der Palästinenser das Gefängnis mit zwei vollkommen gesunden Armen verlässt und in den Bus des Roten Kreuzes steigt. Darauf brach eine hitzige Debatte aus. User:innen schreiben etwa, dass seine Hände größtenteils im Video gar nicht zu sehen seien. Und wenn, dann hängen sie schlapp neben seiner Hüfte.
"Sie nahmen uns die Matratzen, unsere Kleidung, unsere Kissen und warfen unser Essen auf den Boden. Die Menschen hatten große Angst", erzählt Mohammed weiter. Er zeigt der BBC-Reporterin blaue Flecken auf seinem Rücken und seiner Schulter, die seinen Schilderungen zufolge von den Schlägen herrühren.
Aber auch vor den Hunden habe er sich gefürchtet, die man laut ihm auf die Gefangenen losließ.
"Der Hund, der mich angriff, trug einen Maulkorb mit sehr scharfen Kanten – sein Maul und seine Krallen hinterließen überall auf meinem Körper Spuren", erzählt er.
Mohammed habe sich verändert, sagt sein Bruder zu der BBC-Reporterin. Der mutige Teenager, der er einmal war, sei nicht aus dem Gefängnis zurückgekehrt. "Jetzt ist sein Herz gebrochen und von Angst erfüllt."
Mohammed beim Verlassen des israelischen Gefängnisses.bild / screenshot x
BBC sprach mit fünf weiteren Personen, die Israel aus dem Gefängnis entließ. Sie alle machen Israel die gleichen Vorwürfe: dass sie kurz nach dem Hamas-Angriff geschlagen worden seien. Doch israelische Behörden bestätigen dies nicht.
Israel weist schwere Vorwürfe zurück
Israel behauptet, dass alle seine Gefangenen im Einklang mit dem Gesetz festgehalten worden seien und in den Gefängnissen alle gesetzlich vorgeschriebenen Grundrechte herrschten.
"Uns sind die von Ihnen beschriebenen Vorwürfe nicht bekannt", heißt es in der Erklärung des israelischen Strafvollzugsdienstes auf BBC-Anfrage. "Gefangene und Häftlinge haben jedoch das Recht, eine Beschwerde einzureichen, die von den offiziellen Stellen umfassend geprüft wird."
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