Bild: Victor Moriyama/Greenpeace Brazil/dpa
International
Das Amazonasgebiet brennt und Brasiliens Präsident Bolsonaro schaute zunächst erst einmal zu. Klar ist: Die Feuer sind menschengemacht und breiteten sich in den vergangenen Wochen rasant aus. Gleichzeitig verbreiten sich jedoch auch Irrtümer und Falschinformationen über die Feuer im größten Regenwaldgebiet der Welt.
7 Fragen und Antworten über die Brände im Amazonas.
Ist der Amazonas die "Lunge des Planeten"?
Der Amazonas-Regenwald ist das größte Regenwaldgebiet der Erde. Deshalb wird die Region auch immer wieder als "Grüne Lunge des Planeten" bezeichnet.
Der französische Präsident Emmanuel Macron twitterte erst vor wenigen Tagen:
"Unser Haus brennt. Buchstäblich. Der Amazonas-Regenwald - die Lunge, die 20% des Sauerstoffs unseres Planeten produziert - steht in Flammen."
Aber stimmt das? Der Fachjournalist Christian Schwägerl ist dieser Frage in einem umfassenden Artikel über Irrtümer, Fragen und Antworten zum "Inferno im Regenwald" nachgegangen. Schwägerl kommt zu dem Schluss: Die Aussage ist gleich zweifach falsch.
Zum einen sei das sprachliche Bild schief: Eine Lunge produziere keinen Sauerstoff, sondern nehme ihn aus der Luft auf. Zum anderen stimme auch die Zahl nicht. Da Pflanzen bei der Photosynthese tagsüber Sauerstoff freisetzen und nachts Sauerstoff aufnehmen, würde lediglich etwas mehr Sauerstoff freigesetzt, als eingeatmet, erklärt Schwägerl.
Realistisch würde der Amazonas-Regenwald demnach eher sechs und nicht 20 Prozent des weltweiten Sauerstoffs produzieren.
Der auch von Schwägerl zitierte Umweltwissensachaftler Jonathan Foley schrieb auf Twitter:
"Die Rodung von Wäldern ist also ein riesiges, riesiges Problem für Klimawandel, Biodiversität und Menschen. Aber Gott sei Dank sind die Sauerstoffwerte in der Atmosphäre *nicht* gefährdet. Wir haben schon genug Sorgen. Und Sauerstoff ist nicht das Problem."
Gibt es wirklich mehr Brände als in anderen Jahren?
In Brasilien wüten die heftigsten Brände seit Jahren. Die Zahl der Feuer stieg nach Angaben der brasilianischen Weltraumagentur INPE seit Anfang des Jahres um 82 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf mehr als 79.000 Brände.
In Peru legten die Feuer sogar um 116 Prozent zu, in Bolivien um 107 Prozent. In anderen Ländern wie Ecuador und Kolumbien hingegen war ein Rückgang zu verzeichnen.
Insgesamt ist die Zahl der Brände in der Region von Jahr zu Jahr großen Schwankungen unterworfen. Im gesamten Amazonasbecken, das 7,4 Millionen Quadratkilometer und eine ganze Reihe von Ländern umfasst, liegt die Zahl der Brände nach Angaben der Nasa bislang noch leicht unter dem Durchschnitt der vergangenen 15 Jahre.
Wer ist schuld an den Bränden?
Klar ist: Die Feuer sind durch Brandstiftung entstanden. In Brasilien wird derzeit gegen die Organisatoren eines sogenannten "Tag des Feuers" ermittelt. "Die Bundespolizei wird den Fall mit ihrer Expertise aufklären", schrieb Justizminister Sérgio Moro am Sonntag auf Twitter. "Kriminelle Brandstiftung im Amazonasgebiet wird hart bestraft." Zuvor hatte die Zeitschrift "Globo Rural" berichtet, dass sich im Bundesstaat Pará zuletzt über 70 Personen in einer Whatsapp-Gruppe dazu verabredet hatten, große Flächen entlang der Landstraße BR-163 in Brand zu stecken.
Ziel der koordinierten Aktion sei gewesen, den rechten Präsidenten Jair Bolsonaro bei seinem Plan zu unterstützen, die Umweltkontrollen zu lockern, hieß es in dem Bericht. Nach Einschätzung von Naturschützern werden die meisten Brände von Farmern gelegt, um neue Weideflächen für ihr Vieh zu schaffen. Da es momentan in der Region ungewöhnlich trocken ist, greifen die Brände immer wieder auch auf intakte Waldflächen über.
Umweltschützer werfen dem rechten Präsidenten Bolsonaro vor, ein politisches Klima geschaffen zu haben, in dem sich Bauern zu immer mehr Abholzung und Brandrodung ermutigt sehen. Der Staatschef hat immer wieder klar gemacht, dass er die Amazonasregion vor allem mit ungenutztem wirtschaftlichen Potenzial verbindet.
Was hat das mit unserem Konsum zu tun?
Viele der Waldbrände werden gelegt, um neue Flächen für die Landwirtschaft zu gewinnen. Produziert wird auf diesen Flächen vor allem Rindfleisch und Soja – auch für den Export nach Europa.
Brasilien ist der größte Exporteur von Rindfleisch weltweit. Dem Verband der brasilianischen Rindfleischexporteure zufolge wurden im vergangenen Jahr 1,64 Millionen Tonnen in die Hauptabsatzmärkte China, Ägypten und die Europäische Union ausgeführt. Die Produktion ist in den vergangen beiden Jahrzehnten rasant gestiegen. Sowohl die Menge als auch der Wert des exportierten Rindfleisches stieg zwischen 1997 und 2016 um das Zehnfache, angeführt von den Großunternehmen JBS, Minerva und Marfrig.
Laut Greenpeace-Forscher Romulo Batista ist ausgedehnte Rinderzucht "die treibende Kraft für die Abholzung im Regenwald". 65 Prozent der abgeholzten Flächen werden demnach als Weideland genutzt.
Neben Rindfleisch hat auch der Anbau von Sojabohnen einen großen Anteil an der Abholzung. 2018 exportierte Brasilien nach Angaben des Wirtschaftsministeriums 83,3 Millionen Tonnen Soja, ein Anstieg von 22,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die USA beziehen den größten Teil ihres Sojas aus Brasilien, größter Abnehmer ist China, das die Bohne als Rinderfutter nutzt.
Sind diese Bilder wirklich echt?
Die Brände im Amazonas-Regenwald bewegen viele Menschen. Vielfach werden in den sozialen Medien Bilder und Videos geteilt, die die Auswirkungen der Flammen zeigen sollen. Teilweise handelt es sich dabei jedoch um alte Bilder, computergenerierte Grafiken, oder Bilder, die gar nicht aus der Amazonas-Region stammen.
Das Portal Mimikama.at hat sich die Herkunft der vier Bilder angeschaut: Das Bild oben links zeigt demnach einen Waldbrand in Kalifornien und wurde schon im August 2013 aufgenommen. Die Luftaufnahme oben rechts zeige zwar einen Brand im Amazonas, stamme jedoch aus dem Jahr 1989. Die nächste Luftaufnahme unten links stamme zwar ebenfalls aus dem Amazonas, sei jedoch auch bereits viele Jahre alt – der Fotograf Loren McIntyre verstarb bereits 2003. Dieses Bild nutzte auch der französische Präsident Macron, um seinen Aufruf zum Schutz des Amazonas zu bebildern. Die digitale Karte im Bild unten rechts zeigt laut Mimikama die Häufigkeit von Bränden in Südamerika zwischen den Jahren 2000 und 2014. Zur Abbildung der aktuellen Situation taugt es deshalb ebenfalls nicht.
Ein weiteres Bild, das als angebliches Foto aus dem Amazonas verbreitet wird, zeigt zwei Affen vor einem Flammenmeer. Tatsächlich stammt es jedoch nicht aus dem Amazonas-Regenwald, sondern aus Indien. Außerdem handelt es sich bei dem Bild um eine Fotomontage, wie das Portal Volksverpetzer.de berichtet. Das Originalfoto wurde demnach von dem indischen Fotografen Avinash Lodhi aufgenommen. Die Flammen wurden nachträglich hinzugefügt. Die Fälle zeigen: Gerade bei Vorfällen, die bei vielen Menschen emotionale Reaktionen hervorrufen, werden immer wieder auch gefälschte oder aus dem Kontext gerissene Bilder und Falschinformationen veröffentlicht. Verbreitet werden diese Bilder und Meldungen anschließend häufig von einer Vielzahl unwissender Menschen.
Wie viel Wald ist im Amazonas-Gebiet bereits verloren gegangen?
Die brasilianische Weltraumagentur INPE überwacht seit 1988 die Abholzung im Amazonasgebiet. Seitdem wurde der Wald auf einer Fläche von 700.000 Quadratkilometern zerstört. Das entspricht etwa zweimal der Fläche von Deutschland. Allein von 2000 bis 2018 ist der brasilianische Regenwald nach Berechnungen der Organisation Global Forest Watch um etwa zehn Prozent geschrumpft.
Dabei schwanken die Zahlen von Jahr zu Jahr erheblich: So wurden 2009 rund 18.000 Quadratkilometer Wald vernichtet, im Jahr 2016 waren es fast dreimal so viel. Die Welternährungsorganisation FAO macht die Umwandlung in Weideland für 80 Prozent dieser Verluste verantwortlich. Umweltorganisationen wie Greenpeace nennen illegale Rodungen als Hauptursache von Feuern in der Region.
Besteht dieses Problem nur in Brasilien?
Nein. Weltweit sind einer Studie zufolge im vergangenen Jahr zwölf Millionen Hektar an Tropenwald verloren gegangen. Das entspricht der Fläche Bayerns und Niedersachsens zusammen. Besonders besorgniserregend seien die Verluste von ursprünglichem Regenwald in den Tropen, heißt es in dem Bericht des Projekts Global Forest Watch (GFW), der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Insgesamt 3,64 Millionen Hektar von diesem Baumbestand seien verschwunden – eine Fläche größer als Belgien.
Die Daten aus dem Bericht stammen nach GWF-Angaben von der Universität Maryland und wurden durch die Auswertung von Satellitenbildern zusammengetragen. In dem Bericht geht es nicht nur um Abholzung von Wäldern, sondern auch um Zerstörung durch Brände. Wälder beherbergen nicht nur zahlreiche Arten, sondern haben, vor allem als Kohlenstoffspeicher, einen großen Einfluss auf das Klima.
Im Vergleich zu den Jahren 2016 und 2017 verzeichneten die Autoren im vergangenen Jahr insgesamt einen leichten Rückgang. Demnach belief sich die Zahl der Verluste beim Tropenwald 2016 auf 16,95 Millionen Hektar, in 2017 waren es 15,81 Millionen.
(fh/dpa/afp)