Belarus zwang ein Ryanair-Flugzeug zur Landung. (Symbolbild)Bild: iStockphoto / Jevgenij Kulikov
International
Nach der erzwungenen Landung eines Flugzeugs
in Minks beraten die EU-Staats- und Regierungschefs am Montag über
neue Sanktionen gegen Belarus. EU-Ratschef Charles Michel setzte das
Thema kurzfristig auf die Tagesordnung des ohnehin geplanten
zweitägigen EU-Sondergipfels in Brüssel (19.00 Uhr). "Der Vorfall
wird nicht ohne Konsequenzen bleiben", teilte der Belgier am
Sonntagabend mit. Zugleich verurteilte er die erzwungene Landung der
Ryanair-Maschine sowie die berichtete Festnahme eines belarussischen
Journalisten durch die Behörden der autoritär regierten Republik.
Auch andere Spitzenpolitiker in der EU wie Kommissionspräsidentin
Ursula von der Leyen äußerten sich entsetzt über das belarussische
Vorgehen. "Das unverschämte und illegale Verhalten des Regimes in
Belarus wird Konsequenzen haben", schrieb von der Leyen am
Sonntagabend bei Twitter. "Die Verantwortlichen für die
Ryanair-Entführung müssen sanktioniert werden." Die EU hatte bereits
im vergangenen Jahr Sanktionen unter anderem gegen Machthaber
Alexander Lukaschenko verhängt.
Auch die USA sprach sich gegen die erzwungene Landung aus
Auch die US-Regierung hat die Aktion der Behörden in Belarus
scharf verurteilt. US-Außenminister Antony Blinken schrieb am
Sonntagabend auf Twitter mit Blick auf den belarussischen
Machthaber Alexander Lukaschenko, es habe sich um eine "dreiste und
schockierende Tat des Lukaschenko-Regimes" gehandelt. "Wir fordern
eine internationale Untersuchung und stimmen uns mit unseren Partnern
über die nächsten Schritte ab. Die Vereinigten Staaten stehen an der
Seite der Menschen in Belarus."
Die Behörden der ehemaligen Sowjetrepublik hatten ein Ryanair-Flugzeug auf dem Weg von Athen nach Vilnius am Sonntag zur Landung in
Minsk gebracht. Der Fluggesellschaft zufolge wurde die Besatzung von
belarussischer Seite über eine mögliche Sicherheitsbedrohung an Bord
informiert und angewiesen, zum Flughafen in Minsk zu fliegen. An Bord
der Maschine mit mehr als 100 Passagieren war auch der von
Lukaschenko international gesuchte Blogger Roman Protassewitsch. Nach
Angaben des Menschenrechtszentrums Wesna wurde er nach der Landung
auf dem Airport in Minsk festgenommen.
Am Montag und Dienstag findet ein EU-Sondergipfel statt
Das umgeleitete Flugzeug landete schließlich am Sonntagabend mit
mehr als achtstündiger Verspätung auf dem Flughafen der litauischen
Hauptstadt Vilnius. Litauen leitete nach der Landung Ermittlungen
wegen Entführungs eines Flugzeugs ein. Die Voruntersuchung werde von
der Kriminalpolizei des baltischen EU- und Nato-Landes durchgeführt,
teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit. Dazu sollen auch die
Passagiere und die Besatzung des Flugzeugs befragt werden. "Wir
erwarten auch, dass sie mit den Strafverfolgungsbehörden
zusammenarbeiten und unseren Beamten alle Informationen zur Verfügung
stellen, die sie kennen", sagte Litauens Regierungschefin Ingrida
Simonyte der Agentur BNS zufolge nach einem Treffen mit den
Passagieren am Flughafen in Vilnius.
Der EU-Sondergipfel am Montag und Dienstag ist das erste
physische Treffen von Kanzlerin Angela Merkel und ihren EU-Kollegen
in Brüssel seit Dezember. Eigentlich sollte es am Montag
hauptsächlich um die zerrütteten Beziehungen zu Russland gehen.
Dieses Thema dürfte nun in den Hintergrund rücken, im Fokus stehen
stattdessen neue Sanktionsdrohungen gegen Belarus. Dennoch dürfte der
EU-Außenbeauftragte Josep Borrell damit beauftragt werden, bis zum
Juni-Gipfel eine Bestandsaufnahme zur Beziehung zu Russland
vorzulegen. Außerdem wollten die Staats- und Regierungschefs scharfe
Kritik am aktuellen Kurs der Regierung in Moskau üben. Ferner steht
das Verhältnis zu Großbritannien nach dessen endgültigem Ausscheiden
aus der EU auf der Tagesordnung.
Die EU hatte bereits zuvor Sanktionen gegen Belarus verhängt
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) forderte nach dem Vorfall in
Belarus "deutliche Konsequenzen". "Dass ein Flug zwischen zwei
EU-Staaten unter dem Vorwand einer Bombendrohung zur Zwischenlandung
gezwungen wurde, ist ein gravierender Eingriff in den zivilen
Luftverkehr in Europa", sagte der SPD-Politiker am Sonntagabend einer
Mitteilung zufolge. "Wir sind sehr besorgt über Meldungen, dass auf
diesem Weg der Journalist Roman Protassewitsch verhaftet wurde."
Wegen der anhaltenden Unterdrückung der Demokratiebewegung in
Belarus hatte die EU bereits im vergangenen Jahr Sanktionen gegen das
Land verhängt. Insgesamt stehen knapp 60 Personen aus Belarus auf der
EU-Sanktionsliste, unter ihren Machthaber Lukaschenko. Die
Strafmaßnahmen sehen Einreiseverbote vor und ermöglichen das
Einfrieren von Vermögenswerten.
Auch die Pandemie und die Klimakrise sollen beim Treffen behandelt werden
Am Dienstag wollen die Staats- und Regierungschefs sich am
zweiten Gipfeltag weiter im Kampf gegen das Coronavirus abstimmen.
Dabei stehen sowohl Öffnungsschritte mit Blick auf den Sommer, aber
auch Vorsicht hinsichtlich besonders gefährlicher Virusvarianten im
Fokus.
Eine längere Diskussion dürfte es darüber geben, wie das
Klimaziel für 2030 erreicht werden kann. Hier liegen die EU-Staaten
teils noch weit auseinander. Die EU will ihre Treibhausgase bis 2030
um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 bringen. Mitte Juli
will die EU-Kommission dazu umfassende Vorschläge machen. Die
Diskussion am Dienstag dürfte der Behörde dabei Orientierung über die
Standpunkte der EU-Staaten geben.
(lfr/dpa)
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