Für den neuen US-Präsidenten Joe Biden wird das Treffen mit Wladimir Putin eine diplomatische Gradwanderung.Bild: dpa / Maxim Shipenkov
International
Das Verhältnis zwischen den USA und Russland ist zerrüttet. Bei ihrem
erstem Gipfel wollen die Präsidenten Biden und Putin den Konflikt
entschärfen und Felder der Zusammenarbeit suchen. Biden will Putin
aber auch "rote Linien" aufzeigen.
Verhältnis auf einem "Tiefpunkt": Biden will Kreml "rote Linien" aufzeigen
Nach Jahren schwerer Konfrontation zwischen Washington
und Moskau kommen US-Präsident Joe Biden und Russlands Staatschef
Wladimir Putin an diesem Mittwoch zu ihrem ersten Gipfel zusammen.
Das weltweit mit Spannung erwartete Treffen auf Initiative Bidens
soll gegen 13.00 Uhr in Genf beginnen und vier bis fünf Stunden
dauern, wie es sowohl aus dem Weißen Haus als auch aus dem Kreml
hieß. Biden hatte Putin zu dem Gipfel eingeladen, um angesichts der
im Westen zunehmend kritisierten Politik Moskaus "rote Linien"
aufzuzeigen. Allerdings wollen die Präsidenten der beiden größten
Atommächte auch über gemeinsame Interessen sprechen.
Geplant sind in der Villa La Grange am Genfersee etwa Gespräche über
die strategische Stabilität in der Welt. Experten erwarten, dass
Putin und Biden neue Verhandlungen für eine atomare Abrüstung und für
eine Kontrolle der Waffenarsenale anstoßen könnten. Themen sind nach
Angaben beider Seiten außerdem die Konflikte in Afghanistan, Libyen,
Syrien und der Streit um die Atomprogramme im Iran und in Nordkorea.
Biden und Putin wollen danach getrennt vor die Presse treten.
Biden hatte angekündigt, nicht zuletzt Kritik an den zunehmenden
Repressionen und Menschenrechtsverletzungen in Russland zu üben.
Washington sieht Moskau zudem hinter Cyberangriffen auf
US-Einrichtungen und wirft Russland eine Einmischung in US-Wahlen
vor. Russland weist diese Anschuldigungen zurück. Putin und Biden
sehen das von zahlreichen Sanktionen überschattete Verhältnis ihrer
Länder übereinstimmend auf einem "Tiefpunkt".
Wenig konkrete Ergebnisse erwartet
Biden traf am Dienstag in Genf ein. Er hatte sich in den vergangenen
Tagen bei Verbündeten bei der G7-Gruppe wichtiger Industriestaaten,
bei der Nato und bei der EU der Unterstützung für sein Treffen mit
Putin versichert. "Ich werde Präsident Putin zu verstehen geben, dass
es Bereiche gibt, in denen wir zusammenarbeiten können, wenn er sich
dafür entscheidet", sagte Biden am Montagabend nach dem Nato-Gipfel
in Brüssel. "Und in den Bereichen, in denen wir nicht übereinstimmen,
klarmachen, was die roten Linien sind."
Ein US-Regierungsvertreter sagte, viele konkrete Ergebnisse seien von
dem Gipfel nicht zu erwarten. Auch Kremlsprecher Dmitri Peskow warnte
vor überzogenen Erwartungen etwa an einen inzwischen viel
diskutierten Austausch von inhaftierten russischen Staatsbürgern in
den USA mit US-Bürgern in Moskauer Haft. Es sei voreilig, darüber zu
sprechen, bevor die beiden Staatschefs das Thema wirklich berührten
bei ihrem Gipfel.
Nach einer Kreml-Mitteilung wollen Putin und Biden Schlüsselfragen
der bilateralen Zusammenarbeit klären. Die Beziehungen seien in einem
"nicht zufriedenstellenden Zustand". In vielen Bereichen gebe es gar
keinen Kontakt mehr. Der Kreml verwies in der Mitteilung zudem
darauf, dass die USA 2017 Russland offiziell zu ihrem "Gegner" und
zur "Hauptgefahr für die nationale Sicherheit" erklärt und seither
immer wieder Anschuldigungen erhoben hätten.
Perspektiven des russisch-amerikanischen Handels ein Thema
Seit 2011 seien 96 Mal US-Sanktionen gegen Russland eingeführt
worden, darunter dreimal unter Biden, hieß es. Moskau habe trotzdem
immer wieder die Bereitschaft zum Dialog unter Wertschätzung
gegenseitiger Interessen angeboten. "Wir gehen davon aus, dass die
Normalisierung der bilateralen Beziehungen für beide Seiten
gleichermaßen notwendig ist."
Bei dem Treffen solle es auch um Perspektiven des russisch-
amerikanischen Handels gehen. Nach Kreml-Angaben setzen viele
US-Unternehmen ungeachtet der Sanktionen und Spannungen weiter auf
den russischen Markt. Allein beim St. Petersburger Internationalen
Wirtschaftsforum seien Anfang Juni mehr als 200 US-Unternehmer
gewesen. 3000 Firmen mit US-Kapital seien in Russland tätig.
Das Treffen in Genf bildet den Schlusspunkt von Bidens erster
Auslandsreise als US-Präsident. In Europa nahm er an dem G7-Gipfel
wichtiger Industriestaaten im englischen in Cornwall teil. In Brüssel
wohnte Biden dem Nato-Gipfel und einem Treffen mit Spitzenvertretern
der EU bei, bevor er nach Genf flog. Bei jedem seiner Stopps schwor
er die demokratischen Verbündeten auf einen Schulterschluss gegen
autoritäre Systeme wie in China und Russland ein.
(vdv/dpa)
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