Ein großer, zerstörerischer Erdrutsch mitten in einem Wohngebiet hat die Bewohner eines kleinen Orts im Süden Norwegens zu nachtschlafender Zeit überrascht. Mehrere Wohnhäuser wurden mitgerissen und verschwanden, zehn Menschen, darunter mehrere Kinder, galten am Donnerstagmorgen laut Polizei noch als vermisst – Berichte über bestätigte Todesfälle gab es bis dahin nicht.
Mindestens zehn Menschen wurden bei dem Abgang am frühen Morgen in Ask, etwa 40 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Oslo, verletzt. Sechs von ihnen seien in Krankenhäuser gebracht worden, sagte Einsatzleiter Roger Pettersen. Mehr als 700 Einwohner wurden als Vorsichtsmaßnahme in Sicherheit gebracht. Die Such- und Rettungsarbeiten gingen über Nacht weiter.
Norwegens Regierungschefin Erna Solberg und Justizministerin Monica Maeland reisten nach Ask, um sich ein Bild der Lage zu machen. "Ich stimme mit der Polizei überein, dass dies eine Katastrophe ist", sagte Solberg nach Gesprächen mit der Einsatzleitung. Der Erdrutsch dehnte sich auf einer Länge von 700 Metern und einer Breite von 300 Metern.
Die genaue Ursache des Abgangs war zunächst nicht klar. Er könne mit der örtlichen Bodenart zusammenhängen, hieß es. Dabei handelt es sich um Quickton, eine wasserreiche Struktur, die instabil ist. Norwegen hat eine lange Geschichte von Quickton-Erdrutschen. In der Gegend um Ask gibt es Hügel, aber keine hohen Berge. In jüngster Zeit hatte es dort viel geregnet.
"Das ist einer der größten Erdrutsche der vergangenen Jahre", sagte Torild Hofshagen von der norwegischen Behörde für Wasser und Energie. Seiner Einschätzung nach könnte die Ursache natürlicher Art oder im Bergbau begründet sein.
Die Polizei war Medienberichten zufolge gegen 4 Uhr morgens alarmiert worden und leitete eine große Rettungsaktion ein, die auch das Rote Kreuz einschloss. Hubschrauber waren im Einsatz, um Menschen aus den betroffenen Gebieten zu bringen. Zunächst erschwerte die Dunkelheit die Rettungsarbeiten, später kam noch Schneefall dazu. Auch Geologen trafen in dem 5000 Einwohner zählenden Ort ein.
Die Vermissten wohnen in dem betroffenen Gebiet, sie könnten aber auch zur Zeit des Erdrutsches außer Haus gewesen sein, sagte Pettersen. Das Haus von Anwohner Olav Gjerdingen steht nur 150 Meter von dem Ort entfernt, wo sich der Erdrutsch ereignete. Er und seine Frau seien von der Polizei geweckt worden, berichtete er dem staatlichen Sender NRK.
"Ich wachte auf, weil das Haus zitterte", erzählte ein anderer Mann, der sich auch in Sicherheit bringen konnte. "Ich dachte zuerst, das sei ein Planierfahrzeug." Dann aber sei der Strom ausgefallen, Nachbarn seien hereingestürmt und hätten von dem Erdrutsch berichtet. Regierungschefin Solberg zufolge könnten die Bergungs- und Aufräumarbeiten noch mehrere Tage in Anspruch nehmen.
(andi/dpa)