Ermittler in London finden am Tatort Spuren des Nervengifts Nowitschok.Bild: Getty Images Europe
International
9 prominente Morde, hinter denen Russland stecken soll
In London brechen ein Mann und seine Tochter auf einer Parkbank zusammen. Wenige Tage später ist klar, es handelt sich um einen Gift-Anschlag auf einen russischen Ex-Agenten. Jetzt hat Großbritannien Russland ein Ultimatum zur Aufklärung gestellt. Die jüngere Geschichte allerdings zeigt längst: Gift-Morde mit Spuren nach Moskau häufen sich.
Sergej Skripal dürfte die Gefahr erahnt haben. "Verräter ist ein gefährlicher Beruf", hatte Russlands Präsident Wladimir Putin gesagt, einst selbst ein Agent des Geheimdiensts KGB. Skripal war ein Verräter, zumindest nach Putins Verständnis. Ein Moskauer Gericht verurteilte den ehemaligen russischen Spion Skripal bereits 2006, er hatte als Doppelagent für die Briten gearbeitet. Nach einem Agenten-Austausch kam Skripal
2010 frei und durfte nach England ausreisen. Die Geschichte zeigte aber schon damals: Der russische Staat
vergisst nicht.
Die britische Premierministerin Theresa May fordert Aufklärung von Russlands Präsident Wladimir Putin.Bild: dpa
Anfang März ging Skripal mit seiner Tochter spazieren, als beide auf einer Parkbank zusammenbrachen. Auch ein zu Hilfe eilender Polizist musste sofort ins Krankenhaus gebracht werden. Noch in der gleichen Woche sprach die Londoner Polizei von einem Anschlag mit Nervengift. Das toxische Mittel wurde identifiziert als Nowitschok, ein Gift, das in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts in sowjetischen Labors entwickelt worden war. Die phosphorganische Verbindung hemmt das Enzym Acetylcholinesterase, das bei der Reizleitung an den Nervendenden eine wichtige Rolle spielt. Die Folge: Dauerhafte Muskelverkrampfungen am ganzen Körper. er Zustand von Skripal, Tochter und dem Polizisten sei kritisch aber stabil, heißt es mittlerweile. Der Angriff war gravierend: 21 weitere weitere Passanten mussten in Behandlung.
Die britischen Ermittler glauben an zwei mögliche Motive für den Anschlag.
Zum einen könnten russische Agenten dahinterstecken, zum anderen könnte Russland
die Kontrolle über seine Nervengift-Arsenale verloren haben. In jedem Fall spricht die
Staatsanwaltschaft von „versuchtem Mord“. Noch bis Dienstag läuft ein
Ultimatum der britischen Premierministerin Theresa May. Russland soll der Organisation für
das Verbot chemischer Waffen erklären, wie es zu der Attacke auf den
66-jährigen kam.
Skripal fällt in eine Reihe prominenter Anschläge auf „Abtrünnige“ des
Kremlin. Die Umstände der Attentate sind immer dubios, immer streitet die
Regierung Vladimir Putins jegliche Beteiligung ab. Dennoch: Die Verwendung von außergewöhnlichen Giften und Methoden deutet daraufhin, dass
Geheimdienste hinter den Angriffen stecken. Die Verbindung der Opfer nach Moskau zeigt auf Russland. 9 Geschichten politischer (versuchter)
Morde.
Alexander Litwinenko
Alexander Litvinenkowikimedia/cc
Mit nur 44 Jahren muss Alexander Litwinenko sterben. Der ehemalige Offizier
des sowjetischen Geheimdiensts KGB ist das wohl prominenteste Beispiel eines vermutlich von Russland gesteuerten Auftragsmords. Unbekannte hatten radioaktives
Polonium-210 in seinen Tee gemischt. Nur zwei Jahre zuvor hatte Litwinenko
selbst der New York Times noch in einem Interview erklärt: „In unserem Dienst
war man der Ansicht, dass Gift auch nur eine Waffe ist, wie eine Pistole.“ Der
ehemalige Agent und prominente Kreml-Kritiker starb schmerzhaft an der
Vergiftung.
Vladimir Kara-Murza
Vladimier Kara-MurzaBild: Getty Images North America
Der
russische Oppositions-Politiker Vladimir Kara-Murza hat sogar zwei Anschläge
mit Gift überlebt. Der erste geschah im Jahr 2015 auf einem Meeting. Foreign
Policy zitiert Kara-Murza, der seinen hohen Blutdruck, Würgen und anschließende
Ohnmacht beschreibt. Nach einer Woche Koma, bestätigten seine Ärzte: Gift war
im Spiel. 2017 folgte dann der zweite Anschlag. Wegen ihm ist er noch immer in
Behandlung.
Kara-Murza
hat als Journalist kritische Artikel über die Gefahren des Putinismus verfasst
und arbeitet für die Demokratiebewegung „Open Russia“.
Alexander Perepilichny
CNN/Screenshot
Der damals 42-jährige Unternehmer
Alexander Perepilichny joggte gerade durch seine Wahl-Heimat in London, als er kollabierte
und augenblicklich starb. Ermittler fanden anschließend Spuren eines seltenen
Pflanzengifts in seinem Magen. Perepilichny hatte zuvor Beweise über die
Korruption in russischen Behörden an Schweizer Ermittler übergeben.
Anna Politkovskaya
Trauerfeier für Anna Politkovskayagetty images
Die investigative Journalistin Anna Politkovskaya
hatte
viele Feinde in Moskau. Am Ende ermordeten sie Unbekannte im Fahrstuhl ihrer
Londoner Wohnung. Bereits 2004 hatte es aber auch einen Gift-Anschlag auf sie
gegeben, als sie einen Flug nach Nordossetien bestieg. In
Interviews bekräftigte sie ihre Vermutung, dass Unbekannte Gift in ihren Tee
gemischt hatten.
Karinna Moskalenko
Karinna Moskalenko war die Anwältin von Anna Politkovskaya. Sie besuchte 2008
gerade einen Untersuchungsausschuss über deren Ermordung, als sie zum Opfer wurde. Als sie und ihr Mann nach Moskau zurückfliegen wollten, begannen die Kopfschmerzen und die schwere Übelkeit. Später fand Moskalenko seltsame
Metallplatten unter ihren Autositzen. Vermutlich handelte es sich dabei um
Quecksilber, heißt es in Berichten. Moskalenko und ihr Ehememann überlebten den Anschlag.
Viktor Yushchenko
Viktor Yuschenko in New York.Bild: Getty Images North America
2004 befand sich der prowestliche Kandidat Viktor Yushchenko gerade
mitten im Wahlkampf in der Ukraine. Plötzlich verschwand er aber aus der
Öffentlichkeit, als er wieder auftauchte, war sein Gesicht schlimm entstellt und bläulich gefärbt.
Die Folgen einer Vergiftung mit Dioxin.
Samir Saleh Abdullah
Khattabwikipedia/cc
Es gibt wenige Attentate, zu denen Der Kreml steht. Dieses allerdings gehört
dazu. Im Jahr 2002 sprach der russische Geheimdienst FSB von einer „Special
Operation“. Zuvor hatte er mutmaßlich einen Brief an den tschetschenischen Rebellen Samir
Saleh Abdullah, alias Khattab, geschickt. Darin befand hochtoxische Nervengift Sarin.
Georgi Markow
Der berühmte SchirmBild: Getty Images North America
Georgi Markows Fall hat einiges von einem James-Bond-Film. 1987 stach ein Unbekannter dem
bulgarischen Dissidenten in dessen Wahlheimat London mit einem Regenschirm ins Bein. In dessen Spitze
befand sich das Gift Rizin aus dem Samen des Wunderbaums. Sofort kollabierte
Markov und starb kurze Zeit später im Krankenhaus.
Sozialabgaben steigen ab 2025: Was das für dich bedeutet
Bei so manchen Themen machen die meisten einfach dicht, zu trocken, zu öde, zu technisch. Manche von ihnen schmecken nach Aktenstaub, riechen vielleicht auch etwas nach Tweed-Sakkos und Mottenkugeln. Das gilt etwa für Steuerfragen, die durchaus wichtig, aber eben nur schwer zu verkaufen sind. In eine ähnliche Kerbe schlagen die Sozialabgaben.