
Donald Trump arbeitet fleißig weiter trotz Corona – das sollen Bilder wie dieses suggerieren.Bild: imago images / SMG
International
05.10.2020, 11:4005.10.2020, 11:40
US-Präsident Donald Trump hat am Sonntag das Krankenhaus für wenige Minuten verlassen, um seine Anhänger außerhalb der Klinik zu grüßen. Aus einem schwarzen SUV heraus winkte er seinen Fans in Bethesda im Bundesstaat Maryland zu, wie auf Videos zu sehen war. Trump saß mit mindestens zwei Personen in dem Wagen und trug eine Maske.
Dieser Ausflug sorgt für scharfe Kritik, schließlich gefährdet Trump, wenn er noch ansteckend ist, seine Mitfahrer. Umso dringender ist daher die Frage: Wie geht es Trump aktuell wirklich?
Dass der US-Präsident sich nicht nur mit dem Coronavirus infiziert
hat, sondern sogar ins Krankenhaus geflogen wurde, hat die Nation
zutiefst verunsichert.
Sein Leibarzt Sean Conley sollte die Amerikaner am Samstag über Trumps Gesundheitszustand aufzuklären. Keine 13 Minuten dauert
der Auftritt. Danach ist nicht nur die Verunsicherung, sondern auch
das Misstrauen gegenüber dem Weißen Haus noch größer als zuvor. Denn die Informationen über Trump widersprechen sich.
Die anonyme Quelle
Conley und sein Ärzteteam zeichnen am Samstag vor den
Journalisten ein rosiges Bild vom Zustand des 74-Jährigen - doch nur
wenige Minuten nach dem Ende des Briefings steckt eine anonyme Quelle
den Reportern ganz andere Informationen: "Die Werte des Präsidenten
in den vergangenen 24 Stunden waren sehr besorgniserregend", heißt es
da. Die nächsten 48 Stunden würden entscheidend. "Wir befinden uns
noch immer nicht auf einem klaren Weg zu einer vollständigen
Genesung."
Später stellt sich heraus: Die Quelle ist Trumps Stabschef
Mark Meadows gewesen. Der CNN-Journalist Jim Acosta schreibt am
Sonntag auf Twitter unter Berufung auf informierte Kreise, Trump sei
stinksauer auf Meadows wegen dessen Äußerungen.

Trumps Stabschef Mark Meadows ist die "anonyme" Quelle.Bild: ap / Alex Brandon
Der Leibarzt weicht aus
Auch ohne Meadows Querschuss wirft Conleys Auftritt am Samstag
zahlreiche Fragen auf. Keine Antwort gibt der Arzt darauf, wie hoch
Trumps Fieber war. Keine Angaben auch dazu, wie Trump sich angesteckt
haben könnte. Wiederholt weicht der Mediziner der Frage aus, ob Trump
irgendwann im Verlauf seiner Covid-19-Erkrankung zusätzlichen
Sauerstoff benötigt habe. "Er bekommt im Moment keinen Sauerstoff",
antwortet Conley mehr als einmal. Warum sich Conley derart windet,
wird bald darauf klar: Die "New York Times" berichtet, Trump habe am
Freitag Atemprobleme gehabt und Sauerstoff verabreicht bekommen.
"Leichte Symptome?"
Meadows räumt am Samstagabend im Sender Fox News ein: "Gestern
waren wir wirklich besorgt. Er hatte Fieber, der Sauerstoffgehalt
seines Bluts war rapide gefallen." Am Freitag hatte der Stabschef vor
Journalisten noch behauptet, Trump zeige nur "leichte Symptome", der
Präsident sei "in guter Stimmung" und sehr energiegeladen. Am Sonntag
gibt dann auch Conley zu, dass Trumps Sauerstoffwerte gefallen seien
- und zwar nicht nur am Freitag, sondern auch am Samstag.
Versuch der Rechtfertigung
Der Leibarzt versucht sich am Sonntag mit einer Rechtfertigung:
"Ich habe versucht, die optimistische Haltung wiederzugeben, die das
Team, der Präsident und sein Krankheitsverlauf an den Tag gelegt
haben. Ich wollte keine Informationen geben, die den
Krankheitsverlauf in eine andere Richtung lenken könnten. Und dabei
kam es so rüber, als ob wir versuchen, etwas zu verbergen, was nicht
unbedingt gestimmt hat." Nicht unbedingt? Conley sagt jedenfalls:
"Tatsache ist, dass es ihm sehr gut geht." Sein Kollege Brian
Garibaldi fügt hinzu, sollte es Trump weiterhin so gut gehen, "hoffen
wir, dass wir für eine Entlassung ins Weiße Haus bereits morgen
planen können".

Trumps Leibarzt Conley widersprach sich bei seinen Ausführungen.Bild: imago images / Rod Lamkey
Wann lag Trumps Testergebnis vor?
Eine weitere zentrale Frage lässt Trumps Leibarzt unbeantwortet:
Wann der Präsident zuletzt negativ getestet wurde. Stattdessen sorgt
Conley für Verwirrung, als er am Samstag sagt, die Corona-Diagnose
liege "72 Stunden" zurück. Das wäre verheerend für Trump: Dann hätte
er gewusst, dass er hochansteckend ist, bevor er am Mittwochabend und
Donnerstagnachmittag in Minnesota und New Jersey Spender traf, um
Gelder für seinen Wahlkampf einzusammeln.
Schon so steht der Präsident in der Kritik, weil das Weiße Haus
vor seinem Treffen am Donnerstag Kenntnis davon hatte, dass eine
seiner engsten Beraterinnen mit dem Virus infiziert war. Conley
verfasst wenig später eine vom Weißen Haus verbreitete
"Klarstellung", in der es heißt, er habe sich falsch ausgedrückt.
Tatsächlich habe Trumps positives Testergebnis erst am
Donnerstagabend vorgelegen.
Trump und die Krankenhäuser
Die "New York Times"-Journalistin Maggie Haberman schreibt auf
Twitter mit Blick auf Conleys Auftritt vom Samstag, der Arzt habe
seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt. "Das liegt zum Teil daran,
dass er den Wünschen eines Patienten nachkommt, der nicht will, dass
die Information über gestern offengelegt wird", heißt es in Habermans
Tweets unter Berufung auf Trumps Umfeld. Sein ganzes Leben lang habe
Trump eine Phobie vor Krankheiten und ein extremes Misstrauen
gegenüber Krankenhäusern gehabt. "Er wäre nicht in ein Krankenhaus
gegangen, wenn es ihm relativ gut ginge."
Eine reine Vorsichtsmaßnahme?
Der Sender CNN berichtet, Berater hätten Trump drängen müssen, in
den Hubschrauber zu steigen, der ihn am Freitagabend ins Krankenhaus
brachte. Das Weiße Haus hatte von einer reinen Vorsichtsmaßnahme
gesprochen. Trump - der vor der Wahl in rund einem Monat eigentlich
noch jede Menge Auftritte geplant hat - sagte in einer Videobotschaft
vom Freitagabend: "Ich denke, mir geht es sehr gut." Am Samstagabend
scheint er sich im Nachhinein selbst zu widersprechen, als er in
einem Video aus dem Krankenhaus sagt: "Ich kam hierhin, fühlte mich
nicht so gut." Jetzt gehe es ihm aber "viel besser".
Der Fall Boris Johnson
Trump sagt mit Blick auf seine Infektion auch, erst in den
nächsten Tagen stehe ihm "die wahre Prüfung" bevor. Das erinnert an
die Covid-19-Erkrankung seines Freundes Boris Johnson. Auch beim
britischen Premierminister war zunächst von "leichten Symptomen" die
Rede. Johnsons Verlegung ins Krankenhaus nannte die Regierung
ebenfalls eine "Vorsichtsmaßnahme". Neun Tage nach seinem positiven
Test lag Johnson dann auf der Intensivstation.
Ein verdächtiges Arztschreiben
Um die Glaubwürdigkeit Trumps (nicht nur) in medizinischen Fragen
ist es schon vor seiner Erkrankung schlecht bestellt gewesen. Sein
Wahlkampfteam präsentierte im Jahr 2015 das Schreiben eines Arztes
namens Harold Bornstein, in dem es hieß: "Ich kann eindeutig sagen,
dass Herr Trump, sollte er gewählt werden, die gesündeste Person sein
wird, die je in das Präsidentenamt gewählt wurde."
Der Duktus
erinnerte wohl nicht umsonst an den Präsidenten der Superlative.
Bornstein sagte dem Sender CNN vor knapp zweieinhalb Jahren: "Er hat
den ganzen Brief diktiert. Ich habe diesen Brief nicht geschrieben."
Kann man dem Weißen Haus vertrauen?
Die "Washington Post" meint, man könne diesem Weißen Haus nicht
vertrauen, dass es wahrheitsgemäß über Trumps Gesundheitszustand
informiere. Die Nachrichtenseite Axios schreibt in einem Newsletter
sogar von "Vertuschung" und fragt, warum der Öffentlichkeit
Widersprüchlichkeiten vorgesetzt würden. Auch Mitarbeiter des Weißen
Hauses und von Trumps Wahlkampfteam seien seit Meadows Äußerungen
ratlos, was eigentlich vor sich gehe. "Sie haben, wie wir, wenig
Vertrauen in das, was ihnen gesagt wird."
(hau/dpa)
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