Bei der Terrorattacke in Wien am Montagabend sind mindestens vier Passanten getötet worden. Mehr als ein Dutzend Menschen sind in teils lebensbedrohlichem Zustand in den Kliniken. Der 20-jährige, einschlägig vorbestrafte Attentäter war nach Angaben von Innenminister Karl Nehammer ein IS-Sympathisant, der nach Syrien gehen wollte. Der Mann wurde von der Polizei erschossen. Ob er einen oder mehrere Komplizen hatte, ist noch unklar.
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Bei einer Pressekonferenz gaben Innenminister Karl Nehammer, der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Franz Ruf und der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl weitere Details zum Täter bekannt. Die Einzeltäterthese habe sich bestätigt, verkündeten sie zunächst.
Dann gaben sie weitere Auskünfte über die Vorgeschichte: Im August 2018 habe der Täter nach Afghanistan ausreisen wollen, erklärte Ruf. Er habe aber kein Visum bekommen und sei daher zurückgewiesen worden. Im September sei er dann in die Türkei gereist, sein eigentliches Ziel sei Syrien gewesen. Er sei aber von den türkischen Behörden festgenommen und inhaftiert worden. Die Türkei habe ihn dann im Januar 2019 nach Österreich ausgeliefert. Dort sei er dann verurteilt worden.
Außerdem bestätigten die österreichischen Behörden bei der Pressekonferenz, dass der österreichische Geheimdienst im Juli 2020 von den slowakischen Kollegen informiert worden sei, dass der Täter versucht habe, sich Waffen in der Slowakei zu besorgen. Es habe mehrere Nachfragen an die Slowaken gegeben, aber er könne nicht sagen, ob der Prozess "optimal" gelaufen sei. "Das muss eine Kommission klären,"
Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat den Anschlag in Wien mit vier Todesopfern und 22 teils schwer Verletzen für sich reklamiert. Ein "Soldat des Kalifats" habe die Attacke mit Schusswaffen und einem Messer verübt und in der österreichischen Hauptstadt rund 30 Menschen getötet oder verletzt, darunter auch Polizisten, teilte der IS am Dienstag auf seiner Plattform Naschir News mit.
In einem Kondolenztelegramm an Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz schrieb Merkel laut einer Mitteilung: "Dieser feige Anschlag ist auch ein Angriff auf unsere gemeinsamen europäischen Werte, die es nun mit umso größerem Nachdruck zu verteidigen gilt."
Bei dem Terroranschlag in Wien ist auch eine Deutsche getötet worden. "Wir haben jetzt die traurige Gewissheit, dass auch eine deutsche Staatsangehörige unter den Opfern des Angriffs in Wien ist", teilte Außenminister Heiko Maas am Dienstag in Berlin mit.
Watson sprach mit dem Terror-Experten Rolf Tophoven über die Attacke. Er lobt das schnelle Vorgehen der Polizei, vor allem der Streifenpolizisten. "Wenn diese erkennen, dass gerade eine Terrorlage entsteht, können sie schnellstmöglich entsprechende Spezialkräfte alarmieren", sagt er. Zudem sei die Spezialeinheit "Cobra" ein Team aus "hervorragenden Spezialisten, die bei Terrorattacken schnell und effektiv reagieren. Den Text findet ihr hier.
In einem Gespräch mit dem Nahost-Experten Guido Steinberg erfuhr watson zudem, dass Wien bereits seit einigen Jahren gefährdet sei. "250 Menschen aus Österreich sind nach Syrien ausgereist und haben sich dort Organisationen wie dem "Islamischen Staat" angeschlossen", sagt er im Interview. Wien habe eine der stärksten dschihadistischen Szenen Österreichs. Hier der Link zum Interview.
Laut eigenen Angaben liegen "Zeit Online" Informationen vor, dass der Attentäter in Wien auch den deutschen Behörden bekannt war. Demnach soll es Kennverhältnisse zwischen dem Täter und in Deutschland lebenden Islamisten gegeben haben.
Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig sagte in einer Pressekonferenz, dass zehn Personen bereits aus dem Krankenhaus entlassen wurden, bei drei weiteren ist der Zustand kritisch. Trotz der schwierigen Lage dankt er allen, die mitgeholfen haben, "obwohl sie nicht sicher sein konnten, ob sie nicht selbst gefährdet werden". Neben Freiwilligen Helfern seien insgesamt 15 Rettungseinheiten tätig gewesen.
Österreichs Innenminister Karl Nehammer sagte, dass die Sicherheitsstufe in Österreich erhöht bleibe, da die Ermittlungen weiterhin laufen und es nicht sicher sei, ob ein zweiter Täter beteiligt war.
"Es sind nur 9 Minuten vergangen, vom ersten Schusswechsel bis zur Ausschaltung des Attentäters", sagt der österreichische Innenminister Nehammer. Es sei den Polizisten vor Ort zu verdanken, dass es so schnell ging.
In Wien und Niederösterreich seien 18 Hausdurchsuchungen und 14 Festnahmen getätigt worden, so Nehammer. Außerdem gab es keine Hinweise auf einen zweiten Täter. Bisher habe die Polizei 50 Prozent des eingesandten Videomaterials ausgewertet. Die Bevölkerung sendete der Polizei rund ein Terabyte an Videomaterial von der Tatnacht zu.
Österreichs Innenminister Karl Nehammer sprach bei einer Pressekonferenz den Opfern sein Beileid aus. Außerdem sei der Polizist operiert worden und sein Zustand stabil.
"Die europäische Familie steht fest an der Seite Österreichs", sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Entsprechend begann die tägliche Pressekonferenz in Brüssel mit einer Schweigeminute für die Opfer des Terroranschlags. Der Sprecher betont, dass die EU den Terrorismus gemeinsam bekämpfen werde.
2019 war der mutmaßliche Attentäter bereits wegen einer Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 22 Monaten Haft verurteilt worden. Sein ehemaliger Anwalt, Nikolas Rast, äußerte sich nun beim "NDR", "WDR" und der "Süddeutschen Zeitung". Ihm sei sein Mandant nicht radikal vorgekommen, heißt es etwa. "Er hatte blöde Ideen gehabt und hat es dann verstanden - so kam er zumindest rüber", so der Anwalt. Er ergänzt, dass der Täter an die falschen Leute geraten sei.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat nach dem Anschlag von Wien ein unerbittliches Vorgehen gegen den Terrorismus angekündigt. "Wir werden den Terrorismus gemeinsam entschlossen bekämpfen", teilte von der Leyen am Dienstag nach einem Telefonat mit dem österreichischen Kanzler Sebastian Kurz mit. Die europäische Familie stehe fest an der Seite von Österreich. Sie verurteile den verabscheuungswürdigen Anschlag auf das Schärfste.
Die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland haben den Terroranschlag in Wien als schlimmsten Missbrauch von Religion verurteilt. Es sei "ein Anschlag auf die Menschlichkeit überhaupt", teilte der Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, am Dienstag mit. "Sich beim Morden auf Gott zu berufen, ist zynisch und die schlimmste Form des Missbrauchs von Religion. Der Glaube an Gott steht für Liebe und Barmherzigkeit." Die fundamentalistischen Gewalttäter versuchten, Gift zu streuen, indem sie Hass schürten und Angst und Schrecken verbreiteten. "Aber es wird ihnen nicht gelingen", sagte Bedford-Strohm.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, äußerte sich tief erschüttert. "Ich verurteile diesen islamistischen Terror, wie es ihn auch schon in der vergangenen Woche in Nizza gab." Terror im Namen der Religion pervertiere den Namen Gottes.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kontaktierte den österreichischen Bundespräsidenten Alexander van der Bellen, sprach ihm nach dem Anschlag sein Beileid aus. "Die erschreckenden Nachrichten über die nächtlichen Anschläge in der Wiener Innenstadt mit mehreren Toten und vielen Verletzten sind in Deutschland mit Bestürzung und großer Anteilnahme aufgenommen worden", sagte Steinmeier. "Wir hoffen mit Ihnen, dass es der Polizei rasch gelingen möge, alle Täter alsbald zu fassen und weitere Gewalttaten zu verhindern."
Er betonte, dass er "diese abscheuliche Gewalt" verurteilt. "Wir werden vor ihr und vor dem Hass, der sie treibt, nicht zurückweichen", schreibt er weiter. Deutschland stehe im Kampf gegen Extremismus und Terrorismus an der Seite Österreichs.
Die bundesweit größte Islam-Organisation Ditib hat den Terroranschlag von Wien scharf verurteilt. "Der brutale Terrorakt in Wien hat uns auch in Deutschland bis ins Mark getroffen", teilte die türkische Ditib kürzlich in Köln mit. "Wir stehen in voller Überzeugung an der Seite der Österreicherinnen und Österreicher." Die Terroristen und ihre Sympathisanten seien eine "verachtenswerte Gruppe gescheiterter Individuen". Terroristen handelten aus Hass und wollten Hass verbreiten. "Wir gewähren ihnen keinen Millimeter", so die Ditib.
Nach dem Terrorakt in Wien verspricht der österreichische Vizekanzler Werner Kogler, dass Österreich gemeinsam die Grund- und Freiheitsrechte verteidigen werde. Dass Terror die Gesellschaft spaltet, werde er nicht zulassen. Im Gegenteil: Man werde mehr denn je auf den gemeinsamen Grundkonsens einer liberalen Demokratie bauen. "Mit mehr Zusammenhalt, mehr Respekt, mehr Achtung unserer demokratischen Grundwerte." Das sei die stärkste Absage an jede extremistische und totalitäre Gesinnung", sagt Kogler.
Laut Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sei es nach der Terrorattacke wichtig, "den fanatischen Feinden unserer Art zu leben entgegenzutreten". Deshalb drängt er auf eine intensivere sicherheitspolitische Zusammenarbeit der Europäischen Union. Das schrieb Schäuble dem Präsidenten des österreichischen Nationalrats, Wolfgang Sobotka.
Nun äußerte sich auch der Zentralrat der Juden in Deutschland zur Terrorattacke in Wien. "Nach den jüngsten Attentaten in Frankreich haben jetzt in Wien erneut Islamisten einen Angriff auf unsere freiheitlichen Demokratien und unsere Werte verübt, dem unschuldige Menschen zum Opfer fielen", sagte der Ratspräsident Josef Schuster. Ob eine Synagoge ebenfalls Ziel war, sei unklar, aber für ihn stehe fest, "dass Islamisten religiöse Toleranz verachten", erklärt er weiter. Europa müsse entsprechend stärker für demokratische Werte einstehen.
Außerdem bezeichnete die jüdische Gemeinschaft in Rom die Attacke als "Angriff auf den Westen und auf Europa". Man müsse den Mut haben, offen zu sagen, dass die Gefahr des islamistischen Fundamentalismus weiterhin allgegenwärtig ist. Es bedarf einer europäischen Strategie, um diesen zu bekämpfen, sagte die Präsidentin der Gemeinschaft, Ruth Dureghello.
"Wir müssen uns gemeinsam diesem Hass entgegenstellen", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas in Berlin. Er fordert einen internationalen Kampf gegen islamistischen Terrorismus. Zu diesem sagt der SPD-Politiker: "Er wird unsere Gesellschaften nicht spalten, davon bin ich überzeugt." Islamistischer Terror sei "ein Feind unserer freien Gesellschaften".
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hat Details zu den Todesopfern der Terrorattacke von Wien bekannt gegeben. Es kamen ein älterer Mann und eine ältere Frau, ein junger Passant und eine Kellnerin ums Leben, wie Kurz am Dienstag in Wien sagte. Ein Polizist, der sich dem Täter entgegengestellt habe, sei niedergeschossen und verletzt worden.
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hat nach dem islamistisch motivierten Terroranschlag in Wien vor einer Spaltung der Gesellschaft gewarnt. "Es muss uns stets bewusst sein, dass dies keine Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslimen oder zwischen Österreichern und Migranten ist", sagte Kurz in einer Fernsehansprache an die Nation am Dienstag. Es sei vielmehr ein Kampf zwischen den vielen Menschen, die an den Frieden glaubten, und jenen wenigen, die sich den Krieg wünschten. Religion und Herkunft dürften nie Hass begründen. "Wir werden die Opfer des gestrigen Abends niemals vergessen und gemeinsam unsere Grundwerte verteidigen", sagte Kurz an die Adresse der in Österreich lebenden Menschen.
(tkr/afp/dpa/reuters)